Anna Aridzanjan zum veganen Selbstversuch
„Sie sind ganz schön übersäuert!“, hatte mir mein Arzt gesagt. Wegen Übermüdung und Sodbrennen hatte ich ihn aufgesucht. Dagegen helfe eine strenge Diät, bei der man sogenannte saure Lebensmittel meidet, erklärte er und drückte mir eine Liste von Dingen in die Hand, auf die ich fortan verzichten sollte: Fleisch, Eier, Milchprodukte, Honig. Alles, was tierische Bestandteile enthält. Die nächsten sechs Monate sollte es also nur Obst, Gemüse, Kartoffeln, Reis und Getreide auf meinem Speiseplan geben. Adieu, geliebte Milchschokolade.
In Deutschland leben rund 800.000 Veganer. Die schaffen das ja auch, dachte ich mir, und verbannte die „verbotenen“ Lebensmittel aus Kühlschrank, Vorratskammer und Süßigkeitenregal. Ich begann, akribisch Zutatenlisten und Internetseiten zu studieren, auf der Suche nach verstecktem Tier in Tomatensoßen, Kartoffelchips und Bier. In der Uni-Mensa wählte ich oft nur die Gemüsebeilage und saß dann mit knurrendem Magen in der Vorlesung. Spontan Essen zu gehen, war nahezu unmöglich, denn viele Restaurants bieten außer Pommes und faden Salatblättern keine veganen Gerichte an. Sojamilch und Tofu hingen mir irgendwann zum Hals raus. Die Folge: Ich nahm elf Kilo ab – dafür war die Übersäuerung weg.
Eine Vollzeitbeschäftigung
Das Experiment Veganismus ist eine echte Vollzeitbeschäftigung. Der Kopf ist immer bei der nächsten Mahlzeit, alle Gedanken kreisen ums Essen. Das ist anstrengend. Nie zuvor habe ich mich so intensiv mit dem auseinandergesetzt, was auf meinem Teller liegt. In diesen sechs Monaten lernte ich viel über Ernährung, habe fast immer selbst gekocht. Dauerhaft vegan werde ich wohl nie leben. Dafür schmecken mir Steak, Ziegenkäse und Spiegelei zu gut. Es fällt mir jetzt aber leichter, öfter auf Fleisch zu verzichten.