Spitzen – gesammelt von Stefan Munzlinger
Fahnenmeer
Ohne Landesfahnen die EM feiern? Das schlägt die Grüne Jugend, Nachwuchsorganisation der Umweltpartei, vor. Grund: Das Fahnenmeer befördere lediglich einen unseligen Nationalismus. Wer feiern wolle, solle das mit der DFB-Fahne, besser noch mit der neutralen Euro-Flagge, tun. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Sogleich erntete sie einen heftigen „Shit“-Storm im Internet; bis hin zu Morddrohungen reichte das Gekeife. Gilt auch hier: Je härter der Protest, desto wahrer die Jung-Grünen-Befürchtung? Wir fragen nicht andere Parteien, weil jeder weiß, was sie dazu sagen, und wollen uns zudem keine Wahlkampf- oder Extrempositionen ins Blatt ziehen. Wir fragen einen aus Reihen der Grünen selbst: Ludger Nuphaus (57, Winzenheim), seit 25 Jahren in der Kommunalpolitik, vor allem im Kreistag tätig und einer der Kon strukteure der dortigen CDU-FWG-Grünen-Koalition. Er sieht im Vorschlag der Grünen Jugend das gute Recht einer Nachwuchsorganisation, auch konträre Positionen zu vertreten.
Nuphaus verfolgt die EM intensiv (sein Neffe Jean Julien Foé-Nuphaus kickt in der US-amerikanischen U16-Nationalmannschaft). Und er hat in Winzenheim einen Nachbarn, der an seinem Auto momentan zugleich ein Deutschland- und ein Portugal-Fähnchen flattern lässt. „Nichts dagegen“, freut sich Nuphaus über so viel faire Fußballbegeisterung. Fahnen spiegelten eine Gruppenzugehörigkeit wider, und er betont: Längst nicht jeder, der mit einer Fahne wedelt, ist gleich ein Nazi. Lasst die Leute feiern, wie sie wollen; ob mit oder ohne Fahne, das ist ihm egal. FCK, Mainz 05 oder andere Vereine – alle haben Fahnen, zeigten damit Hingabe und Identifikation, wenn es um ihren Klub geht. Außerdem: Dem Millionengeschäft des EM-Merchandisings können sich viele nicht entziehen, wollen mit reichlich Fanartikeln wie den großen bunten Fahnen ausgestattet dabei sein.
Ein anderer aktueller und tragischer Aspekt: Ludger Nuphaus überrascht die Anti-Fahnen-Position der Jung-Grünen nicht, wenn man an die bislang etwa 800 Anschläge auf Asylbewerberheime denke.
Reizthema
Landratswahl 1: Mag das CDU- und Internet-Empör-Getöse nach unserer Frage, ob der Trierer Baudezernent Andreas Ludwig (CDU) bei der Landratswahl antreten könnte, auch noch so laut gewesen sein: Ganz ausgeschlossen schien dessen Kandidatur nicht, wenn man sich die persönliche Erklärung des Kreuznacher Ex-Oberbürgermeisters mal genauer betrachtet: „Die Aufgabe hätte mich gereizt ...“ Ludwig, den die für ihn völlig überraschende Wahlniederlage 2011 gegen Heike Kaster-Meurer (SPD) lange Zeit schmerzte, hätte zurückkehren und sich „rehabilitieren“ können im Kreis und in einer Stadt, in der er mit seiner Familie noch heute wohnt. Selbst SPD-Leute sagen: „Diesen CDU-Kandidaten hätte man nicht unterschätzen dürfen.