VG Bad Sobernheim
FDP am Boden: Wundenlecken nach „Muttis" Triumph
Stimmenauszählung im Wahllokal Bad Sobernheimer Rathaus: Die beiden Stadtratsmänner Harald Groh (SPD, links) und Emil Hößler (FWG) kippten die Urne aus; rechts Barbara Lehné und Eva Schug. Auch Demokratie funktioniert ohne Ehrenamtliche nicht. In der Stadt gab es am Sonntag erstmals acht statt zehn Wahllokale. Auf den Wahlbenachrichtigungen war die Änderung samt zuständigem Wahllokal vermerkt. Für den 22. September 2013 ist festzuhalten: alles gut gelaufen, keine Unregelmäßigkeiten, keine Probleme. Allein zu einer Briefwahlunterlage gab es eine kurze Nachfrage, doch die konnte rasch beantwortet werden. All das spricht für eine gute Vorbereitung des Rathausteams.
Bernd Hey

VG Bad Sobernheim - Schwarzer Tag für die rund 30 FDP-Getreuen in Stadt und Verbandsgemeinde Bad Sobernheim.

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Dass ihre Liberalen am Sonntag nach über 64 Jahren aus dem Bundestag geflogen sind, lässt die „Motivation schon ein wenig einknicken“, gesteht Elmar Schauß (Monzingen), Vorsitzender des kleinen Amtsverbandes, denn auch gern ein. Bereits nach den ersten Prognosen habe er „schwarzgesehen“. Wie wahr: Die CDU fuhr 41,5 Prozent ein – und der gesamte FDP-Bundesvorstand trat gestern zurück.

Das Wahlergebnis erfahren hat auch Schauß am Sonntagabend im Monzinger Rathaus, dem Wahllokal der Gemeinde. Der Schwung von 2009, als die FDP 14,6 Prozent einfuhr, habe diesmal gefehlt. Der 67-jährige Rainer Brüderle, Spitzenkandidat der FDP, sei nach seinen Stürzen und Verletzungen die Leichtigkeit abgegangen. „Die Leichtigkeit, die wir gerade von ihm kennen“, sagt Schauß. „Er war doch sehr angeschlagen.“

Und weil der inhaltliche Vermittler fehlte, gab es gleich das nächste Problem: Bundespolitisch habe die CDU die FDP erdrückt, niemand habe mehr richtig gewusst, wofür die FDP stehe, welchen Anteil sie an der Politik der schwarz-gelben Bundesregierung hatte. Und warum dann eine solche Partei wählen?

Ist die FDP auch bundespolitisch im Niedergang, kommunalpolitisch sieht Schauß sie stabil. „Ich habe den Eindruck, dass die Leute mit uns und unserer Arbeit hier vor Ort zufrieden sind.“ Weil sie Partei und Mensch nicht gleichsetzen.

Was er sich nun wünscht, ist ein Neuanfang auf Bundesebene. Mit neuen Leuten, neuen Gesichtern. Immer wieder genannt: Christian Lindner aus Nordrhein-Westfalen. Ja, der werde sicher künftig eine wichtige Rolle in der FDP spielen; aber auch nicht allein.

Ein Name, der Schauß einfällt, wenn er an den Neubeginn denkt, ist Otto Fricke. Der 47-Jährige stamme ebenfalls aus Lindners Landesverband, habe vier Jahre dem Haushaltsausschuss des Bundes vorgesessen, sei ein kluger Kopf und rhetorisch gewandt. Allerdings, schränkt Schauß ein, allein das „Prinzip Boygroup“ bringe es auch nicht. „Die Mischung aus jungen und erfahrenen Politikern mache es am Ende aus.“ Das habe ja schon zum Tandem Brüderle/Rösler geführt. Schade, dass die Liberalen jetzt im Bund keine Rolle mehr spielten. Dabei brauche es auch für die Menschen, die sich dem liberalen Gedankengut verpflichtet sähen, ein Sprachrohr, ein Forum, so Schauß weiter. Zwar würde er nie die Grünen wählen, bekräftigte der Amtsverbandsvorsitzende, „wenn sie aber weg wären, würde ich das auch bedauern“. Eben weil dann, wie im Falle der FDP, ein Steinchen im Mosaik der politischen Willensbildung und Meinungsäußerung fehle. Stefan Munzlinger

Rudi Hill gab als Letzter seine Stimme ab

Bad Sobernheim – Es blieb am Wahlabend ruhig in der Stadt wie nie zuvor: Bundestagswahl eben. Die eigentlichen Wahlpartys begannen erst nach 19 Uhr.

Die Partys waren nach Aussagen von Teilnehmern eher „Wundenlecken nach Merkel-Wahl“, als sich die SPD-Fraktion im City-Treff bei Ernst Endres und die Grünen im „Bella Italia“ bei Clemente Perrotta trafen.

Vom Kuschelkurs der Kanzlerin war da die Rede, und dass dem Wähler durch positive Wirtschaftsdaten in der Bundesrepublik an einem Wechsel nicht gelegen war. Als Letzter gab im Sobernheimer Rathaus gegen 17.48 Uhr Rudi Hill seine Stimmen ab. Scherzhaft meinten einige auf den Fluren nach der ersten Hochrechnung, ob die Auszählung überhaupt noch Sinn ergebe. Gegen 18.15 Uhr verließ Christdemokrat Axel Hill die Stadt Richtung CDU-Wahlparty nach Waldböckelheim. Zu diesem Zeitpunkt hatte in der Felkestadt niemand Antje Lezius als Überfliegerin gegen „FRK“ gedanklich auf der Liste. Im Gegenteil: Alle Befragten in der Stadt, bei Ernst Endres und in der Pizzeria, rechneten damit, dass der Rehborner das Direktmandat holt: Erste Stimme Fritz Rudolf Körper, Zweitstimme der CDU, um Rot-Rot-Grün zu verhindern, dies war auch einhelliger Tenor im Rathaus. „Never change a winning team“, sagte VHS-Leiterin Simone Kehl zur Beliebtheit von „Angie“ und „starken Frauen“ in der Union. Natürlich gelte es, an Stellschrauben zu drehen, sich den Herausforderungen zu stellen, und sie nannte Beispiele: Vor 30 Jahren habe die Wohnung ein Siebtel des Nettoeinkommens gekostet, heute ein Drittel bis zur Hälfte, und auch die Bezahlung bei Leih- und Zeitarbeit sei vielfach nicht okay.

Wegen der Konstellation im Bundesrat lief sehr früh in der Felkestadt alles auf eine große Koalition von CDU und SPD hinaus. Und die FDP? Ihr habe die Leihstimmenkampagne geschadet. Außer Christian Lindner und Wolfgang Kubicki hätten die Liberalen keine Persönlichkeiten. Nach 18 Uhr trudelten bei Sachbearbeiterin Simone Schmidt im Rathaus noch Briefwahlstimmen aus den Gemeinden ein, VG-Büroleiter Rainer Link nahm nacheinander aus Rehbach, Langenthal, Entenpfuhl, Winterburg, Auen, Steinhardt, Ippenschied und Bärweiler die ersten Endergebnisse an.

Positiv blieb die Bundestagswahl bei den Grünen-Wahlhelferinnen Barbara Lehné und Eva Schug im Gedächtnis. Sie waren von der hohen Wahlbeteiligung, von Wählern mit Migrationshintergrund und vor allem von vielen jungen Leuten, die wählten, positiv überrascht – „uns ist um die Demokratie nicht bange“. Bernd Hey