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Live-Eindrücke: Prozess gegen Neonazi-Größen vom Aktionsbüro Mittelrhein

Der Prozessauftakt begann unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen: Die Zuhörer und Medienvertreter mussten durch eine Sicherheitskontrolle.

dpa

Koblenz/Bad Neuenahr-Ahrweiler - Gift und Galle beim ersten Prozesstag gegen 26 Köpfe und Mitläufer der regionalen Neonazi-Szene: Fünf Monate nach der Razzia im "Braunen Haus" sitzen in Koblenz Mitglieder und Unterstützer des ultrarechten "Aktionsbüro Mittelrhein" auf der Anklagebank. Die Rhein-Zeitung berichtete laufend aus dem Prozess.

Koblenz/Bad Neuenahr-Ahrweiler – Gift und Galle beim ersten Prozesstag gegen 26 Köpfe und Mitläufer der regionalen Neonazi-Szene: Fünf Monate nach der Razzia im „Braunen Haus“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler sitzen in Koblenz Mitglieder und Unterstützer des ultrarechten „Aktionsbüro Mittelrhein“ auf der Anklagebank. Die Rhein-Zeitung berichtete laufend aus dem Prozess.

16.40 Uhr: Der Prozesstag ist für heute beendet – und es ist nicht einmal zur Verlesung der Anklage gekommen. Wir werden später diesen Artikel ergänzen und sortieren.

16.15 Uhr: Das Gericht berät in der Pause vielleicht auch über einen Antrag einer Verteidigerin, den Prozess ohne Robe fortsetzen zu können, weil es auch im Saal so warm ist. Dass hat das Gericht allerdings nicht daran gehindert, Journalisten inzwischen auch zu untersagen, Wasserflaschen mit ins Gericht zu nehmen.

16.15 Uhr: Wieder Pause. Es gab von den Verteidigern eine Flut neuer Anträge. Die Stimmung war zum Teil weiter giftig-gereizt: Ein Wortgefecht eines Anwalts mit Oberstaatsanwalt Walter Schmengler gipfelte in dem Satz an Schmenglers Adresse: „Wenn Sie sich vergiften, hätte ich nichts dagegen.“ Aus dem Zuhörersaal gab es – offensichtlich von Sympathisanten der Angeklagten – daraufhin sogar Applaus.

15.29 Uhr: Unter den Verteidigern der Angeklagten ist auch Udo Vetter, der mit dem „lawblog“ das größte Anwaltsblog Deutschlands betreibt. Er hat die Pause zu einem neuen Beitrag genutzt: Er äußert sich kritisch dazu, wie das Gericht zu Prozessbeginn mit einem „nicht aufschiebbaren“ Antrag eines Anwalts umgegangen ist.

15.28 Uhr: Der Prozess geht gleich weiter – und auch Journalisten müssen ihre Handys jetzt abgeben.

14.50 Uhr: Es ist nach wie vor Pause. Die geht bis 15.30 Uhr und nicht bis 14.30 Uhr, wie wir vorhin geschrieben hatten.

13.52 Uhr: Wir haben jetzt einige Informationen von Hartmut Wagner nachträglich an den entsprechenden Stellen eingebaut. Hier kommen jetzt einige nachgeschobene Einträge von Hartmut Wagner.

12.40 Uhr. Das Gericht unterbricht die Verhandlung, Pause bis 14.30 Uhr. Die Anklage ist bisher noch nicht verlesen.

12.35 Uhr: Einige der Verteidiger in dieser Verhandlung sind bei Prozessen gegen Angeklagte aus der Neonazi-Szene fast immer mit von der Partie. Darunter ist etwa der Frankfurter Anwalt Hans-Otto Sieg, bei dem schon Gary Rex Lauck, Organisationsleiter der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslands- und Aufbauorganisation“ aus Nebraska sein Heil gesucht hatte. Wir laden gerade Fotos aus dem Prozess hoch, Sieg ist auch darunter.

12.28 Uhr: Einer der beiden Anwälte von Christian H., dem mutmaßlichen Ex-Chef des „Braunen Hauses“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler, kritisiert den Ticker der Rhein-Zeitung und zitiert einige Stellen vom Bildschirm seines Klapprechners. Der Vorsitzende Richter solle im Sitzungssaal für Ordnung sorgen.

12.15 Uhr: Rechtsanwalt Waldschmidt schließt sich ebenfalls dem Befangenheitsantrag an. Und er stellt gleich noch einen weiteren gegen den Vorsitzenden Richter Göttgen.