“ Unterdessen winkt der nächste für die Urwahl Genannte ab: Michael Cyfka, VG-Bürgermeister Langenlonsheims. Nein, sagt der 39-jährige CDU-Mann und dreifache Vater, er sei bis 2021 gewählt und fühle sich in seinem Job „pudelwohl“. Wieder einer weniger. Langsam, aber sicher ist man schneller, wenn man die CDU-Kandidaten nennt, die noch nicht gefragt wurden. Warum bloß will keiner der Schwarzen den 8300-Euro-brutto-Posten haben? Es gab schon mal Zeiten, da hätten sie sich gekloppt um jeden Job. Ich erinnere mich an die Staudernheimer SPD 2014. Die stellte – so konsequent wie mutig – in ihrem Dorf, einer einst roten Hochburg, keinen Ortsbürgermeister-Kandidaten auf, weil niemand konnte oder wollte. Und so übte sie sich angesichts überschaubarer Erfolgsaussichten in Verzicht und bekam den Ersten Beigeordneten, unterstützt seither den neuen Ortsbürgermeister Hans Helmich (CDU) – und verhinderte zugleich einen oberflächlichen Schau-Wahlkampf. Klar: Demokratie lebt von den Alternativen, von der Konkurrenz. Aber warum herbeireden, wenn es ausnahmsweise mal im Konsens laufen kann? Ob es sich eine im Kreis über 2000 Mitglieder starke CDU allerdings leisten kann, keinen Landratskandidaten für die Urwahl aufzustellen, ist eine ganz andere Frage. Der Druck auf die Kreis-CDU steigt. Von Tag zu Tag.
Gipfelsturm
Landratswahl 2: Wie stand in der AZ am Samstag: Zurzeit fragt die CDU wohl jeden, der nicht bei Drei auf'm Baum ist. So ist es! Daher, liebe Mitbürger, ein ultimativer Verhaltenskodex, sollten Sie verschreckt-bibbernde Menschen in höchsten Baumwipfeln erspähen:
1. Sprechen Sie die Delinquenten sanft, besonnen und parteilos an.
2. Sagen Sie, dass Sie ihnen keinen Job aufs Auge drücken wollen.
3. Geben Sie zu erkennen, dass sie die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen durchforstet und darin keinerlei Kandidatur-Zwang entdeckt haben.
4. Bieten Sie den vor der CDU-Findungskommission Flüchtenden ihre Hilfe bei der Suche einer sicheren und diskreten Heimstatt an, bis die Nominierungsgefahr gebannt ist und die gesellschaftliche Reintegration des Gipfelinsassen beginnen kann.
5. Nutzen Sie für Ihren humanitären Einsatz auch das Know-how der etablierten Hilfsorganisationen wie DRK, Caritas, ASB, THW, Maltesern und auch das der findlingserfahrenen Tierheime in Bad Kreuznach und Kirn. Viel Glück!
Rückblick
Und weil's so schön war, hier noch eine Stimme zum Bürgerfest „200 Jahre Kreis Kreuznach“ am 15. Mai im Freilichtmuseum; diesmal von Jochen Lorenz, dem Leiter der Musikschule mit Sitz in Kirn, an Festhauptorganisator Harald Skär (Kreisverwaltung): „Ein ganz großer Dank an Sie und Ihr Team. Die organisatorische Vorbereitung war eine Wahnsinnsarbeit. Es sind oft die Leute, die nicht im Rampenlicht stehen, die vergessen werden.“
Überflug
Bitter lächelnd trat Portugals Starfußballer Cristiano Ronaldo am Dienstagabend nach dem 1:1 gegen Island den Weg in die Kabine an. An anderer Stelle, in Roth bei Stromberg, feierten zwei echte Island-Fans das Unentschieden „ihrer“ Mannschaft wie einen Sieg: Christopher Müller-Dönnhoff (www.naheblicke.de) aus Meddersheim und Dominik Weil aus Stromberg. Beide fliegen mit ihren Partnerinnen regelmäßig auf die 333 000 Einwohner und 103 000 Quadratkilometer kleine und nach England zweitgrößte Insel Europas. Nächste Woche fliegen die beiden heimischen Fußballfans in die Hauptstadt Reykjavik, um das Spiel der isländischen Mannschaft am 22. Juni (18 Uhr) gegen Österreich beim Public Viewing mit den Isländern zu erleben.