Das Gute liegt so nah, heißt es. Warum klappt es erst in diesem Jahr mit einem Start in Frankfurt? War das Rennen bis jetzt nicht gut genug?
Bisher habe ich meinem Körper nur zwei Langdistanzen pro Jahr zugetraut. Zudem wollte ich vor den Sommer-Langdistanzen in Deutschland die Hawaiiquali schon sicher haben. Dieses Jahr traue ich meinem Körper mehr zu, und die Hawaiiquali fehlt mir auch noch.
Welche Vorteile hat es, wenn der Start erfolgt, ohne dass zuvor eine lange Anreise samt hoher Kosten notwendig ist?
Beim Training zu Hause habe ich die meisten Erfahrungswerte und erlebe keine Überraschungen. Ich kann mich länger auf das Training und die anschließende Regeneration konzentrieren und stecke nicht schon vorher im Reisestress.
Gibt es auch Nachteile, wenn Sie praktisch aus dem Homeoffice in den Wettkampfmodus wechseln müssen?
Zu Hause kommt keine Wettkampfstimmung auf.
Beim Ironman 70.3 in Wiesbaden sind Sie im Jahr 2015 Europameister geworden und hatten damals den Vorteil, die Radstrecke wohl besser als jeder andere zu kennen. Wie sieht das jetzt in Frankfurt aus?
Die Strecke in Frankfurt habe ich mir auch schon angeschaut. Auf diesem Kurs mit wenigen Steigungen und Kurven ist die Streckenkenntnis jedoch kein so großer Vorteil.
Wo genau liegen für Sie die Knackpunkte auf dem Radkurs?
Es gibt am Anfang jeder der beiden Runden einige kürzere Anstiege, und auf dem zweiten Teil kann der Wind Einfluss nehmen. Deshalb gilt es, sich anfangs der Runde gut zu positionieren.
Geschwommen wird zuvor im Langener Waldsee, gelaufen dann am Mainufer. Eine Strecke nach Ihrem Geschmack?
Es wird aufgrund der Wassertemperatur wahrscheinlich ein Neoprenverbot zumindest für die Profis geben. Daraus folgen erfahrungsgemäß größere Zeitabstände und kleinere Gruppen. Aber zur Abwendung einer Dehydrierung schon beim Schwimmen nehme ich die Regeln, wie sie sind. Die Laufstrecke geht meist geradeaus, und am Mainufer ist es oftmals noch ein paar Grad wärmer. Das mag mein Körper.
Am 7. Mai war Ihr bis dato letztes Rennen – die nachgeholte Ironman-WM von 2021 in St. George. Wie sind die Regenerations- und Trainingsphasen danach gelaufen?
In den ersten Tagen nach dem Rennen konnte ich gut abschalten, und anschließend lief mein Training ohne Komplikationen.
Wie schätzen Sie Ihre Form ein im Vergleich zu St. George?
Ich hoffe, dass ich die Form von der WM konservieren konnte.
Bei der WM sind Sie am Ende 17. geworden, nachdem eine Panikattacke im Wasser fast schon kurz nach dem Start all Ihre Pläne zunichte gemacht hätte. Wie blicken Sie auf diese Erfahrung zurück?
Es war sicher eine vertane Chance, um zu zeigen, was in mir steckt. Ich habe mir allerdings wenig vorzuwerfen und kann daher mit dem Resultat ganz gut leben.
Inwiefern haben Sie sich – auch mental – speziell auf das Schwimmen vorbereitet? Oder war das Thema schnell abgehakt?
Ich habe mir dieses Mal keine professionelle Hilfe gesucht. Zum einen wurde mir selbst schnell klar, was zu diesem erhöhten Erfolgsdruck geführt hat, und die Verkettung unglücklicher Umstände wird sich so wahrscheinlich nicht nochmal wiederholen. Aber ich war natürlich vermehrt im Wasser und kann berichten: Grundsätzlich sind wir immer noch Freunde.
In Frankfurt geht es für Sie um die Qualifikation für die WM im Oktober auf Hawaii, zudem wird der Europameister gekürt. Wie definieren Sie vor diesem Hintergrund Ihr Ziel für Sonntag?
In erster Linie möchte ich einen richtigen Wettkampf mit Positionswechseln und dem direkten Gegnerkontakt erleben. Wenn mir das gelingt, schaffe ich es unter die Top-Drei.
Welche Rolle könnte das Publikum spielen? Setzen Sie auf den Heimspiel-Effekt?
Ich hoffe, eine große! Wir reden im Triathlon immer noch von der Rückkehr zur Normalität. In anderen Ländern hatte ich nun schon „normale“ Rennen. Frankfurt wird mein erstes in Deutschland.
Das Gespräch führte Marco Rosbach
Neun Stunden live mit Sebastian Kienle
Jedes Ironman-Rennen hat seine Besonderheit, gleich bleibt lediglich die Distanz. In Frankfurt schwimmen die Athleten die 3,86 Kilometer im Langener Waldsee, ehe sie die 182,2 Rad-Kilometer in zwei Runden absolvieren, auf denen sie durch Teile Frankfurts und die Wetterau kommen. Beim abschließenden Marathon wird auf einer Runde entlang beider Seiten des Mainufers gelaufen, die viermal zu absolvieren ist, ehe es Richtung Ziel auf dem Römerberg geht.
Der Hessische Rundfunk (hr) überträgt den Ironman Frankfurt am Sonntag live. Ab 6.15 Uhr sind das hr-Fernsehen und der Stream (www.hessenschau.de) auf Sendung. Bis zum Nachmittag werden mehr als neun Stunden live gesendet. Als Experte sitzt Sebastian Kienle, Ironman-Weltmeister von 2014, mit am Mikrofon und kommentiert das EM-Rennen, das er selbst schon dreimal gewonnen hat. Ab 21.45 Uhr sendet der hr erneut live vom Römerberg und zeigt die Zieleinläufe der letzten Finisher sowie eine Zusammenfassung des Profi-Rennens. ros