Paris. Trotz Finanznot und wirtschaftlicher Krise zählen die Franzosen in Europa mit zu den Meistern im Kinderkriegen. Während die Geburtenrate anderswo tendenziell eher zurückgeht, liegt sie in Frankreich bei rund 2,01 Kindern pro Frau.
FRankreichs Geburtenrate ist – nach Irland – absolute Spitze auf dem heimischen Kontinent. 827 000 Babys kamen im vergangenen Jahr in unserem Nachbarland zur Welt – nur 3000 weniger als 2010, das als absolutes Rekordjahr seit Ende des Baby-Booms vor 35 Jahren in die Geschichte einging.
Während der Nachkriegszeit brachten die Französinnen im Durchschnitt zwar sogar drei Kinder zur Welt. Doch dann kam die Ölkrise 1973/74, und die Geburtenrate ging drastisch zurück, auf zeitweise bis zu 1,66 Kinder pro Frau Anfang der 90er-Jahre. Seitdem geht es aber langsam wieder bergauf. Warum das so ist, hängt – in Frankreich zumindest – offenbar nicht unbedingt nur von der wirtschaftlichen Situation der Menschen ab.
„Die Kinder, die etwa 2010 zur Welt kamen, wurden während der Wirtschaftskrise 2009 gezeugt“, erklärt Pascale Breuil vom Statistikamt Insee. „Das zeigt, dass Geburten in Frankreich nicht einzig und allein konjunkturell bedingt sind.“ Tatsächlich bringen Krisenmomente oft widersprüchliches Verhalten zutage. Statt auf bessere Zeiten zu warten, nutzen manche Französinnen vielmehr die Zeit ungeklärter Jobsituationen oder gar Arbeitslosigkeit dazu, Babys in die Welt zu setzen. Zudem bekommen die Frauen ihre Kinder immer später: 30 Jahre alt sind die Französinnen inzwischen im Durchschnitt, wenn sie zum ersten Mal Mutter werden, berichtet das Insee. 17 Prozent der Babys haben eine Mutter, die zwischen 35 und 39 Jahren alt ist. Und der Anteil der Mütter, die mit 40 ihr Kind bekommen, hat sich in den vergangenen Jahren sogar auf 5 Prozent verdoppelt.
„Die hohe Geburtenzahl in Frankreich“, so Breuil, „liegt auch an den hierzulande hohen sozialen Leistungen“ – sprich Kinderbetreuungsmöglichkeiten und finanzielle Hilfen vom Staat. Mit einer aktiven Familienpolitik kurbelt unser Nachbarland also sein Bevölkerungswachstum gezielt an, ohne dabei Kinder automatisch zum Armutsrisiko zu machen.
Dazu kommt eine gesellschaftliche Mentalität, die berufstätige Mütter als eine Selbstverständlichkeit ansieht. Ohne Stirnrunzeln wird in Frankreich akzeptiert, dass Kleinkinder die meiste Zeit des Tages in der Krippe mit Gleichaltrigen zusammenkommen oder zu Hause von Tagesmüttern erzogen und gefördert werden. Im Zweifel, so ist man in Frankreich überzeugt, bringt die Profi-Nanny sogar mehr Zeit und Geduld für die Kleinen auf als die eigene Mutter, die zu Hause überdies noch einkaufen, staubsaugen, bügeln und Essen kochen muss.
Von unserer Pariser Korrespondentin Sylvie Stephan