Doch gemach! Natürlich muss die CDU nach diesem Fiasko reinen Tisch machen. Selbstverständlich muss die Partei klären, ob der von vielen an der Basis ungeliebte Kanzlerkandidat die Verantwortung übernehmen und von seinem Amt als Vorsitzender der Partei zurücktreten muss – und was dann folgen soll. Viele einfache Parteimitglieder an der Basis hatten sich als Kanzlerkandidat Markus Söder gewünscht – als die zugkräftigere und markantere Persönlichkeit. Diese Parteimitglieder begehren jetzt auf. Auch bei einigen gescheiterten Kandidatinnen und Kandidaten für den Bundestag rumort es heftig. Frust und die Verärgerung über Laschets in weiten Teilen misslungenen Wahlkampf sind nachvollziehbar.
Doch es gibt auch einige andere Stimmen, die vor übereilten Entscheidungen warnen. Julia Klöckner zum Beispiel. Die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende, die selbst in ihrem Heimatwahlkreis scheiterte und nur als Spitzenkandidatin der Landesliste in den Bundestag einzog. Selbst zog sie die Reißleine und kündigte an, im November nicht mehr für den Parteivorsitz in Rheinland-Pfalz zu kandidieren. Sie warnte davor, auf die aktuelle Lage kopflos zu reagieren, „schnell das Dach abzudecken und das Haus einzureißen“. Und die Bundesvizin hat recht.
Die Regierungsbildung ist alles andere als sicher. Wir stehen am Anfang einer ganz neuen Etappe. Und die von der SPD favorisierte Ampelkoalition wird dem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz gewiss nicht in den Schoß fallen. Der Preis für dieses Dreierbündnis ist noch nicht gezahlt. Auch wenn alle drei Gesprächspartner von fairen und schnellen Verhandlungen reden: Scholz wird sowohl an die Grünen als auch – und da wird es kritisch – an die FDP Zugeständnisse machen müssen, die im Selbstverständnis mancher Parteilinker nicht akzeptabel sein könnten. Ausgang offen.
Deswegen ist es nur folgerichtig, dass sich die Union mit Laschet an der Spitze bereit hält für Jamaika-Gespräche, wenn sie denn nötig werden. Natürlich hat die Union mit Laschet keinen Regierungsauftrag. Den hat Olaf Scholz. Doch wenn es ihm nicht gelingt, ein Koalitionsbündnis zu schmieden, wäre es geradezu tragisch, wenn sich in der Zwischenzeit der andere mögliche Gesprächspartner von Grünen und FDP zerfleischt hätte. Mit wem sollten dann Christian Lindner und Robert Habeck Verhandlungen führen? Fazit: Die CDU muss in der Opposition aus dem Wahlfiasko Konsequenzen ziehen. Aber erst, wenn eine Ampel auch sicher ist.
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