Westerwald Extra (Sammlung der Sonderseiten)
Für viele ist der Kinderwunsch immer noch ein Tabuthema: Womit Betroffene zu kämpfen haben
Hand in Hand auf dem Weg zum lang ersehnten Kind: Viele Paare wünschen sich Nachwuchs – doch manchmal klappt es einfach nicht. Die Kinderwunschsprechstunde von Donum Vitae steht Paaren in dieser schwierigen Lebenssituation bei. Foto: Nitz Fotografie
Nitz Fotografie

Die Schwangerschaftskonfliktberatung Donum Vitae hilft seit 16 Jahren Frauen in Notsituationen. Dabei geht die staatlich anerkannte Beratungsstelle mit der Zeit und greift auch Tabuthemen auf.

Aktualisiert am 06. Juni 2018 15:23 Uhr

Hand in Hand auf dem Weg zum lang ersehnten Kind: Viele Paare wünschen sich Nachwuchs – doch manchmal klappt es einfach nicht. Die Kinderwunschsprechstunde von Donum Vitae steht Paaren in dieser schwierigen Lebenssituation bei. Foto: Nitz Fotografie
Nitz Fotografie

Die Schwangerschaftskonfliktberatung Donum Vitae Westerwald/Rhein-Lahn geht mit neuen Beratungsangeboten in die Offensive. Die staatlich anerkannte Beratungsstelle hat es sich bislang vornehmlich zur Aufgabe gemacht, Frauen in Not, insbesondere ungewollt schwangeren Frauen, zu helfen, sie eingehend zu beraten und über die breite Palette von Hilfsangeboten zu informieren. Seit 2015 steht der Verein mit der Kinderwunschsprechstunde Paaren zur Seite, die ungewollt kinderlos sind und sich über die Chancen und Risiken einer reproduktionsmedizinischen Behandlung informieren möchten. Auch psychische und emotionale Belastungen werden in der Beratung aufgearbeitet. Wir haben darüber mit der Diplom-Sozialpädagogin Heike Hartkorn gesprochen.

Warum bietet Donum Vitae neben der Konfliktberatung ausgerechnet eine Kinderwunschsprechstunde an?

Wir wollen mit dem Angebot einer psychosozialen Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch bewusst mit der Zeit gehen und orientieren uns an den Bedürfnissen unserer Klienten. Donum Vitae reagiert mit dem Thema auf die geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Unerfüllter Kinderwunsch – das ist ein wichtiges Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, auch für Menschen in unserer Gegend. Leider ist es bisher immer noch ein Tabuthema. Ganz viele Paare trauen sich kaum, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen, dass sie eben nicht so leicht Mutter oder Vater werden können, wie viele in unserer Gesellschaft es voraussetzen.

Woran liegt das?

Die veränderte Arbeitswelt und die neue Definition der Geschlechterrollen tragen dazu bei, dass Frauen und Männer immer älter werden, bis sie zum ersten Mal versuchen, Eltern zu werden. Der Durchschnitt der Erstgebärenden hat sich dramatisch verändert und liegt zurzeit bei etwa 32 Jahren in Deutschland. Erst wenn die Ausbildung beendet ist und erste Schritte im Berufsleben gemacht sind, das Häuschen gebaut und die Zukunft finanziell abgesichert ist, sagen viele Paare Ja zum Kind. Doch dann klappt es nicht immer direkt.

Weil die biologische Uhr tickt?

Ja, so ist es. Wenn sich auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändern, hat sich noch lange nicht die Biologie des Menschen verändert. Die höchste Fruchtbarkeitsquote liegt bei Frauen um das 25. Lebensjahr und nimmt danach schon wieder etwas ab. Das Alter der Männer kann ebenso Auswirkungen auf die Samenqualität haben. Ungewollte Kinderlosigkeit trifft aber auch Menschen, die schon in jungen Jahren erkranken, etwa an Krebs oder an Infektionskrankheiten. Für sie ist die künstliche Befruchtung bis hin zur Samenspende eine echte Alternative für ein Leben mit einem Kind.

Die psychosoziale Kinderwunschberatung wurde 2017 in zehn Fällen von Frauen oder Paaren aufgesucht. Wie erleben Sie die Ratsuchenden?

Die Paare, die seit 2015 zu uns kommen, sind sehr verzweifelt. Die Frauen stehen unter einem enormen Zeitdruck, in dem vorgegebenen biologischen Zeitfenster Mutter zu werden. Ungewollte Kinderlosigkeit trifft viele Paare ganz unerwartet. Die Vorstellungen über die eigene Person können dadurch ins Wanken geraten. Viele stellen sich infrage, spüren die Grenzen der individuellen Lebensplanung, kämpfen mit Gefühlen wie Hoffnungslosigkeit, Trauer, Schuld, Hilflosigkeit oder Neid. Die Kinderlosigkeit ist mit großem seelischen Leid verbunden, an dem auch viele Partnerschaften zerbrechen. Paare, die sich zur künstlichen Befruchtung entschließen, haben einen genau getakteten Zeitplan, nach dem sie Sex haben. Wir begleiten Paare bei der Achterbahn der Gefühle, bei vorübergehenden Schwierigkeiten im Bereich der Sexualität und helfen, die Partnerschaft und die Kommunikation zu stabilisieren.

Wie kann Donum Vitae helfen?

Eingebettet in ein Netzwerk aus Fachkliniken und Frauenärzten, können wir wichtige medizinische Ansprechpartner für kinderlose Paare vermitteln. Eine Kinderwunschbehandlung braucht oft Zeit und klappt nicht immer. Untersuchungen zeigen, dass von zwölf Paaren, die den Weg der In-vitro-Befruchtung gehen, zehn Paare bis zum Embryotransfer in den Mutterleib kommen, aber lediglich drei Frauen schwanger werden, und in nur zwei Fällen ein Baby zur Welt bringen. Wir können Paaren nicht zum Kind verhelfen. Wir können sie jedoch seelisch auf dem Weg begleiten. Und wir können helfen, den eigenen Fahrplan für die Behandlung aufzustellen, und über die Kostenbeteiligung der Krankenkasse sowie rechtliche Fragen informieren.

Und wie sieht Plan B aus?

Wenn eine Kinderwunschbehandlung scheitert oder eine Frau eine Fehlgeburt hat, ist die Trauer groß. Dies reicht oft bis hin zur Depression. Viele Paare müssen sich von einem Lebenstraum verabschieden. Hier gilt es, gemeinsam mit dem Partner eine neue Lebensplanung zu definieren. Viele Betroffene engagieren sich sozial, beginnen eine neue Ausbildung oder lassen alte Hobbys wieder aufleben. Wir zeigen auch Alternativen wie etwa die Adoption eines Kindes auf. Wir arbeiten dann in diesen Fällen beispielsweise mit der Adoptionsvermittlungsstelle des Westerwaldkreises zusammen.

Das Gespräch führte Stephanie Kühr