Die für den vom KSV Bad Kreuznach startende Funk hatte mit einiger Spannung der EM entgegengeblickt. Die kontinentalen Titelkämpfe fühlen sich für sie wie eine Wundertüte an: „Wir hatten seit 2019 keinen internationalen Wettkampf mehr. Das ist sehr lange her. Wir werden sehen, was passiert.“ Ihre Zielsetzung für die EM formuliert die 29-Jährige so: „Ich möchte mit meiner eigenen Leistung zufrieden sein.“
Zur eigenen Zufriedenheit trägt auf jeden Fall bei, wieder Wettkampfluft zu schnuppern. „International wird auf einem anderen Niveau als national gefahren, das ist klar. Deshalb tut es gut, sich in Wettkämpfen endlich wieder mit der europäischen Konkurrenz messen zu können“, erklärt die KSV-Kanutin.
Und die europäische Konkurrenz ist komplett nach Italien gereist, keine Spitzensportlerin kann es sich leisten, eine der wenigen Wettkampfmöglichkeiten auszulassen. Das bedeutet auch, dass Funk, die sich bereits 2019 das einzige deutsche Ticket für die Olympischen Spiele gesichert hat, auf einige Kontrahentinnen trifft, die auch am 27. Juli in Tokio an der Startlinie stehen werden. Funk: „Natürlich schaue ich genau hin, wie die Olympiastarterinnen in Form sind, aber für einen aussagekräftigen Quervergleich ist es aus meiner Sicht noch ein wenig zu früh.“
Zumal sich die Bedingungen unterscheiden. Während in Tokio wie auf den meisten bekannten Strecken auf einem Kanal mit Plastikelementen gefahren wird, ist die Strecke in Ivrea natürlicher gebaut. Steine sind für die Wellen und Strömungen verantwortlich. „Darauf musste ich mich erst ein wenig einstellen. Mittlerweile klappt das aber gut“, sagte Funk nach den ersten Trainingsfahrten. Sie gehört der Sportfördergruppe München an und konnte sich dank der Unterstützung der Bundeswehr optimal auf die Olympia-Saison vorbereiten. „Auf die Bundeswehr ist immer Verlass, sie ist ein vertrauenswürdiger Partner“, betont die Bad Breisigerin, die bereits seit vergangener Woche in Italien weilt, um die Begebenheiten zu verinnerlichen. „Der Charakter des Kanals unterscheidet sich einen Tick von anderen Strecken, der Kurs ist aber trotzdem sehr anspruchsvoll“, urteilt sie. Auch in Italien herrschen weitreichende Corona-Maßnahmen, so werden alle EM-Teilnehmer in kurzen Abständen getestet. Natürlich hatte es zu ihrem Anspruch gehört, die Qualifikation am Donnerstag zu überstehen. Was auch geklappt hat. „Ich war ja auch zuversichtlich, dass das klappt, zumal nach dem Modus 20 plus 10 gefahren wird“, sagt sie und ergänzt: Wäre wie sonst bei Europameisterschaften nach dem Modus 15 plus 5 gefahren worden, wäre das schon ein harter Brocken gewesen.“
Zur Erklärung: Die Europameisterschaft gilt als Qualifikation für die Olympischen Spiele, die letzten Tokio-Tickets werden vergeben. Deshalb wird nach den Regeln des Weltverbandes und nicht des europäischen Verbandes gefahren. Und somit qualifizierten sich im ersten Vorlauf die besten 20 Fahrerinnen, darunter eben auch die Bad Breisigerin. Alle anderen mussten danach in einen zweiten Lauf, aus dem sich zehn weitere Kajak-Spezialistinnen für den Endlauf qualifizierten. Bei einer „normalen“ EM kommen nur 15 Frauen direkt weiter, fünf weitere über den Hoffnungslauf.
Eng getaktet geht es in Ivrea weiter: Am heutigen Freitag folgt das Teamrennen, und am Samstag stehen die Einzelentscheidungen an. Ab dem Halbfinale ist dann in einem hochwertigen Feld, in dem eine Torstabberührung oder ein kleiner Fahrfehler den Ausschlag geben kann, alles möglich, wie Funk aus eigener Erfahrung weiß. 2014 in Wien und 2018 in Prag passte alles, und sie wurde Einzel-Europameisterin. Aller guten Dinge sind doch bekanntlich drei.