Ein alltäglicher Fall: Zwei Nachbarn streiten sich über zu hohe Hecken oder Grillmief. Der Streit eskaliert, die Nachbarn beleidigen und bedrohen einander. Es kommt zur Anzeige und zur Gerichtsverhandlung. Das Miteinander danach wird schwierig. Das muss nicht sein.
Cochem-Zell – Es ist Sommer und es ist heiß in der Kreisstadt. Kinder spielen in einem Garten mit dem Wasserschlauch und – schwups – erwischen sie die ältere Dame auf dem Nachbargrundstück. Es kommt zum Streit, es fällt eine Ohrfeige, der Fall endet fast vor Gericht.
Aber eben nur fast. Denn bei Auseinandersetzungen wie diesen müssen in Rheinland-Pfalz seit knapp zwei Jahren zunächst sogenannte Schiedspersonen angerufen werden. Im Kreis Cochem-Zell zum Beispiel gibt es 13 dieser Ehrenbeamten, die versuchen, „kleine“ Streitigkeiten außergerichtlich zu lösen. Rudolf Stauf ist einer von ihnen. Der 60-Jährige aus Cochem, der als Kommunalbeamter für die Verbandsgemeinde Remagen arbeitet, wurde jetzt zum Schiedsmann für die Stadt ernannt.
Schiedsleute wie ihn gibt es zwar schon lange. Im Jahr 2008 hat das rheinland-pfälzische Justizministerium allerdings das sogenannte Streitschlichtungsverfahren eingeführt. Das heißt, in Bagatellsachen müssen die Parteien zwingend vor den Schlichter – und dürfen erst dann vor den Richter, wenn sie sich auf diesem Weg nicht einigen können.
Die Gerichte sollten so entlastet werden. Das Justizministerium bewertet das Modell landesweit als Erfolg: Die Schiedspersonen in Rheinland-Pfalz bearbeiteten insgesamt 871 zivilrechtliche Schlichtungsverfahren. In knapp der Hälfte der Fälle wurde laut den Angaben aus dem Mainzer Ministerium eine außergerichtliche Einigung erzielt.
Die Bilanz im Verwaltungsbereich des Cochemer Amtsgerichts fällt durchwachsener aus. Leiterin Maya Darscheid liegen zwar keine konkreten Zahlen vor. Aber: „Schiedsverfahren werden deutlich weniger nachgefragt, als wir uns das erhoffen“, sagt sie. Der Grund ist laut Einschätzung der Juristin ganz einfach: „Die Menschen wissen viel zu wenig darüber.“ Dabei, so Darscheid, ermögliche die Schlichtung „maßgeschneiderte Lösungen, mit der alle Beteiligten zufrieden sind“. Und ein solches Verfahren sei denkbar günstig: Die Gebühr für eine Güteverhandlung beträgt 10 Euro und verdoppelt sich, wenn ein Vergleich zustande kommt.
Angerufen werden dürfen die Schiedsleute übrigens nicht nur bei Nachbarschaftsstreitigkeiten. In bestimmten Fällen müssen sie auch bei Strafsachen aktiv werden, etwa im Falle eines Hausfriedensbruchs, bei Drohungen oder Körperverletzung. In all diesen Fällen erhebt die Staatsanwaltschaft nämlich nur dann Anklage, wenn sie ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung erkennt. Ist das nicht der Fall, müssen Geschädigte den Weg der Privatklage beschreiten, was wiederum nur möglich ist, wenn beide Parteien versucht haben, sich vorab außergerichtlich zu einigen. Der Ablauf eines Schiedsverfahrens sowohl bei Zivil- als auch bei Strafverfahren ist stets gleich: Nachdem das Schiedsverfahren beantragt worden ist, haben beide Parteien bei einem gemeinsamen Termin mit dem Schiedsmann oder der Schiedsfrau die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Die Schiedsperson muss dann versuchen, eine Einigung zu erzielen, mit der beide Seiten leben können. Sofern dies gelingt, wird ein Vergleich geschlossen.
Rudolf Stauf sind diese Abläufe nicht unbekannt: Fast 20 Jahre war er schon stellvertretender Schiedsmann in Cochem und als solcher bei dem einen oder anderen Verfahren dabei. Sein Rezept für eine erfolgreiche Schlichtung: „Oft muss man den Leuten nur richtig zuhören, dann kommen sie schon selbst auf eine Lösung.“
Angela Kauer