Koblenz. Die Erinnerungen sind noch ganz frisch. „Es war ein richtig toller Moment“, sagt Natalie Weber, während sie auf die Präsentationswand neben sich blickt. Darauf zu sehen sind die besten Schnappschüsse von der U 23-Europameisterschaft im Rudern Anfang September. Für Weber vom Koblenzer Ruderclub Rhenania und ihre deutschen Teamkolleginnen im Leichtgewichts-Doppelvierer der Frauen waren es zwei spezielle Tage: Sie kehrten mit einer Silbermedaille von der Heim-EM in Duisburg zurück.
Auch noch zwei Wochen später leuchten die Augen von Weber, wenn sie immer und immer wieder von ihrem zweiten Platz erzählen soll. Selbst der Koblenzer Oberbürgermeister David Langner schaut an diesem spätsommerlichen Abend im Rhenania-Bootshaus vorbei, um der talentierten Rudererin zu gratulieren. „Man kann sie zu dieser besonderen Leistung nur beglückwünschen. Da steckt enorme Power dahinter. Es erfordert viel Kraft, Ehrgeiz und Energie, um die Sache wirklich durchzuziehen und sich immer mal wieder auch selbst zu überwinden. Eine Stadt wie Koblenz kann auf eine solche Sportlerin unglaublich stolz sein“, zollt Langner der Silbermedaillengewinnerin Respekt.
Stolz ist auch ihr Coach Peter Berger. Er wurde zwar bereits Anfang des Jahres als Landestrainer bei der Rhenania verabschiedet, doch bis zur EM betreute Berger seine Vorzeigeathletin weiter. „Natalie ist in diesem Jahr aus dem Junioren- in den Erwachsenenbereich aufgestiegen. Umso beachtlicher ist es, dass sie gleich im ersten Jahr den Sprung in die Nationalmannschaft geschafft hat und dann auch noch eine Medaille einfahren konnte. Das gelingt nicht vielen“, betont Berger. Er weiß: „Damit ist sie natürlich auch für das kommende Jahr ein wichtiger Baustein für den Deutschen Ruderverband (DRV) – vorausgesetzt, sie entwickelt sich so weiter wie bisher.“
Davon ist Berger überzeugt. Und auch Weber selbst hat nach ihrem ersten internationalen Wettkampf im U 23-Bereich Blut geleckt. „Die Ansprüche, auch an mich selbst, sind auf jeden Fall gestiegen“, sagt sie. Ihr Trainer glaubt sogar, dass in Weber das Potenzial für weitaus mehr schlummert: „Sie wird mit der Zeit dazulernen. Auch Fehler gehören dazu. Das Rudern im Erwachsenenbereich ist einfach anders als bei den Junioren. Die Junioren bolzen los und schauen, wie lange es reicht. Bei den Erwachsenen fangen die Rennen dagegen erst bei 1000 Metern so richtig an. Hier wird sie ihre Erfahrungen noch sammeln.“
Auch Meike Pixius hätte nur allzu gerne Erfahrungen bei der bevorstehenden U 19-Europameisterschaft in Serbien gesammelt. Zwar wurde sie hierfür auch nominiert, doch der DRV entschied sich letztlich wegen der Corona-Pandemie gegen eine Teilnahme. Statt also Ende September nach Belgrad zu reisen und dort um eine Medaille zu kämpfen, schaut die ehrgeizige Rhenanin nun in die Röhre. „Wir hatten diese Entscheidung schon vermutet. Als die Absage dann aber endgültig war, ist für uns erstmal alles zusammengebrochen. Es trifft uns hart, denn wir haben uns sehr auf den Wettkampf gefreut“, bedauert Pixius den DRV-Beschluss. Berger fühlt mit: „Für sie ist es besonders bitter, weil sie viel Mühe reingesteckt und sich sehr stark weiterentwickelt hat. Die Qualifikation für die Europameisterschaft war nicht ohne. Sie musste sich durch ein Feld von 28 Booten kämpfen, um für die Nationalmannschaft nominiert zu werden.“
So sehr sich Pixius über die Nominierung auch gefreut hat – anfangen kann sie damit nach der Absage nur wenig. „Als Sportler lebt man von Erfolgserlebnissen. Ein solches fehlt ihr jetzt natürlich“, weiß Berger, der den Vergleich mit Weber zieht: „Sie war nun das erste Mal bei einer EM dabei. Das löst sehr viel aus und motiviert natürlich ungemein.“
Zumal es für Weber mit dem zweiten Platz auch noch richtig gut lief. „Dabei wussten wir im Vorfeld überhaupt nicht, wie wir im Vergleich zu den anderen Nationen stehen. Wegen Corona gab es ja keine Wettkämpfe in diesem Jahr“, berichtet die Koblenzerin, die gemeinsam mit Pia Otto (Kölner RV), Cecilia Sommerfeld (Neusser RV) und Antonia Wuerich (RV Neptun Konstanz) den Leichtgewichts-Doppelvierer bildete.
Bereits das Bahnverteilungsrennen ging das deutsche Quartett mit dem nötigen Ernst an. „Wir wollten den anderen Nationen zeigen, wie stark wir sind“, erzählt Weber. „Als wir dann auf Platz zwei ins Ziel einfuhren, waren wir selbst ein wenig überrascht. Natürlich wollten wir dieses Ergebnis im Finale bestätigen.“ Was tags darauf auch gelang. Nach den ersten 500 Metern führten die Deutschen das Rennen sogar an. Im weiteren Verlauf machte das Boot aus Italien Druck. Bug an Bug ging es auf die zweite Streckenhälfte. Dort waren die Italienerinnen nicht zu stoppen und holten sich den Titel. Das deutsche Boot jubelte über Silber, Frankreich landete auf Platz drei.
So spannend die Rennen in Duisburg auch waren, so gewöhnungsbedürftig verlief die EM insgesamt. Das strenge Hygienekonzept erlaubte keine Zuschauer, Masken mussten getragen und Abstände eingehalten werden. „Normalerweise sind die Tribünen voll, die Leute schwenken ihre Fahnen und machen Lärm. Gerade für Natalie ist es schade, dass sie dieses besondere Flair bei ihrer ersten Teilnahme nicht wirklich kennenlernen durfte“, sagt Berger.
Weber selbst nimmt es sportlich. Nach den vielen Absagen im Frühjahr und Sommer ist sie froh, dass überhaupt wieder ein Wettkampf auf dem Wasser stattfinden konnte: „Das Team hat gebrannt, endlich wieder Rennen fahren zu dürfen. Wir wollten einfach zeigen, wofür wir die ganze Zeit trainiert haben.“ Zur Belohnung gab’s die Silbermedaille – und mit ihr die Erinnerung an einen richtig tollen Moment.