11.58 Uhr: Einer der Anwälte stellt einen Befangenheitsantrag gegen Richter Göttgen und zwei weitere Richter. Begründung: Das Gericht habe vor Prozessbeginn in einem Beschluss geschrieben: Einer der Angeklagten sei Angehöriger einer in der rechten Szene etablierten Kriminellen Vereinigung. Darum ist das Gericht aus Sicht des Anwaltes möglicherweise befangen. Denn Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer Kriminellen Vereinigung sei einer der Hauptvorwürfe im Prozess – und nicht bewiesen. Dem Befangenheitsantrag des Anwalts schließt sich später eine Reihe weiterer Anwälte an.

11.52 Uhr: Einer der Anwälte rügt die Besetzung des Gerichts. Diesem Antrag schließen sich später zahlreiche Anwälte an.

11.48 Uhr: Der Vorsitzende Richter Göttgen erklärt nach einer kurzen Pause, dass er jetzt doch erst einmal die diversen Anträge der Anwälte entgegennimmt. Die Anklageschrift werde dann am Nachmittag verlesen, so der Richter.

11.50 Uhr: Richter Göttgen erklärt, dass das Gericht den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit ablehnt – unter anderem weil die Anschriften der Angeklagten nicht verlesen werden.

11.37 Uhr: Rechtsanwalt Waldschmidt, ein bekannter Anwalt in der rechten Szene, fragt, ob er jetzt einen Antrag stellen darf. Richter Göttgen antwortet: „Nein.“

11.30 Uhr: Oberstaatsanwalt Schmengler erklärt, dass er keine Notwendigkeit sieht, die Öffentlichkeit bei der Verlesung der Anklage auszuschließen.

11.30 Uhr: Hartmut Wagner ist jetzt wieder hinter den verschlossenen Türen. Kuriose Meldung von ihm am Rande: Der Vorsitzende Richter Göttgen hat ermahnt, alle Beteiligten müssten sich „wegen des Umfangs des Verfahrens eine gewisse Disziplin auferlegen.“ Will heißen: Jeder soll sich mit Handzeichen melden, beim Sprechen das Mikro einschalten und sich mit Namen vorstellen.

11.05 Uhr: Gerichtsreporter Hartmut Wagner meldet, dass der Prozess mit einer Wortmeldung von einem Anwälte begonnen hatte: Er habe „einen unaufschiebbaren Antrag“. Der Richter ging darauf nicht lange ein und stellte erst einmal von jedem der 26 Angeklagten die Anwesenheit und die Personalien fest. Das dauerte gut 20 Minuten. Inzwischen ist klar, was der Anwalt wollte. Befangenheitsantrag.

11.05 Uhr: Pustekuchen – tatsächlich Pause: Oberstaatsanwalt Schmengler Walter schafft es nur, ein paar Worte der Anklage zu verlesen. Sofort fallen ihm mehrere Anwälte ins Wort. Sie haben mehrere Anträge. Ziel der Anträge: Die Anklage soll nicht verlesen werden und die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Auch eine Rüge über die Besetzung des Gerichts wird angekündigt. Ebenso Befangenheitsanträge gegen das Gericht. Die Stimmung ist von Anfang ziemlich gereizt. Das Gericht macht Pause.

11.00 Uhr: Der Prozess ist weiter im Gang. Zuvor war nicht ausgeschlossen worden, dass es sehr schnell zu Anträgen kommt, die Prozessunterbrechungen notwendig machen könnten.

10.30 Uhr. Der Prozess läuft jetzt, Beobachter rechnen mit einigem juristischem Geplänkel. Einer der Hauptangeklagten ist der Koblenzer NPD-Funktionär Sven Lobeck, der zumindest vor seiner U-Haft wenig Respekt vor staatlichen Institutionen zeigte. Im März kurz vor der Razzia im Braunen Haus saß er als Zuhörer in Saal 128, als vier Nazi-Schläger verurteilt wurden, die einen Szene-Aussteiger bei Höhr-Grenzhausen in eine Falle gelockt und zusammengeschlagen hatten. Von der Richterin angesprochen, behauptete er damals: „Entschuldigen Sie meine Skepsis. Ich bin nicht überzeugt, dass Sie Richterin sind. Können Sie mir Ihren Amtsausweis zeigen?“ Beim Rausgehen brüllte er: „Sie sind nicht vom Volk gewählt! Sie sind keine Richterin!“ Vom Volk gewählt sind die Richter der Staatsschutzkammer auch nicht...

10.20 Uhr: Inzwischen sind alle Angeklagten eingetroffen – Einmarsch in Handschellen. Christian H., mutmaßlicher chef des Brauen Hauses, war der erste. Keiner der Angeklagten hatte sein Gesicht hinter Ordnern oder Händen vor den Kameras der Fotoreporter verborgen.

10.15 Uhr: Es sind bislang insgesamt neun Prozesstage angesetzt. Gut möglich, dass nach den Erfahungen mit Teilen der Angeklagten und der Anwälte mehr daraus werden.

