Mainz – Als Innenminister Roger Lewentz (SPD) der CDU-Fraktion polternd „allerbilligste Polemik“ vorwirft, kocht die Stimmung im Saal. Es geht um die Frage nach früheren Pädophilie-Befürwortern bei den Grünen – und je lauter es unten im Plenum wird, desto deutlicher wird die gespannte Ruhe auf den 80 Sitzplätzen der Besuchertribüne. Mit seinen Mitschülern sitzt auch David Stein dort.
Von unserem Reporter Alexander Hoffmann
Der junge Mann ist erstaunt: „Ich hatte gedacht, dass einer redet und der Rest zuhört. Von wegen.“ Die Debattenkultur scheint die Landtagsgäste am meisten zu irritieren – und manche sagen offen, dass sie damit nicht einverstanden sind.
David besucht die Berufsbildende Schule Wirtschaft in Koblenz. Mit 34 Mitschülern ist er nach Mainz gekommen. Der 18-Jährige lauschte zuvor auch konzentriert, als es im Plenum zuvor um Gentechnik bei Lebensmitteln ging. „Davon halte ich nicht viel. Meine Mutter achtet darauf, dass wir Biolebensmittel zu Hause haben.“ David findet das Thema komplex, ist aber froh, einmal im Landtag zu sein. Politisch aktiv ist er nicht, und die Bundespolitik findet er spannender.
„Dass da unten so viel Trubel ist, hätte ich nicht gedacht“, sagt er und zeigt auf die Abgeordneten. Zwischenapplaus findet David in Ordnung – und ihm gefällt auch, dass nicht jeder immer dem Beispiel seiner Fraktion folgt: „Die Abgeordneten haben ihre eigene Meinung, das ist okay, wenn sie die auch zeigen.“ Dass immer wieder Parlamentarier auf ihre Handys schauen, aufstehen, durch den Saal laufen und am Rande der Debatte Gespräche führen, irritiert nicht nur David. Auch Bernhard Gies wundert sich. „Mein erster Eindruck: Es hört hier keiner dem anderen zu“, sagt der Trierer.
Als die CDU mehr Geld für Sprachkurse fordert, um Kindern mit Migrationshintergrund in der Schule den Start zu erleichtern, freut sich Gies (73). Dabei ist er vor Kurzem in die SPD eingetreten. „Mir ist wichtig, was hier bei uns passiert“, sagt er. Deswegen verfolgt der Mediziner im Ruhestand die Landespolitik regelmäßig.
„Aber diese unwahrscheinliche Unruhe, die im Saal herrscht, stört mich“, klagt Gies. Illusionen macht der Trierer sich aber nicht: „Das ist sicher überall so, auch im Stadtrat habe ich das schon beobachtet.“
Als der Grüne Ulrich Steinbach der CDU-Fraktion beim Thema Beamtenbesoldung Schizophrenie vorwirft, steigt wieder mal der Lärmpegel im Saal. Auf der Tribüne bleibt Gies regungslos: „Ruhig und sachlich, so sollte die Debatte sein“, sagt er später.