Mainz
Gefangen in der Welt der Literatur

Autorin Britta Röder.

Bernd Eßling

Mainz - Britta Röder legt mit ihrem Debütroman "Die Buchwanderer" eine Liebesgeschichte vor, die all das enthält, was der Leser vom Genre erwartet. Allerdings nimmt das Buch schon nach wenigen Seiten eine unerwartete, fantastische Wendung.

Mainz – Ihr mädchenhaftes Lächeln, die Smaragdaugen, die Art, wie sie sich bewegt ... Ron ist hingerissen von der jungen Frau, die er versehentlich in der Straßenbahn anrempelt.

Er muss sie kennen lernen. Mit klopfendem Herzen folgt er ihr bis in die städtische Bibliothek, bis in die schmalen Schluchten aus Büchern, wo sie plötzlich spurlos verschwindet. Zurück bleibt nur ein schmaler Band am Boden: William Shakespeares „Romeo und Julia“.

Britta Röder legt mit ihrem Debütroman „Die Buchwanderer“ eine Liebesgeschichte vor, die all das enthält, was der Leser vom Genre erwartet: Sehnsucht, Herzschmerz, bebende Lippen, alles ist drin. Allerdings nimmt das Buch schon nach wenigen Seiten eine unerwartete, fantastische Wendung.

Ron findet sich in der Welt von „Romeo und Julia“ wieder. Er steht auf einer Piazza, seine Kleidung entspricht ganz dem Geschmack der Zeit, und er bekommt hautnah mit, wie sich zwei verfeindete Veroneser Familien beharken. Hier wird er auch Rosalia treffen: Die grünäugige Schöne aus der Bahn ist eine der Figuren des Dramas.

„Ich hatte ein Grundidee: Ich wollte eine Geschichte schreiben, in der sich die Gestalten durch Bücher bewegen, und es sollte eine Liebesgeschichte sein.“ Röder sitzt in einem Mainzer Café und freut sich, wieder mal in der Stadt zu sein. „Seit zehn Jahren bin ich nicht mehr durch die Straßen hier gegangen“, meint sie. 1967 in Trier geboren, wuchs sie in Mainz auf. Sie besuchte die Grundschule auf dem Lerchenberg und das Gutenberg-Gymnasium, dann studierte sie an der Mainzer Uni Romanistik, Slavistik und Geschichte. Heute lebt Röder im südhessischen Riedstadt.

„Eigentlich schreibe ich schon immer irgendwie. Aber der Anspruch, wirklich richtig zu schreiben, entwickelte sich erst während des Studiums.“ Dann dauerte es noch mal eine ganze Weile, bis sie ein Manuskript zur Veröffentlichung bereit fand. Das war vor zwei Jahren. Ein Jahr schrieb sie an ihrem Debüt. „Ich habe eine achtjährige Tochter und arbeite bei einem Verlag für Fachzeitschriften in Frankfurt. Wenn Sie da nicht diszipliniert sind, kriegen Sie nichts gebacken.“ Röder hat einiges gebacken gekriegt.

Ron folgt Rosalia durch drei Werke der Weltliteratur. Nachdem er die Geliebte in „Romeo und Julia“ verloren hat, findet er sie in Alexander Puschkins „Eugen Onegin“ wieder und folgt ihr im Finale auf den Spuren von Miguel de Cervantes' „Don Quijotes“ durch die heiße Mancha. Wie Realität und Literatur genau zusammenhängen, erfährt der Leser erst nach und nach. Es warten einige Überraschungen auf dem Weg. Aber nicht nur der Plot des „Buchwanderers“ kommt originell daher, auch der Erzählstil Röders hat etwas Eigenes.

Er wirkt auf angenehme Art altmodisch. „Die Sprache älterer Bücher ist oft facettenreicher“, erzählt die Autorin. „Ich entdecke da Worte, die toll klingen, und frage mich: Warum benutzt die keiner mehr? Das färbt vielleicht ab.“ Am Ende des Schreibprozesses stand ein aufregender Roman, der allerdings noch veröffentlicht werden musste. „Ich habe ein Jahr gesucht, dann habe ich einen kleinen Verlag gefunden, ein Glücksfall.“ Denn sie traf auf eine Lektorin, die sich detailliert mit dem Text auseinander setzte. „Ich erfuhr zum Beispiel, dass es im 16. Jahrhundert noch keine Streichhölzer gab und keine Blumen bei Beerdigungen zu ,Don Quijotes' Zeiten.“ Nicht nur ein sorgfältiges Lektorat, auch eine ansprechende Aufmachung zeichnen den Roman nun aus – ganz abgesehen vom Inhalt.

„Die Buchwanderer“ handelt von Menschen, die sich in ihrer Welt gefangen fühlen, die vereinsamen und sich machtlos wähnen. Dem gegenüber stehen die Figuren der Klassiker, die auf ähnliche Weise in die literarische Welt eingespannt sind.

Röders Protagonisten gelingt der Ausbruch aus diesem Korsett. „Das war auch beim Schreiben so. Rosalia ist mir richtig aus dem Ruder gelaufen.“ So gelang ihr mit Rosalia eine starke Frauengestalt, die den Roman abrundet.

Nun muss sich das Buch nur noch verkaufen. Die Mittel des kleinen Verlags sind begrenzt, deswegen kümmert sich Röder selbst um Leser, Lesungen und Journalisten. „Es ist schon ein komisches Gefühl, den eigenen Roman zu promoten“, gibt sie zu. Hoffentlich gelingt es ihr. „Die Buchwanderer“ verdient viele Leser. Gerd Blase

Britta Röder: „Die Buchwanderer“, 210 S., 13,90 Euro