Freude und Erleichterung waren so enorm, dass bei der CDU-Wahlparty im Weindorf trotz der hohen Verluste gefeiert wurde, wie der Gülser am Morgen nach der Wahl im RZ-Interview sagt. Mit ein paar wenigen Stunden Schlaf Abstand spricht der Koblenzer CDU-Kreischef über die Folgen des schlechten Ergebnisses und kritisiert seinen Parteifreund und Kanzlerkandidaten Armin Laschet und dessen Wahlkampf scharf.
Herr Oster, Sie mussten am Sonntagabend lange um Ihren Wiedereinzug in den Bundestag zittern. Wie haben Sie den Abend erlebt?
Wenn man es sportlich sieht, könnte man sagen, dass es lange spannend und dann umso schöner war, den Sieg so spät zu erobern. Aber wenn man selbst betroffen ist, wie ich in dem Fall, ist das nicht so schön. Der Abend war ungemütlicher für uns als erwartet. Umso schöner ist es am Ende, wenn man noch was zu feiern hat. Und das haben wir auch getan. Die Freude über meinen Erfolg stand im Vordergrund und über dem Bundesergebnis.
Haben Sie vorher mit einem so engen Ergebnis für Sie persönlich gerechnet?
Ich hatte einen klareren Ausgang für mich erwartet, auch aus den Eindrücken der letzten Tage des Wahlkampfs. Die Erkenntnis des Wahlabends ist: Gegen den Bundestrend kann man auch als Wahlkreiskandidat nur bedingt etwas ausrichten, positiv wie negativ. Die allergrößte Zahl der Wähler unterscheidet nicht zwischen Erst- und Zweitstimmen.
Hätte der Noch-SPD-Bundestagsabgeordnete Detlev Pilger, der in Koblenz bekannter ist als Thorsten Rudolph, Sie diesmal geschlagen?
Das ist spekulativ. Der Bekanntheitsgrad eines Kandidaten muss nicht zwingend etwas mit dem Ergebnis zu tun haben.
Nun sind Sie nicht nur wiedergewählter Bundestagsabgeordneter, sondern auch Chef der Koblenzer CDU. Was haben Sie sich und Ihrem Verband bei dem Wahlausgang vorzuwerfen?
Für Koblenz und andere Städte gilt: Wir als CDU tun uns in städtischen Milieus schwer. Im Vergleich zu anderen Städten haben wir in Koblenz noch ein besseres Ergebnis erzielt. Wir müssen die Partei weiter modernisieren.
Aber hätten Sie das nicht bereits in den vergangenen Jahren tun können und müssen? Die CDU stellt in Koblenz weiterhin keinen Landtagsabgeordneten und hat auch bei der Kommunalwahl 2019 schlecht abgeschnitten. Der Trend ist also schon länger bekannt.
Diese Bundestagswahl ist maßgeblich in Berlin entschieden worden. Auch die beiden Wahlen vorher waren von externen Faktoren geprägt. Das sind keine Faktoren, die nur die Koblenzer CDU betreffen. Ich sehe nicht, dass wir vor Ort Fehler gemacht haben. Wir haben eine gute Kampagne organisiert, waren sehr präsent in Koblenz und der Region und haben einen guten Auftritt in den sozialen Medien. Wir haben uns da nichts vorzuwerfen. Um es noch mal zu sagen: Es gibt leider diesen Trend, der uns als CDU negativ berührt. Klar ist aber auch: In Städten brauchen wir einen moderneren Auftritt.
Welche Verantwortung an dem katastrophalen CDU-Ergebnis trägt Kanzlerkandidat Armin Laschet?
Er trägt die Hauptverantwortung. Es gibt nichts drum herum zu reden, dass das Ergebnis an der mangelnden Akzeptanz des Spitzenkandidaten liegt. Das fing an im Frühjahr mit dem langen, katastrophalen Auswahlprozess. Das war eine ganz schlechte Ausgangsbasis für alle. Die Organisation der Bundeskampagne begann deshalb sehr spät und war unkoordiniert. Das hat uns Kandidaten vor Ort die Arbeit sehr schwer gemacht. Insgesamt haben wir es bis zuletzt nicht geschafft, die Akzeptanz und Unterstützung für unseren Kanzlerkandidaten aufzubauen, intern wie extern. Wir haben es nicht geschafft, die Wähler zu überzeugen.
Von Laschets Wahlkampf bleibt der Lacher bei seinem Besuch in einem Flutgebiet in Erinnerung ...
... das war aber nicht der Hauptfehler. Niemand hat sich 24 Stunden und ununterbrochen unter Kontrolle, er hat sich dafür auch sofort und glaubhaft entschuldigt. Ich bin eher besorgt, welche mediale Welle eine solche Kleinigkeit entfalten kann.
Hat er sich auch zu wenig von Angela Merkel und ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft abgegrenzt?
Es war die große Herausforderung für ihn und die Partei damit umzugehen. Einerseits einen Aufbruch zu signalisieren und andererseits zu dieser langen Kanzlerschaft zu stehen. Denn natürlich kann sich die Partei davon nicht lösen. Heute wissen wir: Als Partei ist uns dieser Spagat nicht gelungen.
Wäre Markus Söder der bessere Unionskanzlerkandidat gewesen? Sie selbst haben ihn im Frühjahr öffentlich unterstützt.
Das ist heute müßig zu diskutieren. Ja, er wäre mein Favorit gewesen. Aber das beschäftigt mich heute nicht mehr. Die Frage ist auch, ob er die guten Umfragewerte aus dem Frühjahr bei dem ganzen medialen Dauerfeuer den Sommer über behalten hätte.
Wie sieht die neue Regierungskoalition aus?
Klar ist: Es ist ein knappes Ergebnis, es gibt keinen klaren Regierungsauftrag ...
... auch nicht für die CDU, die hinter der SPD liegt, aber trotzdem Ansprüche auf Kanzlerschaft und Regierung erhebt. Wie passt das zusammen? Sollte die CDU nicht eher demütig in die Opposition gehen?
Wir sind immer verantwortungsbewusst mit dem Auftrag für stabile politische Verhältnisse in Regierungen der Bundesrepublik Deutschland umgegangen. Wenn es größere Schnittmengen mit Grünen und FDP gibt, sollten wir den Weg in diese Koalition gehen. Aber das werden die nächsten Tage zeigen. Klar ist, die SPD ist in einer etwas günstigeren Position als wir. Und natürlich schmerzt uns zusätzlich, dass die wesentliche Rolle nun bei FDP und Grünen liegt.
Wahrscheinlich zieht Ihr SPD-Herausforderer Thorsten Rudolph über die Landesliste in den Bundestag ein. Was bedeutet das für Koblenz?
Ich finde es sehr gut, dass Koblenz weiterhin mit zwei Abgeordneten vertreten sein wird und dass zumindest einer von uns einer Regierungspartei angehören wird. Das ist für die Stadt sehr wichtig.
Sie sitzen beide im Stadtrat. Wie gut kennen Sie sich?
Wir haben immer mal kurz bei Terminen miteinander gesprochen und am Montagmorgen länger miteinander telefoniert. Wir haben vereinbart, dass wir den persönlichen Austausch jetzt ausbauen wollen.
Das Interview führte Jan Lindner