Mainz – Der FSV Mainz 05 dominiert mit 21 Punkten aus den ersten sieben Spielen die Bundesliga. Für den Manager des Tabellenführers wird aber der Zweitplatzierte am Ende den Titel holen. „Dortmund ist der Meisterschaftsfavorit Nummer eins„, sagte Christian Heidel nach dem Sieg von Jürgen Klopps BVB gegen die Bayern.
Sieben Spieltage sind absolviert, und die Bundesliga steht Kopf. Der FC Bayern München steckt tief in der Krise, verabschiedet sich mit seinen acht Pünktchen und fünf geschossenen Toren gedanklich schon mal von der Titelverteidigung. Dem FC Schalke 04 geht's als Vorletzter noch schlechter, so dass Nationaltorhüter Manuel Neuer erklärt, es mache ihm keinen Spaß mehr. Der VfB Stuttgart, ein weiteres hoch gehandeltes Team, ziert klagend das Tabellenende, Werder Bremen kommt nicht in die Gänge...
Und ganz vorne dominiert der FSV Mainz 05 mit sensationellen 21 Zählern die Liga fast nach Belieben. 13 Punkte vor den Bayern, 17 vor Schalke. „Manchmal, in einer ruhigen Minute“, sagt Christian Heidel, „fange ich einfach an zu lachen. Thomas Tuchel trifft es am besten, wenn er sagt: Es ist surreal.„ Skurril wird das Ganze durch den Hintergrund des Tabellenzweiten. Jürgen Klopp, Mainzer Legende mit etlichen Ex-05ern in seinem Trainerstab und diversen früheren 05-Profis am Start, kann als Einziger dem Spitzenreiter folgen, die Schlagzahl, die das Bruchweg-Team vorlegt, mitgehen. Borussia Dortmund hat sechs von sieben Spielen gewonnen und stürzte mit dem 2:0 am Sonntag vor über 80 000 begeisterten Zuschauern die Bayern derart ins Dilemma, dass deren Verantwortliche kurzerhand den traditionellen gemeinsamen Oktoberfestbesuch der Fußballer strichen und den Umgangston an der Säbener Straße verschärften.
Der 05-Manager war am Sonntag dabei im Signal-Iduna-Park, feierte anschließend ausgiebig ein Wiedersehen mit seinem Freund und Ex-Trainer und legte sich prompt fest. „Borussia Dortmund ist der Meisterschaftsfavorit Nummer eins. Die Bayern können den BVB nie mehr einholen“, behauptet Heidel. Klopp habe eine Klassemannschaft geformt. Mit fast ausschließlich jungen Leuten, die ähnlich wie die 05er draufgehen, pressen, doppeln, ein Höllentempo vorlegen. Die aber trotz ihrer Jugend noch einen Schritt weiter sind als die Bruchweg-Profis.
„Nach dem Bayern-Sieg war die Euphorie dort unglaublich. Ich habe Klopp ständig hochgenommen und gesagt, was feiert ihr denn da, ihr seid doch nur Zweiter„, erzählt der 47-Jährige.
„Kloppo ist aber schwer beeindruckt von uns. Er hat ja immer noch sehr, sehr viel Mainz im Herzen. Das spürt man einfach“, berichtet der 05-Manager, für den auf der Reise in den Ruhrpott die große Bühne aufging. „Ich bin ja wirklich oft in anderen Stadien, aber die Wahrnehmung, die man als Mainz 05 jetzt erfährt, ist völlig anders als je zuvor.„ Jeder spreche ihn an. Jeder wolle wissen, was in Mainz passiere. Alle Medienvertreter hätten ihn gedrängt, die Situation der Krisenklubs zu kommentieren. Doch das lehnte Heidel kategorisch ab. Das stehe ihm nicht zu.
„Viele verstehen aber auch langsam, dass wir gut Fußball spielen und nicht nur feiern.“ Er habe in der Pause Uli Hoeneß getroffen, der ihn gefragt habe, was seine Mannschaft denn da für einen Kram mache in der Liga. „Wir machen euch nervös„, habe seine Antwort gelautet, sagt Heidel. Es scheint so. „Irgendwie ist es aber schon verrückt. Die Dortmunder knapp hinter uns und dann lange Zeit nichts“, so der Mainzer Manager.
Das Schöne an der Situation: Es kann so weitergehen. Spätestens mit dem Erfolg am Bruchweg gegen die spielerisch, taktisch und läuferisch extrem starke TSG Hoffenheim haben die 05er auch den Zweiflern bewiesen, dass mit dem viel zitierten Einbruch nicht zu rechnen ist. Tuchels Team ist in der Lage, auf Spielstile, Mentalität und taktische Besonderheiten der Gegner zu reagieren und Lösungen zu finden. Die Mannschaft des Spitzenreiters wird möglicherweise nicht immer die richtigen Antworten im Spiel geben können und auch Begegnungen verlieren. Das ist normal und ängstigt in Mainz niemanden.
Die Ausbeute von hart erarbeiteten 21 Punkten, „die wird uns nie mehr einer nehmen„, sagt Heidel. 21 Zähler. Selbst wenn Tuchels Mannschaft von nun an eine durchwachsene Restvorrunde spielen würde (wofür es keinerlei Anzeichen gibt), wäre Mainz 05 für längere Zeit nicht aus der Spitzengruppe zu verdrängen. Und eines ist auch sicher. Die Partie des zehnten Spieltages, am Sonntag 31. Oktober (15.30 Uhr) am Bruchweg, wird das absolute Topspiel der Liga. „Das wird ein Highlight, wenn wir gegen Klopps Dortmunder spielen“, sagt Heidel – jetzt schon voller Vorfreude.
Jörg Schneider