Leichtathletik: Deutscher Halbmarathonmeister lebt wieder in Kaisersesch und ist zur LG Rhein-Wied zurückgekehrt - Radsport als Ausgleich in Corona-Zeiten
Moritz Beinlich ist zurück: Alte Heimat und neue Liebe
Der deutsche Halbmarathonmeister Moritz Beinlich lebt nach seiner Zeit in Regensburg wieder in seiner Heimat Kaisersesch. Als Ausgleichssportart für das Laufen hat Beinlich das Radfahren für sich entdeckt. Im September fuhr er eine Woche durch die französischen Alpen, erklomm den Col du Galibier (2645 Meter) und andere Pässe.

Kaisersesch. Moritz Beinlich lebt wieder in Kaisersesch und kehrt 2021 ins Trikot der LG Rhein-Wied zurück. Die Priorität hat sich bei dem amtierenden deutschen Halbmarathonmeister aber verschoben. Corona hat dabei auch eine Rolle gespielt.

Als am dritten Advent endlich wieder einmal die Sonne herauskam, hielt es Moritz Beinlich nicht zu Hause in Kaisersesch. Der 24-Jährige schwang sich auf sein Rennrad und strampelte 100 Kilometer durch die Eifel. Am Nürburgring vorbei, über die Hohe Acht. In der Summe etwa 3000 Höhenmeter. Schnitt: 30 km/h. „Ich hatte einfach Lust, wieder Rad zu fahren“, sagt Beinlich. Und weil es das Wetter her gab, machte er eine längere Radausfahrt statt des sonst sonntags anstehenden langen Dauerlaufs.

Beinlich nimmt sich diese Freiheit. Seit der Langstreckenläufer wieder in seiner Heimatstadt wohnt, ist er nicht mehr an Trainingspläne und -zeiten gebunden ist. Was aber nicht heißt, dass er unstrukturiert umherläuft (und -radelt). Einmal wöchentlich steht ein Tempotraining auf dem Programm. Auch Kraft- und Stabilisationsübungen gehören weiterhin dazu. Ohne Struktur, nur rein nach Lust und Laune funktioniere es nicht, ist sich Beinlich sicher.

Gut drei Jahre studierte der Kaisersescher Betriebswirtschaft in Regensburg. Deshalb wechselte Beinlich 2017 von der LG Rhein-Wied zur LG Telis Finanz Regensburg. Unter Trainer Kurt Ring, der den bayrischen Verein zur deutschen Hochburg im Langstreckenlauf formte, feierte er im vergangenen Jahr mit dem Sieg bei der Halbmarathon-DM seinen größten Erfolg. Mit Mannschaften (zuletzt Anfang März als Titelträger mit dem Regensburger Crosslauf-Team) und in den Nachwuchs-Altersklassen holte er zudem rund ein Dutzend weitere Medaillen bei deutschen Meisterschaften. Sein Durchbruch war 2013 der Gewinn des 3000-Meter-Titels bei den Unter-18-Jährigen (U 18). Was fehlt ist ein internationaler Einsatz. Mit dem DM-Titel in 1:04:25 Stunden für die 21,0975 Kilometer rannte Beinlich im vergangenen Jahr in den Kreis der Kandidaten für die Europameisterschaft in Paris. Im Februar lief er in Barcelona mit suboptimaler Vorbereitung (er war zuvor erkältet) 1:05:33 Stunden. Dann kam Corona. Erst wurde aus seiner DM-Titelverteidigung nichts und letztendlich außer den Olympischen Spielen auch die EM abgesagt. Eine kontinentale Meisterschaft hätte Beinlich schon mal gerne mitgemacht: „Ich bin so realistisch, dass ich denke, dass Olympische Spiele wohl nicht möglich wären, aber eine EM schon.“

