Nach dem sechsten und letzten Versuch hatte sie ihre Freude herausgeschrien. Nicht wie die Harting-Brüder in besten Zeiten, aber so, dass es im für eine Jugend-DM viel zu stillen Rund des Heilbronner Frankenstadions doch auffiel. „Die ganze Last ist abgefallen“, erklärte die 18 Jahre alte Diskuswerferin der LG Bernkastel-Wittlich. Die körperliche Anspannung hatte sie auf ihren Diskus übertragen. Die mentale brach sich mit dem Schrei ihre Bahn. Mit Cochem-Zeller Kreisrekord von 47,02 Metern schaffte Hanna Kaiser bei den Unter-20-Jährigen ihren bisher wertvollsten vierten DM-Platz.
Die Anspannung war enorm gewesen für die Schülerin der IGS Zell. Mit 40,20 Metern im ersten Versuch war sie mehr schlecht als recht gestartet. Zum Glück kamen auch andere Werferinnen mit dem herrschenden Windverhältnissen zurecht. „Die Würfe und die Geschwindigkeit waren gut. Ich habe den Diskus aber zu steil angestellt, sodass er vom Himmel gefallen ist“, erklärte Hanna Kaiser ihren Fehler. Verbesserungen über 42,23 Meter auf 42,25 Meter waren nicht das, was sie sich erhofft hatte. Sie lag an achter Stelle, dem Platz, der drei weitere Versuche ermöglicht. Aber noch waren zwei hinter Kaiser liegende Werferinnen an der Reihe und hätten sie einholen können. Taten sie aber nicht.
„Als ich noch einmal drei Versuche hatte, ist es schon besser gelaufen“, erzählt Hanna Kaiser. 43,53 Meter im vierten Versuch bedeuteten zwischenzeitlich Platz sieben. „Beim sechsten Versuch habe ich mit nur gedacht, da lege ich jetzt alles rein“, erzählt sie. Und es passte alles: Drehgeschwindigkeit, Abwurfwinkel. „Ich habe sofort gewusst: Das ist er“, erzählt Hanna Kaiser, dass sie noch während der Flugphase ihres ein Kilogramm schweren Wurfgeräts wusste, dass das ihr bisher bester Wettkampfwurf war: 47,02 Meter. Im Leichtathletik-Verband Rheinland (LVR) warfen überhaupt erst drei Frauen weiter: Verbandsrekordlerin Lena Schallmo (TuS Kirn/50,44 Meter im Jahr 2015), Marion Maas (LG Loreley-Taunus/48,32 Meter, 1985) und Christine Dillmann (Koblenz/47,78 Meter, 1994). Also auch in der ewigen LVR-Bestenliste der vierte Platz für Hanna Kaiser. Genauso wie bei der Jugend-DM zum dritten Mal nach 2017 und 2019.
Diesmal waren Jule Gipmann (SV Viktoria Goch/50,65), Pia Northoff (TV Wattenscheid/49,73) und Meryem Gül (TV Norden/48,14) besser. Hanna Kaiser war aber Drittbeste des jüngeren U-20-Jahrgangs 2002. Nach diesem mental schwierigen Wettkampf kann sie sich aber über die „Holzmedaille“ freuen, wie manche Medaillengewinnerin über Edelmetall. „Es war eine komische Saison mit Corona“, sagt Hanna Kaiser. „Aber ich kann mich nicht beschweren. Ich habe mich gut durchgebissen und wurde mit einer Bestleistung beim Höhepunkt belohnt.“ Holger Teusch