Koblenz
Fürst zu Sayn: Region trägt Schuld am Seilbahn-Fiasko

Der Erhalt der Seilbahn in Koblenz könnte das gesamte Mittelrheintal den Welterbe-Titel kosten.

Thorsten Kolb

Koblenz - Koblenz verliert seine Seilbahn. Wie ein Blitz schlug diese Nachricht ein. Aus heiterem Himmel? Nein. Das Schreckensszenario war eigentlich für alle, die wie ich dieses neue Verkehrsmittel zur Festung bereits mit Freude genutzt hatten, abzusehen. Was schmerzt, ist die mangelnde Vorbereitung der Öffentlichkeit darauf und, viel schlimmer, die Erkenntnis, dass man jetzt, wenige Tage vor der Tagung des Welterbe-Komitees, keinen Plan B aus der Tasche ziehen kann - weil es ihn nicht gibt.

Koblenz – Koblenz verliert seine Seilbahn. Wie ein Blitz schlug diese Nachricht ein. Aus heiterem Himmel? Nein. Das Schreckensszenario war eigentlich für alle, die wie ich dieses neue Verkehrsmittel zur Festung bereits mit Freude genutzt hatten, abzusehen. Was schmerzt, ist die mangelnde Vorbereitung der Öffentlichkeit darauf und, viel schlimmer, die Erkenntnis, dass man jetzt, wenige Tage vor der Tagung des Welterbe-Komitees, keinen Plan B aus der Tasche ziehen kann – weil es ihn nicht gibt.

Von Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn

Blicken wir zurück. Das Mittelrheintal mit Loreley, Burgen, Weinbergen, mittelalterlichen Städten, Kirchtürmen, Stromschnellen und Wanderwegen mit herrlichen Ausblicken gehört zweifelsfrei zu den romantischsten Flusslandschaften der Welt. Dieses Tal auf die Liste des Unesco-Welterbes zu hieven, war ein Anliegen, das unsere Landesregierung mit Nachdruck und Ausdauer betrieben hat, unterstützt von den Bürgern, den Behörden und Ämtern und den Vertretern der Wirtschaft und des Fremdenverkehrs. Als die Unesco schließlich nach endlos scheinender Prüfung zu dem Oberen Mittelrhein Ja sagte, war die Freude riesig groß.

Zu sehr auf die wirtschaftlichen Vorteile geschaut

Und hier beginnt das Versäumnis. Zu sehr hatte jeder auf die wirtschaftlichen Vorteile dieser Auszeichnung geschaut, auf die sprudelnden Welterbe-Gelder zwischen Bingen und Koblenz, die ohne dieses Prädikat nie so reichlich geflossen wären.

Den Menschen im Welterbe-Gebiet war zu wenig bewusst geworden, dass es primär um den Schutz eines kulturellen und landschaftlichen Erbes von Weltrang ging. Dieser wurde von der Unesco erbeten – trotz der großen Schwächen des Tals, allen voran der unerträglichen Lärmbelästigung durch die Bahn.

Dann kam sehr plötzlich die Bundesgartenschau nach Koblenz und mit ihr die Seilbahn zur Erschließung des Teilbereichs oben auf der Festung. Aus Zeitgründen beantragte man eine Trassierung, die ohne Zweifel einen ernsten Eingriff in das Rheinufer darstellte. Mit der Talstation entstand Architektur von schlichter Qualität, dominant und störend unmittelbar neben St. Kastor, dem geschichtlich wertvollsten Gebäude der Stadt. Sie beeinträchtigt den Blick auf eine wundervoll gestaltete romanische Apsis und unterbricht die mit Platanen bestückte, ebenfalls hochwertige Rheinpromenade zwischen Schloss und Deutschem Eck.

All das gehört zu dem Besten, was Koblenz noch zu bieten hat nach den Zerstörungen des letzten Krieges. Deswegen lieben wir Koblenz, und deswegen kommen Hunderttausende jedes Jahr in diese Stadt.

Die Talstation aber ist eine offene Wunde, die schnell wieder verheilen sollte. So müssen es die Verhandlungsführer wohl auch gesehen haben, die der Unesco den Rückbau der Seilbahn bis spätestens 2014 verbindlich zusagten. Wenn nicht, wäre man unehrlich gewesen. Es ist also das gute Recht der Unesco, jetzt an diesen Vertrag zu erinnern. Pacta sunt servanda.

Zweifelsfrei hat der Betrieb der Seilbahn gezeigt, dass diese für die Erschließung der Festung eminent wichtig ist. Auch für den Tourismus entwickelte sie sich zu einer herausragenden Attraktion. Und letztendlich rechtfertigen nur viele Besucher die Investition von 50 Millionen Euro Steuergeldern dort oben.

Es sieht so aus, als hätten die Verantwortlichen vier Jahre lang versäumt, auf das abzusehende Ende der Betriebsgenehmigung hin zu planen. Man ging unrealistisch davon aus, dass die Unesco den mit klaren Kriterien unterlegten Vertrag aufgeben würde oder zu einer Verlängerung bereit wäre. Hätte man nicht längst ernsthaft und mit Volldampf an einem Plan B arbeiten müssen? Wenn man bereits heute der Unesco eine in wenigen Jahren realisierbare Alternativtrasse für die Seilbahn vorlegen könnte, die „welterbefreundlicher“ wäre, hätte man bessere Karten gehabt, eine Prolongation des Vertrages um einen überschaubaren Zeitraum zu erreichen. Den Scherbenhaufen, vor dem wir heute stehen, hat das Welterbe-Komitee nicht zu verantworten.

Respekt vor einer international geachteten Institution wahren

Wir sollten vermeiden, diese international geachtete Einrichtung, die, demokratisch legitimiert, weltweit gegen kulturelle Ignoranz und die Zerstörung erhaltenswerter Güter kämpft, gering zu schätzen. Die Schuld an dem Schlamassel liegt hier bei uns.

Statt jetzt dem gesamten Oberen Mittelrheintal mit dem Entzug des Welterbe-Prädikats zu schaden, sollten alle, die hier Einfluss haben und Verantwortung tragen, offen und respektvoll gemeinsam mit der Unesco an einer Lösung arbeiten, die langfristig eine angemessene Erschließung der Festung garantiert und gleichzeitig den besonderen kulturellen und landschaftlichen Wert des Koblenzer Rheinufers erhält. Nachfolgende Generationen werden uns dafür danken.