Bundestagswahl 2021
Kommentar von Birgit Pielen zu Laschets Karriere: Von einem, der auszog, um Kanzler zu werden

Nachrichtenchefin Birgit Pielen

Jens Weber

Am späten Sonntagabend stellte sich vor allem eine Frage: Wer bitteschön sagt Armin Laschet, dass er die Bundestagswahl verloren hat? Sein Verhalten am Wahltag zeigte zuweilen Züge eines absurden Theaters. Im Wahllokal in Aachen faltete er seinen Wahlzettel so, dass für Fotografen und Umstehende deutlich zu sehen war, dass er seine Kreuze bei der CDU gemacht hat.

Ein erfahrener Politiker, der noch dazu Kanzler werden will, weiß ganz genau, wie Wahlzettel gefaltet werden. Was sollte das also? Wie Laschet diese Ignoranz gegenüber dem Grundsatz einer geheimen Wahl rechtfertigt, wird wohl für ewig sein Geheimnis bleiben. Denn der Bundeswahlleiter gab anschließend grünes Licht für diesen unrühmlichen Vorgang. SPD-Politiker Karl Lauterbach kommentierte Laschets Verhalten schlicht: „So dumm kann niemand sein.“

Es sollte nicht die einzige merkwürdige Interpretation einer demokratischen Wahl bleiben. Nach den ersten Hochrechnungen am Abend war schnell klar: Die Union hat die Wahl verloren. Und nicht nur das: Es ist ein historisch schlechtes Ergebnis. Überraschend verkündet Laschet dann vor den Fernsehkameras mit großer Selbstverständlichkeit, dass er alles daransetzen will, „eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden“.

Hier zeigt sich der Prototyp des unsouveränen Wahlverlierers. Man erinnere sich an Gerhard Schröder (SPD) 2005, als er wider besseres Wissen trotzig behauptete: „Ich bleibe Bundeskanzler.“ Das verzweifelte Klammern an die Macht und die Ahnung vor dem drohenden Bedeutungsverlust beflügeln den Absturz solcher Politiker mehr, als dass sie ihn aufhalten.

Ja, Armin Laschet wird viel verlieren. Das ist der Preis der Politik, die Ämter nur auf Zeit vergibt. Als Ministerpräsident wird er nicht nach NRW zurückkehren, dort wird schon eifrig nach einer Nachfolge für ihn gesucht. Am 23. Oktober wird wahrscheinlich bei einem CDU-Landesparteitag entschieden, wie es personell weitergeht. Aber auch als CDU-Chef wird Laschet nach diesem desaströsen Bundestagswahlergebnis schwer zu halten sein. Denn ein Erneuerer, den die Partei so dringend braucht, ist der 60-Jährige nicht. Was Laschet am Ende des Tages vielleicht bleiben wird, ist ein Bundestagsmandat über die Landesliste. Das ist nicht viel für einen, der auszog, um Merkel-Nachfolger zu werden.

Am Montagmorgen kamen wohltuende Töne aus der Union, die Laschet endlich aus der Parallelwelt holten. Michael Kretschmer, Regierungschef von Sachsen, erklärte, ihm erschließe sich die Haltung in der Berliner CDU-Zentrale nicht, angesichts des Absturzes von einem Regierungsauftrag zu sprechen. Ähnlich klang es aus München – und plötzlich auch von Laschet persönlich. Niemand habe am Sonntagabend von einem Regierungsauftrag für die Union gesprochen, ließ er verlauten. Es sei lediglich die Faktenlage beschrieben worden. Aha. So klingt nun also die Beschreibung einer Niederlage, die vernichtender kaum hätte sein können für Armin Laschets politische Karriere.

E-Mail: birgit.pielen@rhein-zeitung.net