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Klaus Hoffmann streicht Vaselineauf die alltagswunden Seelen

Mainz - Zu Beginn setzt es ein paar Grundregeln: "Seien Sie nach der Pause noch da, und gähnen Sie nicht, während ich mir hier oben den Arsch aufreiße", bittet Klaus Hoffmann sein Publikum im der Rheingoldhalle.

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Mainz – Zu Beginn setzt es ein paar Grundregeln: „Seien Sie nach der Pause noch da, und gähnen Sie nicht, während ich mir hier oben den Arsch aufreiße“, bittet Klaus Hoffmann sein Publikum im der Rheingoldhalle. Natürlich ist das reine Koketterie. Der Liedermacher weiß, dass die Fans bleiben werden, drei Stunden lang. Und selbst dann wollen sie noch nicht so recht gehen. Gegen 23 Uhr klatschen sie den 59-Jährigen noch mal auf die Bühne und singen mit ihm „Mein Weg ist mein Weg ist ...“

Hoffmann ist mit seiner neuen CD „Das süße Leben“ nach Mainz gekommen. Wieder legt er eine Mischung aus Liebesliedern vor, aus melancholischen Chansons und lyrischem Witz. An der Musik hat sich im Grunde nicht viel geändert, seit er vor gut 40 Jahren das erste Mal in der Stadt war. „Ich habe im Unterhaus gespielt, in so einem kleinen Klub. Ich konnte gerade mal drei Akkorde.“ Gut, das hat sich geändert. „In den Saal gingen 70 Leute rein. Ich dachte, die empfangen mich mit Spruchbändern: ,Verschwinde, du Pflaume.'“ Schließlich waren das die 60er.„ Und so richtig politisch war Hoffmann nie, zumindest nicht in der plakativen Weise wie viele seiner Kollegen damals.

Er setzt auf Gefühle, ob im neuen Stück “Die Stadt hat heute dein Gesicht„ oder im Klassiker “Blinde Katharina„. Da wirkt es fast schon befremdlich, wenn er mit “Mein Hund ist schwul„ mal einen rauen, ironischen Ton anschlägt: “Woher er das hat? / Den Kerl mach ich platt. / Das ist nicht normal, / er treibt es anal.„ Aber Hoffmann wird schnell wieder weich: “Weil du nicht bis wie all die andern ...„

Seine vierköpfige Band begleitet ihn in jeder Stimmung virtuos, aber zurückhaltend. Niemals deckt das Quartett die Texte seines Chefs mit instrumentalen Eskapaden zu.

Zwischen den Chansons erzählt Hoffmann Geschichten aus seinem Leben: “Wir wohnten hinten raus. Ich komme aus einer Familie, da hatten die Menschen noch richtige Gesichter. Wenn sich einer schnitt, war das noch eine Verletzung und keine plastische Chirurgie.„

Auch wenn er sich ironische Brechungen erlaubt, Hoffmann spielt immer auf der Klaviatur der große Emotionen. Er streicht mit seiner wunderbar klaren und kräftigen Stimme Vaseline auf alltagswunde Seelen, und obendrauf gibt es einen klugen Gedanken als Pflaster: “Es ist schon verrückt: Wenn wir unser Handy bedienen können, glauben wir schon, unsere Frau zu verstehen.„

Hoffmanns Kunst ist im besten Sinne zeitlos, seine Lieder ändern sich so wenig wie die Gefühle seiner Fans. “Es ist schön, dass Sie noch da sind und uns beim Arbeiten zuschauen„, bedankt er sich. “Bitte seien Sie in 40 Jahren auch noch da." Gerd Blase