Rheinland-Pfalz. Die rheinland-pfälzische SPD ist stolz auf ihre Geschlossenheit, ihre Solidarität untereinander. Das war auch bei dem jüngsten Parteitag in Mainz zu spüren. Kurt Beck erzielte mit 99,75 Prozent Zustimmung bei seiner Wahl zum Spitzenkandidaten den absoluten Höchstwert. Und Generalsekretärin Heike Raab? Auf Platz 8 der SPD-Landesliste für die Landtagswahl platziert, kassierte sie 59 Gegenstimmen – der Minusrekord beim Harmonie-Parteitag.
Nun könnte man einwenden, das sind immer noch 80 Prozent der Stimmen. Doch die 59-Nein-Voten musste sie mitten im Vorwahlkampf hinnehmen, in dem die SPD partout keine Angriffsfläche bieten will.
Die häufig rot gekleidete SPD-Frau erwischte schon öfter rabenschwarze Tage. Bereits bei ihrer erst Wahl zur Generalsekretärin im Juli 2006 kam sie auf magere 75,5 Prozent der Delegierten-Stimmen. Schon damals ging ein Raunen durch die SPD. 2008 wurde sie mit 71 Prozent im Amt bestätigt, im Juni 2010 beim Landesparteitag in Idar-Oberstein nur noch mit 64,2 Prozent. Heike Raab hat im Laufe ihrer Amtszeit offenbar an Rückhalt verloren.
Gibt es dafür handfeste Gründe? Wer in die rheinland-pfälzische SPD hineinhört, der stößt auf allerlei Gegrummel, was die Personalie Raab angeht. In ihrer Anfangszeit als Generalsekretärin sei die Landesgeschäftsstelle nicht optimal organisiert gewesen, heißt es da. Das soll sich aber unter dem neuen Geschäftsführer Stephan Wilhelm deutlich verbessert haben. Und dann sind da die großen Fußstapfen, die der frühere SPD-Generalssekretär und heutige Innen-Staatssekretär Roger Lewentz hinterlassen hat. Der Mann aus dem Rhein-Lahn-Kreis ist charmant, gewinnend, zielstrebig – jemand, dem in der SPD die Nachfolge von Kurt Beck zugetraut wird. Als Parteirats-Vorsitzender hält Lewentz viele Fäden in den Händen. Gegen ihn würde nahezu jeder abfallen, zumal er amtierte, als die SPD noch recht skandalfrei regierte.
Aber auch das erklärt nicht allein, warum Heike Raab im Landesverband zuweilen um Akzeptanz zu kämpfen hat. Es ist ihr Auftreten, das manche irritiert. Sie polarisiert und provoziert. „Viele halten sie für schnippisch. Ihr fehlt ein Stück Gelassenheit“, so ein SPD-Mann. Ein weiterer wirft ein: „Wo andere mit einer witzig-ironischen Bemerkung reagieren, beißt sie gleich zu.“ Oder: „Als Generalsekretärin muss sie natürlich auch vielen auf die Füße treten, das gefällt nicht jedem.“ Dennoch herrscht in der rheinland-pfälzischen SPD kein genereller Raab-Verdruss. „Sie ist bienenfleißig. Und eine echte Kämpferin“, erkennen viele an. Oder: „Für eine Frau ist es immer schwerer, in einem harten Amt wie dem der Generalsekretärin akzeptiert zu werden“, sagen andere. Generalsekretäre haben ohnehin einen schweren Stand. Sie dienen als Blitzableiter für die Unzufriedenen, weil man den Parteichef nicht beschädigen will.
Die Cochemerin gilt als effizient, kompetent und konfliktfreudig. Sie spricht mehrere Sprachen fließend, war persönliche Referentin von Rudolf Scharping, als dieser als Ministerpräsident und danach als SPD-Fraktionschef auf Bundesebene ein Hoffnungsträger seiner Partei war. Auch Ministerpräsident Beck hält große Stücke auf sie. Und SPD-Parlamentspräsident Joachim Mertes schimpft: „Ich finde es eine Sauerei, dass die, die über sie reden, ihr das nicht offen sagen.“
Überhaupt kommt einem beim Nachdenken über das SPD-Aushängeschild ein berühmter Satz des Lyrikers Rainer Maria Rilke in den Sinn: „Es gibt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter, denn jeder hat mehrere.“ In ihrer Heimat an der Mosel, einer CDU-Hochburg, genießt Heike Raab viel Respekt. Sie hat die örtliche SPD auf Vordermann gebracht, veranstaltet spannende Foren mit Querdenkern, gilt als offen und innovativ. Dort staunt man, was die Politikerin, Karnevalistin, Dauerläuferin, Ehefrau und Mutter von zwei kleinen Kindern alles auf die Reihe bekommt. „In ihrem Wahlkreis ist sie irre aktiv“, sagt jemand, der sie gut kennt.
Raab selbst weiß, dass sie sich mit ihren vielen Aufgaben und Rollen viel zumutet, vielleicht sogar manchmal zu viel. Denn sie sitzt nicht nur im Landtag, sondern auch noch im Cochem-Zeller Kreistag und sogar im Verbandsgemeinderat. Die Kritik an ihr stimmt sie nachdenklich. „Vielleicht sollte ich nicht nur das Arbeitstier sein, sondern mich öfter auch von meiner menschlichen Seite zeigen“, sagt sie. Ja, vielleicht sollte sie das.
Von unserem Redakteur Dietmar Brück