Sevket A. im Prozess. Er war nicht in Untersuchungshaft geschickt worden, weil die Behörden nicht erwarteten, dass er sich absetzt. Foto: dpa
Von unserem Redakteur Hartmut Wagner
Er vergewaltigte eine 16-Jährige, zahlte ihrem Vater dafür 40 Euro: Doch der Sextäter Sevket A. (67) – einer der Täter des Missbrauchsdramas von Fluterschen (Kreis Altenkirchen) – kommt möglicherweise nie hinter Gitter. Der frühere Dönerbudenchef aus Altenkirchen lebt seit drei Jahren auf der Flucht. Das Landgericht Koblenz verurteilte ihn 2011 zu drei Jahren und zehn Monaten Haft. Er hätte sich am 7. November 2011 in einem Gefängnis melden und seine Haft antreten müssen. Aber: Das tat er nie. Die internationale Kriminalpolizei Interpol fahndet nach ihm. Bisher erfolglos.
Im Gerichtssaal vermummte sich Sevket A. bis zur Unkenntlichkeit, trug eine dunkle Sonnenbrille, zog seine Kapuze bis zur Nase. Er wollte unbedingt verhindern, dass einer der Fotografen ihn unmaskiert fotografiert. Möglicherweise plante er schon damals seine Flucht.
Der Sextäter legte im Prozess ein Geständnis ab. „Ich bedauere es außerordentlich“, ließ er seine Anwältin erklären. Mehr nicht, nur diese dürren Worte. Das Gericht verurteilte ihn, seinem Opfer 4000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Doch laut dessen Anwältin Sandra Buhr zahlte er nie einen Cent.
Das Missbrauchsdrama von Fluterschen sorgte 2011 bundesweit für Entsetzen: Haupttäter war Detlef S., in Anlehnung an den weltweit bekannt gewordenen erschütternden Missbrauchsfall von Amstetten in Österreich war bald die Rede vom “deutschen Fritzl". Das Landgericht Koblenz verurteilte ihn zu 14,5 Jahren Haft und Sicherungsverwahrung. Er zeugte mit seiner Stieftochter acht Kinder, verübte 162 Missbrauchstaten an seiner Tochter, seiner Stieftochter und seinem Stiefsohn. Überdies zwang er seine Töchter zur Prostitution, einer der Freier war Sevket A.
Detlev S. wurde 2011 zu mehr als 14 Jahren Gefängnis und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Er hatte zugegeben, seine Tochter, eine Stieftochter und deren Zwillingsbruder missbraucht zu haben. Beide Töchter verkaufte er zudem für Sex an Männer, mit der Stieftochter zeugte er acht Kinder.
2009 fuhr Detlef S. seine Tochter (16) jeden Morgen zu einer Berufsbildungsmaßnahme. Bevor er sie dort absetzte, brachte er sie an fünf Tagen zu Sevket A. Der hatte im Keller seines Dönerladens Sex mit ihr. Bei der ersten Tat wehrte sie sich. Bei den vier Folgetaten ließ sie es geschehen. Ihr Vater sah zu, rauchte eine Zigarette und kassierte rund 40 Euro.
Sevket A. ist Familienvater, wohnte bis 2011 in Nordrhein-Westfalen. Als das Missbrauchsdrama bekannt wurde, kam er im Gegensatz zu Detlef S. nicht in Untersuchungshaft. Er blieb auf freiem Fuß. Die Staatsanwaltschaft ging offenbar davon aus, dass keine Fluchtgefahr besteht.
Der Sextäter steht auf der Fahndungsliste von Interpol, kann festgenommen werden, wenn sein Ausweis in einem der 190 Interpol-Staaten bei einer Polizeikontrolle mit der Fahndungsliste abgeglichen wird – etwa am Flughafen oder bei einer Verkehrsunfall.
Rechtsanwältin Sandra Buhr vertrat die junge Frau, die von ihrem Vater missbraucht und an andere Männer verkauft wurde. "So etwas Ekelhaftes kannte ich bisher nicht.", sagte sie. Sevket A., einer der Männer, die ihre Mandantin missbrauchten, hatte 4000 Euro Schmerzensgeld zahlen wollen. Das Geld kam nie, und er setzte sich ab.
Sevket A. ist Türke, möglicherweise tauchte er in seiner Heimat unter. Die Türkei liefert ihre Staatsangehörigen zwar nicht aus. Aber auch wenn bekannt wird, dass der Flüchtige sich dort aufhält, kann er laut Rolf Wissen, dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Koblenz, hinter Gitter kommen. Einerseits kann die Türkei bei der Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens gegen den Sextäter anfordern – und dann ein eigenes Verfahren einleiten. Andererseits kann die Staatsanwaltschaft, sobald sie weiß, dass sich der Flüchtige in der Türkei aufhält, deren Behörden ersuchen, ihn festzunehmen und die Haftstrafe zu vollstrecken.
Wenn Sevket A. irgendwann doch noch gefasst wird, muss er drei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis – nicht länger. Denn seine Flucht, der Nichtantritt seiner Haft, ist keine Straftat.