US-Präsident Barack Obama im Oval Office des Weißen Hauses: 90 Minuten dauerte sein Krisengespräch mit Wladimir Putin. Foto: dpa
Von unserem Korrespondenten Frank Herrmann
Der amerikanische Präsident, hieß es, habe tiefe Sorge zum Ausdruck gebracht über die „klare Verletzung“ der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine. „Die Vereinigten Staaten verurteilen Russlands militärische Intervention auf ukrainischem Territorium“, Washington fordere Moskau auf, seine Truppen zurückzubeordern auf seine Stützpunkte auf der Krim.
Noch deutlicher wurde John Kerry, als er Putin bei „Face the Nation“, dem Sonntagsmagazin des Fernsehsenders CBS, die Leviten las. „Im 21. Jahrhundert verhält man sich einfach nicht nach der Art des 19. Jahrhunderts, indem man unter schlichtweg erfundenen Gründen in ein anderes Land einfällt“, wetterte der US-Außenminister. Es handle sich um einen unglaublichen Akt der Aggression, „eine verblüffende, mutwillige Entscheidung von Präsident Putin“. So stark die Wortwahl ist, so beschränkt ist der Handlungsspielraum. Erst am Freitag hatte der US-Präsident seinen russischen Amtskollegen vor den Kosten gewarnt, die im Falle einer Intervention zu zahlen wären. Aber der Katalog eventueller Strafmaßnahmen, wie ihn das Oval Office durchbuchstabiert, macht vor allem eines klar: Es gibt nur wenige realistische Optionen, echten Druck auszuüben.
Bis auf Weiteres, hat Obama entschieden, nehmen die USA nicht mehr an den Gesprächen teil, mit denen die Sherpas, die Gipfelbeauftragten, die für Juni in Sotschi geplante G 8-Konferenz vorbereiten. Gezielte Reisebeschränkungen und eingefrorene Guthaben sollen Politiker und Oligarchen im Umfeld Putins bestrafen, in der Hoffnung, dass dies über kurz oder lang zu einem Umdenken führt. Schließlich könnte der Commander-in-Chief amerikanische Kriegsschiffe Kurs auf die Krim nehmen lassen, nicht um einzugreifen, wohl aber, um eine Drohkulisse aufzubauen. Doch vor einer solchen Eskalation warnt selbst ein republikanischer Falke wie Mike Rogers, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. „Wenn Sie die Flotte nicht einsetzen wollen, dann schicken Sie sie lieber erst gar nicht.“ Und ein Militäreinsatz, fügt Rogers hinzu, sei schlicht nicht denkbar.
Michael McFaul, bis vor wenigen Tagen Amerikas Botschafter in Moskau, empfiehlt harte Wirtschaftssanktionen, zumindest rät er zu einer Debatte darüber. „Darüber müssen wir ernsthaft reden, damit die Russen begreifen, dass sie einen Preis zahlen müssen.“ Gleichwohl wissen Strategen vom Kaliber McFauls, wie schwer sich die ökonomisch sehr viel enger mit dem russischen Energielieferanten verwobene Europäische Union mit Sanktionen tun dürfte. Marco Rubio, einer der aufstrebenden Stars der Konservativen, fordert das Oval Office wiederum auf, John Kerry und Chuck Hagel, den Außen- und den Verteidigungsminister, unverzüglich nach Kiew zu delegieren, um den Schulterschluss mit der Ukraine zu proben. Zudem verlangt der Senator, die Kaukasusrepublik Georgien in die Nato aufzunehmen – als demonstrative Geste gegenüber Putin.
Nur: Forsches Agieren, verbunden mit scharfer Polemik, war bisher nicht das Markenzeichen Obamas, eines eher vorsichtig abwägenden Realpolitikers. Amerikanische Alleingänge sind es sowieso nicht; auch dies machen seine Krisenstatements einmal mehr deutlich. Im Vordergrund steht das Schmieden von Allianzen, die konzertierte Aktion mit den westlichen Partnern. Zunächst, skizziert das Weiße Haus, soll die Nato beraten, wie sich Russland so weit isolieren lässt, dass Putin seine Interventionsdrohungen vielleicht zurücknimmt. Zugleich lässt man dem Kreml den diplomatischen Rückzugsweg offen.