Mainz – Die Niederlage im Spitzenspiel der Fußball-Bundesliga gegen Borussia Dortmund ist aufgearbeitet. Thomas Tuchel hat in sein Trainerregal gegriffen und sich für eine sehr sachliche Analysevariante entschieden. Der Trainer des FSV Mainz 05 hat im Umgang mit den enttäuschten Spielern Emotionen außen vor gelassen.
Handwerkliche Fehler hat der 37-Jährige ausgemacht beim 0:2 gegen den neuen Tabellenführer. Das seien Dinge, „die wir schon mal besser gemacht haben“. Diese Kritik sei eine Lernhilfe. Man müsse vor der Auswärtspartie gegen den SC Freiburg am Samstag (15.30 Uhr) keine bösen Fußballmächte heranziehen als Ursache für die Heimniederlage. Tuchel hat „klare Dinge“ benannt, woran es gelegen habe gegen die Borussia.
Man darf davon ausgehen, dass der Freiburger Trainer Robin Dutt als Beobachter der Toppartie im Bruchwegstadion seine Lehren gezogen hat aus der Spielweise der Dortmunder und der Mainzer Reaktion darauf. Die 05er wissen sehr genau, was im Badenova-Stadion auf sie zukommt: Ein hoch motivierter Tabellenzehnter, der den besten Saisonstart seiner Erstligageschichte hingelegt hat und der antritt in der tiefen Überzeugung, die Mainzer in einer kompakten Defensivstellung mit einem laufintensiven und aggressiven Pressing in Verbindung mit überfallartigen, zielgerichteten Kontern knacken zu können. Dieser Plan ist bekannt.
Dutt hat auch sicher noch die Rückrundenpartie aus der vergangenen Saison auf Wiedervorlage. Da hatten die Freiburger exakt in diesem Stil den an diesem Tag müden Mainzern, die in der zweiten Hälfte nach einer Umstellung von 4-3-3 auf 4-2-3-1 etwas mehr Dampf machten, aber kaum Torchancen erzwangen, im Badenova-Stadion den Zahn gezogen. Die Freiburger gewannen an jenem 20. März 2010 nach einem frühen Tor von Johannes Flum (10.) mit 1:0. Vor der Pause hatten die 05er gegen die entfesselt pressenden Gastgeber nahezu jeden Zweikampf verloren.
Die Gegner stellen sich inzwischen darauf ein, noch aggressiver den Ball zu jagen, als die 05er sich das ausgedacht haben als Erfolgsmodell. Darauf muss die Tuchel-Elf nun Antworten finden. In dem guten Gefühl, dass es bislang ja lediglich zwei Bundesligisten geschafft haben, den 05ern Punkte abzuringen. Der kämpferisch gleichwertige Hamburger SV nutzte beim 1:0 am Bruchweg einen einzigen glücklichen Moment. Die Dortmunder steigerten sich bei ihrem 2:0 am Bruchweg in einen Pressingwahn, garniert mit individuellen Vorteilen in der Offensive.
Bayer Leverkusen hat es dazwischen ebenfalls mit einem aggressiven Ansatz probiert. Mehr als eine knappe halbe Stunde bekam die Mannschaft von Trainer Jupp Heynckes aber nicht zusammen in diesem taktisch disziplinierten Kampfstil. Danach setzte sich Meter für Meter und von Minute zu Minute mehr der Mainzer Ballbesitz durch. Darum wird es auch beim SC Freiburg gehen.
„Wir wissen, wo der Hebel ist, wir haben den Hebel gefunden“, sagt Tuchel. „Wir müssen unser Spiel nicht neu lernen, einiges muss nur wieder im Bewusstsein neu geweckt werden.“
Die handwerklichen Mängel? Erstens: Bei eigenem Ballbesitz habe zuletzt die Positionsdisziplin nicht gestimmt, und die sei entscheidend für das Kombinationsspiel. Zweitens: Gegen den Ball gelte es, die Abstände zwischen den Reihen wieder zu verkürzen.
An diesen gruppentaktischen Elementen sei in dieser Woche intensiv gearbeitet worden. Tuchel hat Verhaltensweisen und Handlungsabläufe vorgegeben, „und denen muss sich jeder stellen“. Individuell, gruppentaktisch und mannschaftlich sei man auch bei den acht Siegen nie am Limit gewesen. „Aber wir haben da einiges schon mal besser gemacht.“ Auch vor dem gegnerischen Tor.
Zugriff auf das Spiel (gegen den Ball), fordert Tuchel in Freiburg. Dominanz. Eine intensive Leistung, die auch gute Phasen in Ballbesitz einschließt. Und natürlich Torgefahr. Nichts bringt einen Gastgeber mehr aus der Fassung als Torchancen für den Gegner. Und dafür braucht es auch individuelle Form. Die macht der Trainer nicht nur an Toren und brillanten Vorlagen fest, sondern auch an der Erfüllung gestellter Aufgaben. Aber die Kugel muss in den Kasten.
Stimmen die gruppentaktischen Abläufe nicht oder lässt sich das Team vom gegnerischen Pressing beeindrucken und zurückdrängen, dann leidet darunter die individuelle Leistung. Stimmt auf einzelnen Positionen die Tagesform nicht, leiden darunter die gruppentaktischen Prozesse. Dieses Geflecht von Ursache und Wirkung hat Einfluss auf jede Partie. In Freiburg können sich die 05-Profis über Pressingwucht und solides Handwerk in die Partie beamen. Mit Bildern von einer Niederlage im Kopf ist das zuweilen von Vorteil.
Reinhard Rehberg