Frankfurt. Sie wurde so oft fotografiert wie kein anderer Filmstar, denn sie gab sich sehr freizügig für die damalige Zeit.
Aber nur wenige Bilder in bestimmten Posen haben sich eingeprägt: Die Monroe als Pin-up-Girl, als Nachdenkliche mit Hand am Kinn und als scheinbar überraschte Frau, deren Kleid über einem U-Bahn-Schacht hochwirbelt. Diese Bilder haben einen hohen Wiedererkennungswert, auch wenn man keinen der 31 Filme gesehen hat, an denen Marilyn Monroe (1926–1962) mitgewirkt hat. Er verbindet die Stars mit religiösen Figuren. In der Kirche wird eine Frau mit Kind im Arm automatisch als Maria, ein Mann mit Pferd und Lanze als Georg der Drachentöter identifiziert. Und der theologische Begriff der Ikone, der das Kultbild der orthodoxen Kirche meint, bezeichnet längst auch populäre Mediengötter.
Sehr schön ist das jetzt im Frankfurter Ikonen-Museum zu verfolgen, das sich, wenige Monate vor dem 85. Geburtstag von Marilyn Monroe am 1. Juni, fast in einen Fanklub verwandelt hat. Der Mannheimer Ted Stampfer, der sich seit 30 Jahren mit dem Leben der oft als „Sexgöttin“ bezeichneten Diva beschäftigt, hat erstmals mehr als die Hälfte seiner 600 Objekte umfassenden Sammlung ausgeliehen – vom mehrfach bei Filmen getragenen elfenbeinfarbenen Satinmorgenmantel über ihr letztes Telefonbuch bis zum schwarzen, knallengen Kleid mit Gewichten im Gesäßteil, damit ihr Körper bei jeder Bewegung wohlgeformt erschien. Daneben sind etliche Fotos, Briefe, Filmskripte, ihr erstes Gesangbuch als Elfjährige und Lockenwickler mit einigen originalen blonden Haaren zu sehen.
Diese und andere fast wie Reliquien verehrte Objekte waren teilweise in den vergangenen Jahren zu sehen, seitdem 1999 der Nachlass versteigert worden war – 37 Jahre nach Monroes Tod. Die jetzige Schau ist aber anders: Die Kuratorin Snejanka Bauer wagt einen Vergleich zwischen Gottesmutter-Ikonen und Monroe-Bildern. Tatsächlich gibt es stilistische Parallelen, etwa die kompakte Form des Bildes, die markant umrissene Konturlinie des Gesichts, die starke Stilisierung von Augen, Mund, Nase und Haaren sowie der serielle Charakter. Ähnlich verfuhr Andy Warhol, als er Marilyn Monroe ab 1962 nach Fotos porträtierte. Ein Diptychon zeigt sie auf der linken Hälfte 25-mal in Farbe, auf der rechten Hälfte 25-mal in Schwarz-Weiß.
Andy Warhol war seit seiner Kindheit von Ikonen umgeben, musste er doch lange Zeit zur Kirche gehen. Seine Eltern stammten aus der Slowakei und nahmen ihren heimatlichen Ikonenkult mit in die neue Heimat USA. So wusste er um den Sinn von Ikonen als Medium zwischen Gott und Mensch, als Bild gewordenes Wort Gottes. Ikonen waren ein Fenster zur Ewigkeit, für den Gläubigen offenbarte sich in der Wiedergabe des Urbildes die Anwesenheit Gottes. Dem Pop-Art-Künstler dürften die Ikonen zumindest als Anregung gedient haben für seine Starporträts. Folglich ist Warhol eine Galionsfigur der Moderne und ein Ikonenmaler der Moderne.
Aber Warhol erlag nicht nur der Ausstrahlung der Monroe, der „sinnlichsten Schauspielerin der Filmgeschichte“, wie kürzlich die FAZ beim Erscheinen ihrer verstreuten Notizen, Gedichte und Kochrezepte schrieb. Auch Jackie Kennedy, Elvis Presley, James Dean und Liz Taylor wurden unter seinen Händen zu Ikonen des 20. Jahrhunderts. Allein die zahllosen in Frankfurt versammelten Titelseiten vom „Stern“ bis zur „Bunten“ spiegeln den Mythos von Marilyn Monroe, über deren Tablettentod noch immer gerätselt wird. Schließlich findet sich zwischen vielen Biografien sogar ein moderner Wallfahrtsführer, der all die (Pilger-)Orte auflistet, an denen sich der Filmstar aufgehalten hat, und sei es nur für kurze Zeit.
Erstaunlicherweise begeistern sich vor allem jüngere Menschen für den Star, den sie gar nicht mehr erlebt haben. So malt der 39-jährige Russe Alexander Timofeev eine göttliche Diva, aber ganz in Schwarz-Weiß. Dagegen geht es dem gleichaltrigen Sammler Ted Stampfer darum, den Menschen hinter der Marke „MM“ zu zeigen. Immerhin war sie mehr als nur die dumme Blondine, wie sie selbst sagte: „Ein Sexsymbol ist ein Ding, und ich hasse es, ein Ding zu sein.“
Die Ausstellung „MM. Die Ikone Marilyn Monroe“ ist bis zum 28. Februar in Frankfurt zu sehen; geöffnet Di bis So 10–17, Mi 10–20 Uhr, Eintritt 4 Euro, Katalog 12.50 Euro.
Von unserem Mitarbeiter Benjamin Gries