Westerwaldkreis – Viele Menschen im Westerwaldkreis setzen sich dafür ein, dass die Familie Dodo, die vergangene Woche nach Polen abgeschoben werden sollte (wir berichteten), weiter in Wirges leben kann. Das Verwaltungsgericht Trier entscheidet am 2. April, ob der Asylantrag der syrischen Familie in Deutschland bearbeitet werden muss. Unsere Zeitung hat die Dodos eine Woche vor dem Prozesstermin besucht.
Idris Dodo (34) würde mit seiner Frau Shirin Idesh (32) und den drei Kindern gerne in seiner Heimat leben – wenn sie denn eine hätten. „Wir haben kein Land“, klagt der Familienvater. In Syrien seien sie schon vor dem Bürgerkrieg als kurdische Minderheit verfolgt worden. Seit 2008 versucht der gelernte Autoschlosser deshalb, in Deutschland Asyl zu bekommen. Doch die Unternehmung wird zu einer wahren Odyssee, die seine Frau an die Grenzen ihrer nervlichen Belastbarkeit bringen. Sie wird seit dem letzten Abschiebeversuch im Krankenhaus behandelt.
Zur Unterstützung sind deshalb Bruder Zakaria und die Eltern aus Bonn angereist. Zakaria Dodo wurde bereits vor 15 Jahren als Asylbewerber anerkannt und arbeitet als Taxifahrer. Die Eltern schafften vor sechs Monaten den Weg nach Deutschland und haben Aufenthaltsrecht, so lange der Bürgerkrieg in Syrien andauert.
Gemeinsam mit seinem Bruder schildert Idris Dodo die Ereignisse der vergangenen fünf Jahre wie folgt: 2008 reist die Familie erstmals mit Hilfe von Schleusern über Weißrussland und Polen nach Deutschland ein. Der Asylantrag wird in Deutschland 2009 abgelehnt, weil laut EU-Recht Polen für die Bearbeitung zuständig war. Zwei Mal wird die Familie nach Polen abgeschoben, wo die Lebensbedingungen ungleich härter waren. Einmal gelingt ihnen die Rückkehr in den Westerwald, nach dem zweiten Mal reisen sie nach Syrien zurück. Nach einigen Jahren im Ausland wird Idris Dodo dort nach seinen Angaben im Februar 2011 vom Geheimdienst wegen angeblichen „Verrats“ verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Im Mai darauf kann er bei einem Aufstand die Flucht zu seinem Cousin und dem Rest der Familie fliehen. Im September 2011 gelingt den Dodos über die Türkei erneut die Einreise nach Deutschland, wo sie einen neuen Asylantrag stellen.
Dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dennoch in diesem Jahr erneut die Abschiebung nach Polen angeordnet hat, war nach Meinung des Kölner Anwalts der Familie, Wim Mischok, nicht in Ordnung. Kommende Woche will er die Odyssee der Dodos vor dem Verwaltungsgericht beweisen. In den vergangenen beiden Jahren hat sich die Familie in Wirges weitgehend integriert. Der elfjährige Schiyar spricht gut deutsch, seine ein Jahr ältere Schwester könnte bald die Förderschule verlassen. Die Kleinste fühlt sich im Kindergarten wohl. Als die Polizei die Familie am 19. März erneut abholen wollte, war der elfjährige Schiyar so geschockt, dass er floh und erst am Abend wieder auftauchte. Die Mutter erlitt einen Schwächeanfall. Der Polizeitransport mit dem Vater und seinen vier und zwölf Jahre alten Töchtern war schon in Leipzig, als das Verwaltungsgericht das Verfahren auf Intervention des Anwalts stoppte. Idris Dodo musste mit den Kindern mit dem Zug zurückfahren.
Laut Landrat Achim Schwickert ist der Westerwaldkreis in der Angelegenheit lediglich „ausführende Behörde“. Dennoch kritisiert Zakaria Dodo die Umgang der Ausländerbehörde mit der Familie seines Bruders. Das sei er in Bonn anders gewohnt. Dort sei die Behörde hilfsbereiter und vermittle auch mit dem Bundesamt. Kürzlich habe seine Mutter (64), die hier nur geduldet sei, eine Einladung zu einem integrativen Sprachkurs erhalten: „Das spricht doch für sich.“
Eine Privatinitiative sammelt inzwischen auch Unterschriften unter dem Motto „Familie Dodo soll im Westerwald bleiben dürfen!“ und bietet sie zum Downlaod an. Auf der Facebook-Seite der Westerwälder Zeitung schreibt eine der Initatorinnen, Vera Apel-Jösch: „Recht und Gerechtigkeit ist nicht dasselbe. Wir brauchen ein menschlicheres Ausländer- und Asylrecht.“aj
Von unserem Redakteur Andreas Jöckel
- Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist in Deutschland ein Grundrecht. Ausländer, welche über einen Staat der Europäischen Union oder einen sonstigen sicheren Drittstaat einreisen, können sich aber nicht auf das Asylrecht berufen. Abschiebungsgegner verweisen auf mögliche Behördenfehler, die fatale Folgen für die Betroffenen haben können.