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Krippen und Spielzeug: Häftlinge entdecken ihre Kreativität

Ein 36 Jahre alter Häftling bemalt in der Holzwerkstatt der JVA Frankfurt IV seine ausgesägte und grundierte Figur mit weißer Farbe.

dpa

400 Häftlinge haben im Gefängnis Frankfurt IV Platz - für etwa 200 gibt es einen Arbeitsstelle. Dazu gehört seit zwei Jahren eine Holzwerkstatt, die noch Kunden sucht.

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Frankfurt – Ein 36 Jahre alter Häftling bemalt in der Holzwerkstatt der Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankfurt IV eine Wandfigur mit weißer Farbe. „Da kommen dann frische Tannenzweige drauf – und eine Kerze“, erzählt der Offenbacher und zeigt ein winziges Klebebild, das Vorlage für sein fantasievolles Werk ist.

Sein Talent im Umgang mit Holz hat er erst im Gefängnis entdeckt, wo er ein Jahr und zwei Monate wegen nicht bezahlter Geldstrafen und wiederholtem Schwarzfahrens sitzt. „Ich möchte nach meiner Entlassung schon gerne weiter was in die Richtung mit Holz machen, weiß aber noch nicht, wie ich das angehe.“

Die meisten der zehn Häftlinge in Peter Zöllers Holzwerkstatt drechseln, beizen und lackieren in der Adventszeit Krippenfiguren. „Am Ende gibt hier jeder ab, was in ihm an Kreativität ist“, berichtet der JVA-Bedienstete Zöller, der die Werkstatt in den Räumen der Gefängnis-Gärtnerei vor rund zwei Jahren eingerichtet hat. Außer ein paar Sägen, einem Bandschleifer, einer Fräse und einen Akkuschrauber gebe es aber noch kein Werkzeug.

Der Kundenkreis der Werkstatt ist auch überschaubar: Vor allem die Bediensteten des Gefängnisses und des benachbarten Frauenknasts sowie Seelsorger kauften die handgearbeiteten Spiele, Gegenstände und Figuren. „Wir müssen immer wieder was Neues bringen, damit das Interesse geweckt bleibt“, sagt Zöller und zeigt die Vielfalt: Bunte Vogelhäuser hängen neben Rosenkränzen. Dazwischen stehen Backgammon-, Mühle-, Geschicklichkeits- und kunstvoll gedrechselten Schachspiele, aber auch geschmackvolle Kerzenständer, Elch-Figuren und Holzspielfahrzeuge für Kinder.

Ein 29 Jahre alter Häftling aus Mittelhessen ist gerade mit den Feinarbeiten einer gefrästen Hirtenfigur beschäftigt. Mit Holz kennt er sich aus: Er habe eine Ausbildung zum Tischler gemacht, sie aber wegen eines Umzugs nach 2,5 Jahren abgebrochen. „Leider“, fügt er leise hinzu. Wenn er wieder raus ist, will er die Ausbildung nachholen. Ein dreiviertel Jahr ist er schon im Knast, noch einmal so lange hat er vor sich. „Beschaffungskriminalität“, antwortet er auf die Frage, weshalb er sitzt. Über 25 Monate sei er jetzt clean. „Darauf bin ich auch stolz. Nach einem Jahr denkt man nicht mehr an die Drogen.“ Die Arbeitsstelle in der Holzwerkstatt und das Knasttheater hätten in ihm viel Lebensfreude geweckt.

„80 Prozent haben eine massive Alkohol- und Drogenproblematik“, berichtet der stellvertretende Anstaltsleiter Klaus-Dieter Vogt über die Insassen. „Ihr Leben war bestimmt durch Sucht und Drogenkonsum. Sie hatten keine Arbeit.“

So auch der Deutsch-Russe, der mit 18 Jahren als Aussiedler kam. Seine Ausbildung zum Schreiner sei nicht anerkannt worden, über Drogen habe er nichts gewusst. „Dann hängt man zu 15, 30 Leuten auf einen Haufen und langweilt sich.“ Irgendwann habe er Kokain probiert. „Dann kam die Beschaffungskriminalität und am Ende landet man hier“, sagt der 33-Jährige. Noch ein Jahr Gefängnis hat er vor sich, danach will er eine Drogentherapie machen. Ohne diese sehe er keine Chance, auf Dauer von den Drogen weg zu kommen. „Es ist schwer, es draußen zu schaffen.“

„Es ist wichtig, dass sie nicht in die alte Umgebung zurückfallen“, betont auch Vogt. Im Gefängnis werden viele entgiftet, einige kriegen Methadon, andere kommen dann clean raus. Sie lernen den Rhythmus eines normalen Arbeitsalltags einzuhalten: Um 7.00 Uhr aufstehen, arbeiten, ein warmes Mittagessen und wieder arbeiten. Dazu gehört auch die Holzwerkstatt. Der besondere Stolz von Zöller und seinen Männern sind in der Adventszeit die Krippen aus Vollholz mit ihren ausdrucksstarken Figuren, die für 110 Euro verkauft werden. Um mehr Kunden zu gewinnen, soll eine Internetseite eingerichtet und die Produkte auf öffentlichen Märkten im Stadtteil angeboten werden. Ira Schaible