Ein 20-Jähriger sitzt am Steuer des GT3-Boliden, als es passiert. Luca-Sandro Trefz heißt der Youngster, und er ist Teil einer Strategie. Trefz gehört dem Programm „Young talents by Landgraf“ an, mit dem Klaus Landgraf, Chef, Mäzen und Motivator des Rennstalls, jungen Fahrern die Chance geben möchte, Erfahrungen zu sammeln und auf sich aufmerksam zu machen. „Im GT-Bereich gibt es bei Mercedes kein Nachwuchsprogramm. Wir sind deshalb auf Mercedes zugegangen, haben ihnen ein Konzept vorgestellt. Zu einem Abschluss kam es leider nicht. Aber die Gespräche mit den Fahrern waren da schon sehr weit und die Idee einfach zu gut. Deshalb haben wir entschieden, das Thema unter dem Namen 'Young talents by Landgraf' unter eigener Regie durchzuziehen“, erklärt Thomas Herzmann, Mitglied des Landgraf-Teammanagements. Neben Trefz feierte auch der 21-jährige Schweizer Julien Apothéloz seine Premiere beim 24-Stunden-Rennen.
Trefz erwischte den vielleicht schwersten Rennabschnitt. „Einige Streckenabschnitte waren nass, andere trocken. Obwohl ich keine Regentropfen auf der Windschutzscheibe hatte, war die Strecke an der Unfallstelle feucht. Somit habe ich die Kurve nicht bekommen“, berichtet der junge Pilot. Im Bereich Eschbach touchierte er die Leitplanke und verursachte dabei einen Schaden am Auto, der das vorzeitige Aus bedeutete.
Gute anderthalb Stunden fehlten zur Zieldurchfahrt und damit zur Belohnung für viele Stunden Arbeit. Es ist durchaus verblüffend, wie viele Menschen im Hintergrund werkeln. Den Reifen-Mechanikern können die Fans dabei ganz genau auf die Finger schauen, haben sie ihren Arbeitsplatz doch am Hintereingang der Box in einem kleinen Zelt. Dort hört alles auf das Kommando von Friedhelm Heil. Der Bad Kreuznacher ist in Sachen Reifenmanagement ein alter Hase, aber erst seit Beginn des Jahres bei Landgraf Motorsport. „Mir imponiert, dass mit vielen jungen Leuten etwas aufgebaut, gleichzeitig aber sehr professionell gearbeitet wird“, erklärt Heil. Er hat schon einige 24-Stunden-Rennen erlebt. „Aber es ist jedes Mal wieder ein Erlebnis“, sagt der Bad Kreuznacher. Pro Stunde und Auto rechnen die Teams mit einem Satz Reifen. Bedeutet also, dass ausschließlich für die 24-Stunden-Hatz rund 100 Reifen vorbereitet werden müssen. Nahezu minütlich kontrollieren die Mechaniker die Temperatur und den Reifendruck und passen alles an die Vorgaben der Ingenieure an. „Die Reifenentscheidungen waren stets richtig“, lobt in Dominik Baumann einer der vier Fahrer – für die Reifencrew der Ritterschlag.
Das gesamte Mechaniker-Team wurde das erste Mal schon gut drei Stunden nach dem Start gefordert, als Apothéloz mit einem Dämpferschaden langsam an die Box rollte. Nun zeigten die Landgraf-Mechaniker, was sie draufhaben. Nicht einmal drei Minuten benötigten sie zum Einbau des Ersatzteils. Kumuliert gingen durch den Schaden zehn Minuten verloren. Das Team, das auf Rang 27 gestartet war, fiel auf Platz 36 zurück. Der Traum von einer Top-20-Platzierung schien in weite Ferne gerückt. Doch anschließend lief es wie am Schnürchen für Landgraf Motorsport. Das Team kam komplikationslos durch die Nacht, und auch am Sonntagmorgen schlängelte sich die Mamba geschmeidig durch die Eifel.
Sehr zur Freude des Landgraf-Fanklubs, der einen festen Platz am beliebten Zuschauerpunkt Brünnchen hat. Martin Herrmann baut im Regelfall schon am Montag vor dem Rennen alles auf. Im großen Zelt hängt ein Fernseher, an Getränken, Essen und Feuerstellen fehlt es nicht. In diesem Jahr war alles ein bisschen kleiner, doch die zehn Mitglieder des Fanklubs jubeln bei jeder Durchfahrt der Mamba. An diesem Punkt ist speziell in der Dämmerung die Faszination des spektakulärsten Rennens der Welt zu spüren und vor allem zu riechen. Dieser Duft aus Rauch, Bratwurst, Schweiß und Gummi brennt sich ein. Der Zusammenhalt auch. „Am Freitag nach dem endgültigen Aufbau habe ich fünf Stunden benötigt, um bei allen Zeltnachbarn hallo zu sagen, so sehr haben wir uns gefreut, uns wiederzusehen, und da gab es dann auch einiges zu erzählen“, berichtet der Gau-Algesheimer Herrmann.
Das komplette Kontrastprogramm – auch das ist eine Facette des 24-Stunden-Rennens – gibt es ein paar Kilometer weiter. Klaus Landgraf hat eine der attraktivsten Lounges am gesamten Ring gemietet. Von der gigantischen Terrasse aus haben Freunde, Geschäftspartner, Mitarbeiter und Teamangehörige einen perfekten Blick auf die Start- und Zielgerade. Bei Cappuccino und Kuchen, bei Tafelspitz und Saté-Spießchen wird jede Durchfahrt bestaunt und das Rennen auf großen Monitoren verfolgt. Vor dem Rennen sind es von dort nur ein paar Meter zur Startaufstellung. Einmal die Mamba streicheln und sich die Details des Fahrzeugs betrachten, ist in diesem Moment möglich – mehr Fannähe geht nicht.
Die Anhänger sehen, wie der Landgraf-Mercedes sich in der zweiten Rennhälfte Runde für Runde nach vorne schiebt. Um die Mittagszeit liegt er sogar auf dem 14. Rang – ein grandioser Zwischenstand für die Bad Kreuznacher. Patrick Assenheimer hat daran einen großen Anteil. Er ist gemeinsam mit dem Österreicher Baumann das erfahrene Gegengewicht zu den Talenten Trefz und Apothéloz. Die beiden 29-Jährigen sind Mercedes-AMG-Performance-Fahrer. „Ich habe mich total gefreut, als es sich realisiert hat, dass ich für das Landgraf-Team bei den 24 Stunden starte“, berichtet Assenheimer, der im Qualifikationstraining und zum Start ran durfte. Er ergänzt: „Vor einigen Jahren bin ich gegen Klaus Landgraf auf dem Nürburgring Rennen gefahren. Das waren immer heiße, aber sehr faire Duelle. Daraus ist eine Freundschaft entstanden. Nun für sein Team antreten zu dürfen, ist total klasse.“ Der Heilbronner betont: „Landgraf Motorsport verzettelt sich nicht. Das Team konzentriert sich auf ein Auto, und das macht es sehr fokussiert und mit aller Kraft.“
Diese Herangehensweise erweist sich 143 Runden lang als Erfolgsstory – bis der Wettergott mal wieder in der Eifel eingreift und die Strecke in eine Rutschbahn verwandelt. Denn vor, neben und hinter Trefz erwischt es weitere Kontrahenten. Und so endet im Bruchteil einer Sekunde ein Projekt, in dem Geld, Arbeit und vor allem ganz viel Herzblut steckt.