10.12 Uhr: Zwar sind viele Medienvertreter zu dem Prozess gekommen, etliche Zuschauerplätze sind aber frei gelieben. Aus der ultrarechten Szene sind offenbar kaum Besucher gekommen. Der Prozess hat doch noch nicht begonnen, Hartmut Wagner hat sich gerade noch einmal melden können.

10.05 Uhr: Unser Gerichtsreporter Hartmut Wagner hat sich zunächst abgemeldet, es geht los.

10.03 Uhr: Noch hat der Prozess nicht begonnen. Axel Reitz betritt als einer der ersten Angeklagten den Gerichtssaal. Er wurde zwischenzeitlich aus der U-Haft entlassen. In der Szene gilt er als Verräter, nachdem er offenbar ausgesagt und erklärt hat, er wolle raus aus der rechten Szene. Mehr über Reitz.

10 Uhr: Bereits vorige Woche hat der Vorsitzende Richter der 12. Strafkammer angeordnet, dass Mobiltelefone und Klapprechner, die für Bild- und Tonaufnahmen geeignet sind, heute vor Betreten des Sitzungssaals abgegeben werden mussten. Unser Gerichtsreporter wird zwischendurch den Saal verlassen.

9.55 Uhr: Die Wachtmeister haben jedem Anwalt eine Sitzreihe und einen Platz zuge wiesen – fast wie im Kino.

9.55 Uhr: Sollte es bei der Fülle von Angeklagten aus der Neonazi-Szene, Verteidigern und Journalisten stickig werden: Zwei Anwälte haben kleine Tischventilatoren dabei. Sie können per USB an ihren Computer angeschlossen werden.

9.50 Uhr: Axel Reitz, der „Hitler von Köln“, ist mit seinem Anwalt kurz vor dem Saal gesehen worden. Aber er suchte wieder das Weite. Wohl um nicht von Journalisten belagert zu werden.

9.50 Uhr: Großer Andrang vor Gerichtssaal 128: Anwälte, Journalisten, Zuhörer. Es gibt für Angeklagte und Anwälte insgesamt acht Sitzreihen. Drei davon wurden extra für den Mammutprozess aufgestellt. Grund: Es gibt 26 Angeklagte, davon hat jeder zwei Anwälte.

8.45 Uhr: Der Prozess soll um 10 Uhr beginnen. Die Anklageschrift umfasst insgesamt 926 Seiten. Der Staatsanwalt wird aber nur rund 60 Seiten im Prozess verlesen – voraussichtlich dauert das gut zwei Stunden. Unserer Zeitung liegt die gesamte Anklageschrift vor. Wir haben die wichtigsten Inhalte zusammengefasst.

8.45 Uhr: Vor der gleichen Kammer waren auch 2011 und 2012 die 30 Macher des „Widerstand-Radios“ wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer Kriminellen Vereinigung verurteilt worden. Das Urteil aus dem Jahr 2011 muss aber neu aufgerollt werden. Die Beweiswürdigung der Koblenzer Richter habe nicht den Mindestanforderungen entsprochen, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. 3 StR 335/11) und verwies das Verfahren zur Neuverhandlung. Nun wird sich eine andere Strafkammer am Landgericht mit der Sache beschäftigen.

6 Uhr: Der Aufzug von Neonazis am Samstag in Koblenz galt dem Prozess: Anmelder Christian Worch spricht vom „Koblenz-Syndrom“, weil es bereits zum zweiten Mal in Koblenz der Fall ist, dass Neonazis die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (Paragraph 129 StGB) vorgeworfen wird – für die Braunen ein rotes Tuch. Der beherzt agierende zuständige Koblenzer Oberstaatsanwalt Walter Schmengler hat sich die rechte Szene zum Feind gemacht. Worch nennt ihn einen „gegen rechts übereifrigen“ Oberstaatsanwalt. Schmengler hatte die Anklage auch beim Prozess gegen Betreiber und Moderatoren des rechtsradikalen „Widerstand-Radio“ vertreten.

6 Uhr: Der Jüngste war bei der Razzia 19, der älteste 54 Jahre alt: Von 10 Uhr an müssen sich 26 Männer verantworten, die Mitglieder oder Unterstützer des „Aktionsbüro Mittelrhein“ waren – eine als verfassungsfeindlich eingestufte Organisation. 20 Männern wirft die Anklage die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor, vier sollen diese unterstützt und zwei sich an Straftaten der kriminellen Vereinigung beteiligt haben. Es ging vor allem um Angriffe auf Linke.

6 Uhr: Die Angeklagten waren im März bei einer Razzia gegen die rechte Szene festgenommen worden. Damals hatten Polizisten 33 Häuser in vier Bundesländern durchsucht, darunter auch das sogenannte Braune Haus in Bad Neuenahr-Ahrweiler – die Zentrale des «Aktionsbüros Mittelrhein». 15 der 26 Männer wohnten zuletzt im Großraum Bad Neuenahr-Ahrweiler.