Mainz – Weil ihr Hund öfter kränkelte, brachte Anna Weihrich das Haustier in regelmäßigen Abständen zum Tierarzt. In der Praxis kam die Seniorin mit der freundlichen Arzthelferin ins Gespräch. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahre eine tiefe Freundschaft, die beiden Frauen verbrachten sogar den Urlaub miteinander. Bis Anna Weihrich schließlich auf die Idee kam, die junge Frau zu adoptieren. Die alleinstehende Mainzerin stellte einen Antrag, den das Amtsgericht positiv beschied. Denn die über 70-Jährige konnte glaubhaft nachweisen, dass sie eine gewachsene menschliche Beziehung besiegeln wollte.
„In diesem Fall steht der Adoption eines Erwachsenen nichts im Wege“, wie S. Meyer, Richterin am Mainzer Amtsgericht bestätigt. So glatt läuft es aber nicht immer. Da gibt es auch ältere Menschen, die auf einem Vermögen sitzen und die Idee haben, dem Erben später jede Menge Steuern zu ersparen. Dem hat der Gesetzgeber aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. So ist die Annahme einer volljährigen Person an Kindesstelle aus rein wirtschaftlichen oder steuerlichen Gründen ausgeschlossen. Da aber außenstehende Personen die zum Beispiel 300 000 Euro erben, 280 000 Euro voll versteuern müssen, ist die Erwachsenenadoption durchaus eine lohnende Alternative. Denn der eigene Nachwuchs wird für diesen Betrag vom Fiskus nicht zur Kasse gebeten.
Und darauf spekulieren auch manche „Kinder“. „Es besteht immer die Gefahr, dass der zu Adoptierende nur die Hinterlassenschaft im Blick hat“, sagt Meyer. Daher müssen sich die Beteiligten der jährlich acht bis zehn Verfahren in Mainz, einer Anhörung stellen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie haben dann Fragen nach der Intensität der Beziehung zu beantworten, etwa zu gemeinsamen Feiern oder Urlaubsreisen. Erst wenn die Richterin von den lauteren Absichten überzeugt ist, fällt sie eine Entscheidung.
Was aber immer noch nicht gewährleistet, dass keine finanziellen Interessen zum Tragen kommen, wie Meyer weiter ausführt. „Es gibt Menschen, die haben kein Unrechtsbewusstsein, erschleichen sich das Vertrauen anderer aus finanziellen Erwägungen, und die Lebensumstände der betreffenden Personen forschen wir nicht aus. Es gibt keine staatsanwaltlichen Ermittlungen.“ Heißt: Wer es versteht, sich glaubwürdig in Szene zu setzen, hat gute Chancen damit durchzukommen.
Was sind nun die Gründe, warum Erwachsene Volljährige adoptieren? „Bei älteren Menschen ist es die Überlegung, dass eine ihr nahestehende Person Auskünfte von Behörden oder Ärzten erhält, wenn die “Eltern„ bettlägerig oder pflegebedürftig sind“, weiß Richterin Meyer.„ In anderen Fällen ist es so, dass nach einer Scheidung das Kind aus erster Ehe vom neuen Partner erst dann adoptiert wird, wenn es volljährig ist. Dadurch lassen sich Konfrontationen mit dem Erzeuger vermeiden.“
Ähnlich sind die Motive bei der Adoption von Ausländern gelagert, die zentral beim Amtsgericht Koblenz angesiedelt sind. Laut dem zuständigen Richter Nikolaus Karst werden auch in diesen Fällen die Umstände intensiv geprüft. Natürlich könne dabei auch bei Flüchtlingen der Gedanke eine Rolle spielen, sich Bleiberecht zu verschaffen. Aber: „Durch eine Adoption bekommen erwachsene Ausländer nicht zwingend einen dauerhaften Aufenthaltsstatus“, sagt Karst. „Denn sie behalten, anders als Kinder, ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft. Spätestens aber das Ausländeramt werde bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis Schwierigkeiten machen, wenn nicht besondere zusätzliche Umstände dazukommen, die einen gemeinsamen Aufenthaltsort zwischen Eltern und Kind erforderlich machen.
Richterin Meyer, die früher auch in diesem Bereich tätig war, erinnert sich an Fälle, in denen sie potenzielle Kinder über diesen Punkt aufgeklärt und sie zudem über ihre Pflichten, etwa die Übernahme von möglichen Pflegekosten, informiert hat. Die Antwort: “Oh, dann müssen wir darüber noch mal nachdenken.„
Einen gesetzlich festgelegten Altersunterschied zwischen den späteren Verwandten gibt es laut Meyer nicht. Als Leitlinie gilt: “Er muss dem eines „echten“ Eltern-Kind-Verhältnisses entsprechen. Bei 45 Jahren Altersdifferenz schauen wir schon genauer hin."
Sabine Jakob