Männerfeindlichkeit ist für den Männerforscher Walter Hollstein genauso wenig vertretbar wie Frauenfeindlichkeit. Der Autor des Buchs „Was vom Manne übrigblieb“ (Aufbau-Verlag) beobachtet eine neue Bewegung, die für Gleichberechtigung kämpft. Das Interview mit dem Experten:
Braucht die Welt einen Weltmännertag?
Ja. Der Weltfrauentag ist ja auch ein wichtiger Tag, und da sind wir schon gleich beim Problem. Der Weltfrauentag wird immer stark wahrgenommen. Beim Weltmännertag ist das nicht der Fall, obwohl die Männer es heute sogar ein Stück nötiger hätten, dass auf sie aufmerksam gemacht wird.
Warum denn?
Frauenthemen zu diskutieren, ist durch die Frauenbewegung und den Feminismus schon ganz normal geworden. Das ist historisch auch in Ordnung. Die Fehlleistung aber ist, dass Probleme, die Männer und Jungen haben, einfach ignoriert wurden. Das hat man alles hinter der Etikette des starken Geschlechts versteckt.
Warum gehen Männer sie nicht an?
Das tun sie. Es gab jetzt den ersten Internationalen Anti-Feminismus-Tag in Zürich. Das war schon eine historische Zäsur. Es war das erste Mal, dass Männergruppen aufgetreten sind, um Männeranliegen zu artikulieren und gleichzeitig auch sehr aggressiv den Feminismus anzugreifen. Da entsteht jetzt ein reaktionäres Sammelbecken. Feministische Fundamentalisten gibt es seit geraumer Zeit, aber jetzt gibt es auch die Männer-Fundis. Und wenn die anfangen, sich mit den Feministinnen noch deutlicher zu bekriegen, habe ich da kein gutes Gefühl.
Ihr Buch heißt „Was vom Manne übrigblieb“. Das klingt so, hätte man den Männern etwas weggenommen.
Ich zeige auf, dass es einen historischen Prozess gegeben hat, indem sich das Männerbild verändert hat – auch durch die Veränderung von Produktionsprozessen in der Arbeitswelt. Was früher an klassischen Eigenschaften Männern zugeordnet worden ist, Kraft und Pioniergeist, ist überflüssig geworden. Dazu kommt, dass ein Vulgär-Feminismus wie ihn Alice Schwarzer und andere vertreten die Männer in Grund und Boden gestampft und kein gutes Haar mehr an ihnen gelassen hat. Die amerikanische Feministin Andrea Dworkin hat ja rundheraus erklärt: Männer bestehen eigentlich nur aus Terror. Ich denke, Männerfeindlichkeit ist genauso wenig statthaft wie Frauenfeindlichkeit.
Wie soll der Mann denn sein?
Die Frauenrolle hat sich um Qualitäten wie Selbstverwirklichung und Durchsetzungsvermögen erweitert, die früher als männlich galten. Frauen spielen inzwischen auf dem Arbeitsmarkt und in der Politik eine ganz wichtige Rolle. Um es pauschal zu sagen: Frauen sind aus den Binnenwelten in die Außenwelten vorgestoßen. Das bedingt natürlich, dass bei Männern die Gegenrichtung einsetzen muss. Männer müssen sich einfach bei der Hausarbeit und bei der Kindererziehung engagieren. Und Männer dürfen nicht mehr Gefühle und alles, was mit der Psyche zu tun hat, an Frauen delegieren. Sie müssen selbstverantwortlich sein.
Das wäre für alle Seiten einfacher.
Ja sicher. Die Männerbewegung, aus der ich auch komme, hat ein solches Männerbild schon 1970 bei der Eröffnung des ersten Männerzentrums in Kalifornien propagiert. Wir haben gesagt: Die Männerrolle muss vermenschlicht werden, sie muss um Eigenschaften wie Empathie und Fürsorglichkeit, erweitert werden.
Warum hat das bisher nicht funktioniert?
Man hat gerade in Deutschland seit Jahren ausschließlich Mädchen- und Frauenförderung unterstützt. Die Männer sind vielleicht zu wenig für ihre Rechte und Bedürfnisse eingetreten. Aber in erster Linie ist es ein Vorwurf an die Gleichstellungspolitik. Sie nennt sich so, ist aber ausschließlich Frauenpolitik.
Welches Signal sollte vom Männertag ausgehen?
Einerseits, dass Männer mehr über sich selbst nachdenken. Andererseits, dass Institutionen und Politik die Bedürfnisse von Männern auch zur Kenntnis nehmen.
Das Gespräch führte Rena Lehmann