Die Pandemie hatte letztendlich mit dazu beigetragen, dass Moritz Beinlich wieder zurück in der Eifel und bei der LG Rhein-Wied ist. „Wenn Corona nicht gewesen wäre, wären wir im Frühjahr im Trainingslager gewesen. Dann wäre die Saison gekommen. Die Entscheidung, ob ich nach dem Bachelor auch den Master mache, hätte dann im August angestanden. Ich kann nicht sagen, wie es ohne Corona gekommen wäre“, sagt Beinlich. Ob er noch weiter studiert hätte? In Regensburg geblieben wäre oder irgendwo anders gelebt und gelaufen wäre? Er betont aber: „Nach vier Jahren Theorie hatte ich Lust zu gestalten und zu entscheiden.“

Schon in den vergangenen beiden Jahren war Beinlich manchmal unzufrieden mit der Situation, dass in der Firma seiner Eltern in Ulmen viel zu tun war, er aber fernab in Regensburg aber kaum helfen konnte. Durch die Pandemie und der Wegfall der sportlichen Ziele fiel die Entscheidung zugunsten des Berufseinstiegs leichter. „Die Landmaschinenbranche verzeichnet Umsatzzuwächse, gerade bei den Beregnungsanlagen. Da können wir uns glücklich schätzen“, erzählt Beinlich, der in seiner neuen Aufgabe beim Einkauf des Familienbetriebs voll aufgeht. Er hat eine Sechs-Tage-Woche. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Lorenz und einem Freund richtet er samstags die Arbeitsplätze im Erweiterungsbau der Firma ein. Es mache einfach Spaß, sagt er.

Trotz des Pensums ist Moritz Beinlich weiterhin motiviert für den Sport. „Ich habe nach Feierabend immer Lust zu laufen, mich zu bewegen“, erzählt er. Das Training ist nicht mehr so umfangreich wie in Regensburg. Dort habe er eine tolle Zeit mit starken Trainingspartnern wie Marathon-Ass Philipp Pflieger oder dem besten Deutschen bei der Halbmarathon-WM, Simon Boch, gehabt habe, zeigt er sich dankbar, aber auch zuversichtlich unter den neuen Bedingungen gute Resultate abliefern zu können. „Ich bin überzeugt, dass ich auch mit weniger Training noch gute Zeiten laufen kann“, sagt Beinlich.

Bei der LG Rhein-Wied habe er mit dem Greimersburger Yannick Pütz und dem Andernacher Christian Schmitz (kommt von der aufgelösten LG Maifeld-Pellenz) auch eine gute Mannschaft. Er müsse nun halt schauen, wie er Beruf und Sport unter einen Hut bekomme. „Ich hätte auch mal Lust, Marathon zu laufen“, so Beinlich über mögliche sportliche Ziele. Dass das keine Utopie ist, zeigen ein Beispiel: „Ich bin letzte Woche einen 30iger an der Mosel im 3:36er Schnitt gelaufen“, erzählt er. Aber einem strengen Zwölf-Wochen-Vorbereitungsplan möchte er sich nicht unbedingt unterwerfen.

Man merkt, nach einem Jahrzehnt als Läufer in der deutschen Spitze will sich Moritz Beinlich nicht mehr dem Druck des Hochleistungssports aussetzen, sondern sich auch manche Freiheiten gönnen. Ja, Rennrad fahren sei so etwas wie seine zweite sportliche Liebe geworden, bestätigt er. „Es macht einfach Bock, auch weil man mit viel höheren Geschwindigkeiten unterwegs ist, als beim Laufen.“ Der Radius, in dem man sich bewegt, ist viel größer. „Ich kenne mittlerweile alle kleinen Straßen in Richtung Bad Neuenahr und Bonn“, sagt Beinlich. Im September fuhr er eine Woche durch die französischen Alpen, erklomm den Col du Galibier (2645 Meter) und andere Pässe. So etwas würde er gerne wieder machen. Die Belastung, nicht nur physisch, auch psychisch ist für Beinlich eine andere, wenn er sich aufs Rad schwingt. „Ich kann noch einmal besser die Seele baumeln lassen als beim Laufen.“

Von unserem Mitarbeiter Holger Teusch