Mainz – Der FSV Mainz 05 steht nach zwei verlorenen Heimspielen und der jüngsten Auswärtsniederlage gegen den SC Freiburg vor einer Schwellenpartie. Die über Wochen glänzende Stimmung im Kader, im Klub, in der Stadt könnte bei einem weiteren Misserfolg kippen.
Das wäre dann zwar objektiv immer noch keine Krisensituation. Dafür ist die Tabellenlage einfach zu blendend. Im Fußball kann aber auch eine emotionale Eigendynamik gefährlich werden. Das Heimspiel am Samstag (18.30 Uhr) gegen Hannover 96 bietet dem Tabellenzweiten die Gelegenheit, mit einem Schlag wieder in das ruhige Fahrwasser zu kommen. 27 Punkte nach 12 Spieltagen, das wäre direkt wieder ein Kracher.
„Natürlich ist diese Situation nicht angenehm, die Stimmung ist beeinträchtigt“, erklärt Thomas Tuchel. „Aber die Niederlagen resultierten aus unterschiedlichen Mustern. Jedes Spiel ist anders.“ Für den Trainer gehe es in dieser Situation darum, die Spieler zu beruhigen. „Wir bleiben selbstkritisch. Aber Zweifel sind nicht angebracht. Wir sind überzeugt von unserer Leistungsfähigkeit und Konkurrenzfähigkeit.“ Merkwürdig, dass man dieses Thema als Bundesligazweiter überhaupt ansprechen muss.
Hannover 96 ist eine neue Aufgabe. Bei der es darum geht, nicht durch eine pauschalisierte negative Beschäftigung mit den jüngsten Niederlagen die Gegenwart zu belasten. Die 05er sind im Bruchwegstadion eine Macht. Daran ändern auch das unglückliche 0:1 gegen den Hamburger SV und das 0:2 gegen Borussia Dortmund nichts. Gegen den HSV hatten die Mainzer über 90 Minuten eine hervorragende Leistung abgerufen, da mangelte es an der Chancenauswertung. Im Spitzenspiel gegen die Borussia war der Gegner in den letztlich entscheidenden Phasen zu stark. Das kann passieren.
Natürlich stehen den 05-Profis auch gegen Hannover 96 mühsame 90 Minuten ins Haus. Gewiss ist aber, dass sich der Gegner individuell und mannschaftstaktisch in jedem Fall auf Augenhöhe bewegen wird. Da ist es schwer vorstellbar, dass die 05er für eine starke Leistung keine Punkte bekommen sollten.
Der 05-Coach hat in dieser Woche im Training angezogen, er hat sehr intensiv trainieren lassen. Da ging es auch um die Reaktivierung von Aggressivität, von Tempo, von Handlungsgeschwindigkeit. Beim 0:1 in Freiburg waren zu wenige der 05-typischen Verhaltensweisen und Prinzipien erkennbar. Das soll am Samstag am Bruchweg wieder deutlich erkennbar sein. Die Mannschaft, sagt Tuchel, wolle wieder an die guten Heimspielvorstellungen anknüpfen („Auch an die gegen den HSV und gegen Dortmund“). „Wir wollen mit Tempo und Aggressivität den Gegner zu Fehlern zwingen. Und dann wird es Chancen geben, die wir nutzen wollen.“
Das Zauberwort heißt: Konsequenz. Das Team muss den eigenen Plan wieder mit hoher Konsequenz – mit Ball und gegen den Ball – durchdrücken. Da ist Willensstärke gefragt. Insbesondere in der aggressiven Nachvorne-Verteidigung. Aber auch im Ballvortrag, und auch im Angriffsdrittel. Da fehlte in Freiburg der fanatische Durchsetzungswille. Der Fußball am Bruchweg muss nach Mainz 05 ausschauen, das ist der Wert, das ist der Anspruch, an dem diese Mannschaft gemessen werden will. Das Ergebnis stellt sich dann in der Regel von selbst ein.
Hannover 96 erwartet Tuchel als eine Mannschaft, die mit hoher Laufbereitschaft auf ein schnelles Umschaltspiel setzt. Viele Leute in einem kompakten Defensivverbund. Konter nach der Balleroberung. „Die Konter gilt es es zu vermeiden.“ Überbetont Standards oder Abschlüsse zu üben, um die Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen, davon hält der 37-Jährige wenig. „Wir haben die Qualität, Chancen zu nutzen“, sagt Tuchel. „In Freiburg hatten wir nur wenig bis gar keine klare Torchance.“ In den gewohnten wettkampfnahen Spielformen haben die Mainzer in dieser Woche an allen Schrauben gedreht. Ein Kampfsieg, und die Stimmung steigt wieder. Bei allen.
Reinhard Rehberg