Damit können am 26. September, dem Tag der Bundestagswahl, die Menschen des Wahlkreises 201 Bad Kreuznach/Birkenfeld wie gewohnt in ihren Dörfern wählen.
Aber: In Gemeinden, in denen weniger als 50 Zettel in der Urne erwartet werden – das dürften insgesamt rund 80 im WK 201 sein – müssen die Behälter nach 18 Uhr in die nächstgrößere und dafür zugeordnete Gemeinde transportiert werden. Dort werden sie gemeinsam ausgezählt. Das sieht die vom 13. Februar 2020 stammende Neuerung der Bundeswahlordnung vor, die bei weniger als 50 Stimmzetteln in einer Urne beim Auszählen das Wahlgeheimnis in Gefahr sieht.
Gegen den Bundespassus habe man zwar keine Handhabe, betont Dickes, doch hätten die lokalen Wahlvorstände es jetzt zumindest in der Hand, ob in ihrem Dorf gewählt werden soll. Dickes' einzige Forderung: Die Fahrt des „beweglichen Wahlvorstandes“ ins größere Nachbardorf muss frühzeitig angekündigt werden. De Entscheidung darüber könne nicht erst am Wahlabend nach 18 Uhr fallen.
Den aufbrandenden Protest und den Unmut in den kleinen Dörfern kann die Landrätin verstehen, weil Wahlen etwas mit der Tradition und dem Selbstverständnis zu tun hätten. Hier spiele das Gefühl und die seit Jahrzehnten vorherrschende Meinung eine wesentliche Rolle, bei allen Themen, ob ÖPNV, Breitband usw., schon seit jeher benachteiligt zu sein. Und es spielten gefühlte Dorfkonkurrenzen mit hinein: Aus dem Kreis Birkenfeld habe sie eine erboste Stimme gehört, die von einem vor Jahrzehnten passierten Mord im Dorf berichtet habe, begangen von einem Bürger d e s Nachbardorfs, in dem man nun auch noch wählen solle? Auf keinen Fall.
CDU-Bundestagskandidatin Julia Klöckner begrüßt die Entscheidung zum Erhalt kleiner Wahllokale. Nach der Kritik in den vergangenen Tagen an der Zusammenlegung in Dörfern unter 300 Einwohnern habe sie sich bei der Kreiswahlleiterin Bettina Dickes dafür stark gemacht, dass Bürger in kleinen Gemeinden ihre Stimme weiter wohnortnah abgeben können: „Wir sollten den Bürgern die Möglichkeit geben, dort zu wählen, wo sie zu Hause sind. Auch das gehört zur Kultur in unseren eigenständigen Dörfern“, schreibt Klöckner in einer Pressemitteilung von Mittwochmorgen. Nach dem Gespräch von Landrätin Dickes mit dem Landeswahlleiter sei klar, dass ein „beweglicher Wahlvorstand“ eingesetzt werden kann (Paragraf 8, Satz 3 der Bundeswahlordnung). In der kommenden Woche solle es eine Videoschalte des Landeswahlleiters mit allen 24 rheinland-pfälzischen Kreisen geben, in der Details besprochen würden. Zur „Wahllokalreform“ meldete sich bereits am Dienstagmorgen SPD-Bundestagsabgeordneter Joe Weingarten zu Wort: „Der ländliche Raum darf bei den Bundestagswahlen nicht ins Hintertreffen geraten. Das gilt gerade für die Zahl der Wahllokale.“ Insbesondere ältere Wähler dürften an einer Stimmabgabe nicht durch zu große Entfernungen zu den Wahllokalen gehindert werden. „Wir müssen uns genau ansehen, wo eine Zusammenlegung sinnvoll ist und wo nicht.“ Darüber müsse pragmatisch und ohne parteipolitische Sicht entschieden werden.
Weingarten betont: „Aufforderungen zum Wahlboykott sind völlig unangemessen und beschädigen unnötig das Vertrauen in unsere demokratische Willensbildung.“
Der Abgeordnete erinnert an den Hintergrund der geänderten Bundeswahlordnung: „Das ist zu einer Zeit entschieden worden, als wir davon ausgehen mussten, dass die Pandemie unser Land im September weiter fest im Griff hat und wir eine Bundestagswahl ganz überwiegend durch Briefwahl erleben würden.“ Das könne sich durch die nachlassenden Inzidenzen jetzt aber wieder ändern: „Dann werden auch wieder deutlich mehr Bürger persönlich abstimmen wollen.“ Weingarten weiter: „Der Landeswahlleiter habe klargestellt, dass die Verantwortung für den Neuzuschnitt von Stimmbezirken bei den Kreiswahlleitern liegt. Auch die Bundeswahlordnung ist hier unmissverständlich.“ Er rät Landrätin Dickes, im Dialog mit den Gemeinden vernünftige Lösungen zu finden und von ihr verordnete Zusammenlegungen zurückzunehmen: „Die Stimmbezirke des Wahlkreises 201 dürfen nicht im Hauruckverfahren und nicht ohne die Vor-Ort-Erfahrungen der Ortsbürgermeister geändert werden. Die Kreiswahlleiterin muss Sorge tragen, dass die Wahl im Einklang mit den lokalen Bedürfnissen und der Bundeswahlverordnung stattfindet.“