Neuwied
Neuwied: Goethes Gretchen in der Light-Version serviert

Wie soll es denn sein, das Gretchen? Hysterisch, zahm oder sexy? „Chamäleon light“ nimmt mit Goethes berühmter Frauenfigur den Schauspieler an sich aufs Korn.

Angela Göbler

Neuwied. „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“ Einmal Gretchens berühmten Satz aus dem „Faust“ auf der Bühne zu sprechen, ist wohl für viele Schauspielerinnen eine Herausforderung. Aber wie macht man das am besten? Die Laienspielgruppe "Chamäleon" fand ihren eigenen Weg.

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Neuwied. „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“ Einmal Gretchens berühmten Satz aus dem „Faust“ auf der Bühne zu sprechen, ist wohl für viele Schauspielerinnen eine Herausforderung. Aber wie macht man das am besten?

Verzückt gehaucht? Hysterisch auf der Bühne herumwälzend? Verächtlich dem Publikum entgegengerotzt? „Gretchen 89ff“ von Lutz Hübner geht dieser Frage nach – und inspirierte damit auch die Neuwieder Schauspielgruppe „Chamäleon“ zu einem kleinen, darstellerischen Versuch über den Schauspieler an sich – wenn auch in abgespeckter Besetzung. Das Ergebnis konnten am Wochenende die Gäste im Neuwieder Landratsgarten bestaunen.

„Chamäleon light“ ist für die mittlerweile hochgelobte Laientruppe ein Experiment: Sonst eher für mehrstündige Epen unter der Regie (oder gar aus der Feder) von Oliver Grabus bekannt, wechselten für „Gretchen 89ff“ einige Schauspieler auf den Regiestuhl. Unter der Moderation von Oliver Grabus und Julia Becker exerzierten sie dabei in zehn kurzen Szenen rund um Probenarbeiten an Goethes berühmter „Kästchen-Szene“ die unschiedlichsten Typen von Schauspielern und Regisseuren durch. Da wird genüsslich die zickige Diva auf den Regieneuling losgelassen, die Schauspielanfängerin treibt mit ihren Aussprache- und Lockerungsübungen alle in den Wahnsinn, und der „Streicher“ würde am liebsten alles wegkürzen, was sich nicht wehrt – einschließlich Hauptrolle.

Spaß gemacht hat der kleine Rollenwechsel den „Chamäleons“ sichtlich. Ein Schlag Selbstironie gehört wohl dazu, die eigene Zunft so auf die Schippe zu nehmen. Aber gerade Bühnenschauspielern hat ein bisschen Lockerheit ja noch nie geschadet. Und ein wenig eitel sind Darsteller und Regisseure auch: „Zeig ihnen fünf gute Kritiken und eine schlechte“, sinnieren Becker und Grabus auf der Bühne, „und sie sind für Wochen suizidgefährdet.“

Bis zum nächsten Bühnenabenteuer dürften aber hoffentlich noch alle Chamäleons unter den Lebenden sein: Denn wer das Gretchen-Experiment in der Light-Version verpasst hat, bekommt im nächsten Jahr noch einmal die Chance. Dann wuselt am Freitag, 28., und Samstag, 29. Januar 2011, Goethes Gretchen über die Bühne des Kaplan-Dasbach-Hauses in Horhausen.