Mainz – Zum ersten Mal in seiner Geschichte leistet sich das Staatstheater mit Lisa Danulat eine Hausautorin – so richtig zu Hause in Mainz ist die 27-jährige Frankfurterin allerdings noch nicht.
„Ich muss den Rhythmus dieser Stadt erst noch kennen lernen“, sagt sie beim Gespräch im Foyer des kleinen Hauses. Immerhin stand sie am 11. 11. schon mal pünktlich um 11.11 Uhr vor dem Osteiner Hof. „Zur Karnevals... oder heißt das Faschings...?“ Sie schaut sich fragend um und erntet Kopfschütteln. „Also: zur Fastnachtseröffnung?“ Jawoll, jetzt hat sie's.
Dabei ist ihr die Fastnacht gar nicht fremd. „Ich bin in Frankfurt-Eschersheim aufgewachsen, das liegt neben Heddernheim. Dort haben sie auch so was. Nein, Entschuldigung, so was Ähnliches. Das ist mit Mainz natürlich gar nicht zu vergleichen.“ Danulat hat Spaß an solchen Formulierungen. Leise Ironie und eine gehörige Portion Humor blitzen auf, bevor sie sich doch wieder zurücknimmt, die Arme verschränkt und in einem etwas ernsteren Ton antwortet.
2008 gewann sie mit „Too low terrain“ bei der Mainzer Autorenplattform „Text trifft Regie“ den Preis für das beste Stück. Ein Jahr später gab es im TiC mit „Uns kriegt ihr nicht!“ eine zweite Arbeit von ihr zu sehen. Als Hausautorin wagt sich Danulat nun an eine Reihe mit dem Titel „Schlafstörungen“. Der erste Teil, „Die wilden Neunziger“, wird am 17. November auf der Probebühne 2 zu sehen sein. Ihr zur Seite steht bei diesem Projekt der Dramaturg David Schliesing, ebenfalls Jahrgang 83. Ihn hat sie zum Interview gleich mitgebracht. Beim Theater angestellt zu sein, einen festen Arbeitsplatz zu haben, ist für Danulat ein Gewinn. „Andere geben ihren Text weg, und dann macht ein Regisseur was damit. Bei mir verändert sich der Text permanent im Gespräch mit den Schauspielern.“ – „Lisa ist da schon ein Phänomen“, ergänzt Schliesing, „sie saugt wahnsinnig viel auf und arbeitet viel mit Input.“
In „Die wilden Neunziger“ wird es um die Jugend, um das Aufwachsen in einer Epoche gehen, die politisch vor allem von einer Gestalt geprägt wurde: „Als ich klein war, dachte ich, man könnte Helmut Kohl gar nicht abwählen“, erzählt Danulat. In der szenischen Lesung mit vier Schauspielern „geht es um ein Staunen über gewisse Merkwürdigkeiten in der Rückschau“, so Schliesing. Danulat interessiert: „Wie erinnere ich Zeit? Wie wird die Vergangenheit eingedampft, verniedlicht, verknappt? Ich will zeigen, wie es ist, ein halbgares Wesen zu sein, wie die Suchbewegungen der Pubertät aussehen.“ Ihre Texte springen zwischen dem Jetzt und der Vergangenheit, sie will dabei den konventionellen Zeitstrahl demontieren, an den sich so viele Menschen klammern. „ Um den Werkstattcharakter zu betonen, gehen wir auf die Probebühne“, sagt Schliesing.
Für die nächsten drei bis vier Abende sind aber auch andere Formen geplant. So wird Danulat fürs Finale durch Deutschland reisen, mit Menschen verschiedenster Couleur sprechen und dann einen „Wanderabend“ mit Dias präsentieren.
Ein anderes Stück soll sich mit der Dramaturgie des Albtraums beschäftigen. Alle zwei Monate soll es eine Folge geben, im Januar und im März wird es wieder so weit sein, genaue Termine stehen noch nicht fest. Wie ihre Arbeit danach aussehen soll, weiß Danulat noch nicht genau. „Ich mag meinen Beruf sehr. Ich zögere aber zu sagen: Ich bin jetzt Schriftstellerin. Ich könnte mir auch vorstellen, etwas anderes zu machen und nebenher zu schreiben.“ Klar ist nur: „Wenn etwas geschrieben werden will, wenn es anklopft, dann bin ich da als Kanal.“ Und das Staatstheater wird zeigen, was da alles klopft in dieser Saison bei Lisa Danulat.
Gerd Blase
„Schlafstörungen, die Erste: Die wilden Neunziger“ am 17. November, 20 Uhr, Probebühne 2, Kartentelefon: 06131/285 12 22.
Lisa Danulat bloggt auch unter www.danulat.com