Ein Experte erklärt, was Farben in uns auslösen - Lässt sich das auch auf das Thema Gärten übertragen?
Negative Gefühle? So wirkt Grau auf unsere Psyche
Vor allem in Neubaugebieten im Kreis Bad Kreuznach sieht man immer öfter solche oder ähnliche Steinwüsten statt Vorgartenoasen. Der Naturschutzbund versucht mit Aufklärung, gegen den Trend zu steuern. Foto: dpa
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Reine Schottergärten sind nachweislich schlecht fürs Klima und fördern auch nicht gerade die Artenvielfalt. Aber hat das Grau auch Auswirkungen auf die menschliche Psyche? Darüber haben wir mit Dr. Christoph Freiherr von Castell von der Abteilung Experimentelle Psychologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gesprochen. Er sagt: Die meisten Menschen verbinden mit Grau negative Gefühle. Wir sollten den Einfluss von Farben auf unser Befinden aber auch nicht überschätzen:

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Herr von Castell, Sie und Ihre Kollegen haben verschiedene Experimente zur Wirkung von Farbe auf die menschliche Psyche gemacht. Mit welchem Ergebnis?

Es gibt schon seit Langem die Hypothese, dass Farbe Emotionen oder auch Leistungsfähigkeit beeinflusst. In der Literatur finden sich einige Hinweise, dass es diese Effekte gibt. Zum Beispiel wird Rot gern nachgesagt, dass es leistungsmindernd wirkt. Erklärt wird das dann damit, dass Rot anregend wirkt – in der Psychologie sprechen wir von Arousal. Und zu viel Erregung ist insbesondere schlecht, wenn man schwierige Aufgaben lösen soll.

Wir sind jetzt für eines unserer Experimente hingegangen und haben 170 Berufsschüler in verschiedenfarbigen Kabinen Aufgaben aus Intelligenztests machen lassen: in einer roten, in einer pinkfarbenen, in einer blauen und einer weißen Kabine. Unsere Annahme war unter anderem, dass die Probanden in der roten Kabine am schlechtesten abschneiden, weil die Erregung höher sein sollte als in den übrigen Kabinen. Was wir herausgefunden haben, ist allerdings, dass wir nichts herausgefunden haben. Die Kabinenfarbe hatte praktisch keinen Einfluss auf das Abschneiden in den Testaufgaben. Wir gehen davon aus, dass das mit der Testsituation zusammenhängt: Die Konzentration auf den Test war einfach zu groß, als dass die Umgebungsfarbe sich hätte auswirken können.

Aber was passiert, wenn man den Test weglässt und die Probanden sich nur auf Farben konzentrieren müssen?

Da gibt es durchaus Effekte. Das konnten zum Beispiel meine Kollegen Daniel Oberfeld-Twistel und Lisa Wilms in einem anderen Experiment feststellen: Dafür haben sie Versuchspersonen in einen dunklen Raum gesetzt und sie eine halbe Minute lang auf ein farbiges Display schauen lassen. Neben den Farben Rot, Blau und Grün waren auch Grautöne zu sehen. Anschließend wurde der emotionale Wirkung auf die Versuchspersonen abgefragt: die sogenannte Valenz, die Auskunft darüber gibt, ob man etwas gut oder schlecht findet, und wieder das Arousal, das angibt, wie angeregt oder entspannt man sich fühlt. Bei den Graustufen fühlten sich die Versuchspersonen tatsächlich etwas schlechter als bei den bunten Farben. Aber sie waren auch entspannter und ruhiger. Befinden sich Menschen in einem dunklen Raum und haben nur einen farbigen Stimulus vor sich, dann scheint es also durchaus Effekte zu geben.

Lässt sich das denn aufs Thema Schottergärten übertragen?

Nein, nicht ohne Weiteres. In der Versuchssituation schauen die Probanden nur auf ihr Display. In der Realität schaut ja niemand stundenlang und ohne abzuschweifen in seinen Schottergarten. Trotzdem kann man sich natürlich fragen, warum Menschen sich mit einem Farbton umgeben, der für die meisten doch mit eher negativen Gefühlen verbunden ist. Das ist ein ganz klarer Befund des zweiten Experiments: Chromatische, also gesättigte Farben gefallen uns eigentlich besser. Wobei es da auch auf den Kontext ankommt.

Wie meinen Sie das?

Die Lieblingsfarbe der meisten Menschen ist Blau, gefolgt von Grün und Rot. Aber eher wenige Menschen fahren zum Beispiel ein blaues Auto. Da dominieren dann doch eher Grau- oder Weißtöne und natürlich Schwarz. Das heißt: Selbst wenn ich Grau mit negativen Gefühlen verbinde, kann ich es in einem bestimmten Kontext schön finden.

Was halten Sie denn von Theorien, die die Lieblingsfarbe eines Menschen mit seinem Charakter in Verbindung setzen. Nach dem Motto: Menschen, die Grau mögen, sind vielleicht sehr klar und strukturiert, aber auch verschlossen, Menschen, die Grün mögen, sind eher kreativ …

Das ist Esoterik. Es gibt diese Modelle, ja. Aber die Persönlichkeit eines Menschen ist um einiges komplexer, als dass man sagen könnte: Sag mir, welche Farbe du magst, und ich sag dir, wie du tickst. Um noch mal aufs Thema Schottergärten zurückzukommen: Nur weil jemand einen grauen Garten hat, muss das noch nicht heißen, dass er ein verschlossener Mensch ist. Ich glaube, dass sich Menschen einen solchen Garten anlegen, hat oft ganz andere, profanere Gründe. Sie wollen vielleicht einen auf den ersten Blick pflegeleichten Garten. Oder sie wollen ihr Haus violett anstreichen und setzen auf eine Gartengestaltung, die sich einfach mit nichts beißt.

Das Gespräch führte Angela Kauer-Schöneich