Kreis Mainz-Bingen – Nach dem gewaltsamen Tod eines sechs Wochen alten Mädchens am Wochenende in St. Johann vernehmen die Ermittler jetzt Zeugen. Die 24 und 25 Jahre alten Eltern stehen im Verdacht, ihr Kind totgeschüttelt zu haben (die MRZ berichtete). Sie sind weiter auf freiem Fuß.
Die Ermittlungen richten sich nicht gegen das Kreisjugendamt, das die Familie schon länger betreut, sagte der Mainzer Leitende Oberstaatsanwalt Klaus Peter Mieth auf Anfrage. Jugendamtsmitarbeiter werden als Zeugen befragt.
Die CDU-Oppositionschefin im Kreistag, Dorothea Schäfer, will eine Debatte darüber anstoßen, wann das Jugendamt ein Kind aus der Familie nehmen soll. „Ich bin aber weit davon entfernt, anklagend den Finger zu heben“, sagte sie unserer Zeitung. Welche Hilfen wann geleistet würden, sei immer „eine Gratwanderung“ für die Mitarbeiter.
Schäfer will das Thema Anfang November im Ältestenrat des Kreistags ansprechen. „Die Kriterien für eine Herausnahme sollten überdacht werden.“ Auch die Personalstärke gehöre auf den Prüfstand. Das Jugendamt hatte nach dem Tod des Säuglings den 16 Monate alten älteren Bruder in Obhut genommen – was bedeutet, dass er in einem Heim oder einer Pflegestelle unterkam. Details gibt der Kreis nicht bekannt.
Zuvor habe es keinen Anlass gegeben, ein Kind aus der Familie zu nehmen. Betreut wurde sie schon seit März „wegen familiärer Themen“. Das Jugendamt hatte Hinweise auf Probleme in der Familie erhalten, die damals noch zu dritt war. Im September zog sie in die 800-Einwohner-Gemeinde St. Johann. Noch am Freitag vor dem mutmaßlichen Tötungsdelikt waren nach Kreis-Angaben zwei Jugendamtsmitarbeiter in der Familie. „Die Eltern zeigten sich kooperativ und waren zu einer noch engeren Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bereit.“
Umso schockierter sei das Jugendamt gewesen, als es am Sonntag während des Bereitschaftsdienstes Kontakt mit der Familie aufnahm und vom Tod des Kindes erfuhr.
Claudia Renner
Pro Jahr kommen 30 Kinder in Obhut
Das Jugendamt Mainz-Bingen betreut derzeit 783 Familien, die Hilfen zur Erziehung erhalten. Daneben führte das Jugendamt im vergangenen Jahr 1164 Beratungen zu Erziehungsfragen sowie bei Trennung und Scheidung durch. Pro Jahr werden 30 Kinder aus der Familie und in Obhut genommen. Ein Mitarbeiter bearbeitet im Schnitt 34 Fälle von Hilfen zur Erziehung, hinzu kommen 40 Beratungsfälle. Seit 2007 wurde die Jugendhilfe ausgebaut, unter anderem mit einer Rufbereitschaft.