Bad Ems – Spektakuläre Arbeiten an der senkrechten Felswand Bäderlei mitten in Bad Ems sorgen für großen Medienauflauf in der Kurstadt.
Passanten bleiben am Ufer der Lahn stehen, denn die orangefarbenen Arbeiterwesten sind auch aus der Ferne wunderbar zu erkennen: Ein Trupp von Hanghöhenarbeitern schiebt sich immer weiter in den Steilhang der Bäderlei. Die Männer klettern in die Auffangnetze, laufen zu Seilen, die schlapp am Fels herunterhängen, und klettern an ihre Positionen. Dort warten sie auf den Helikopter, der jeden Moment über den Bergrücken schweben wird.
Mit dem Helikoptereinsatz gehen die Felssicherungsarbeiten an der Bäderlei nun in die entscheidende Phase: Wochenlang war der Hang auf dieses Projekt vorbereitet worden. Arbeiter hatten bis zu acht Meter tiefe Löcher in die Felswand gebohrt, um Anker für Zaunstützen zu bauen. Nun werden endlich die Materialen für den Sicherungszaun per Helikopter angeflogen und zehn Stützen aus der Luft direkt auf die vorbereiteten Ankerplatten gesetzt.
Während die Arbeiter im Steilhang warten, klettert Siegfried Lange auf dem Bergrücken in seinen Helikopter. Der Pilot zieht die kleine Tür zu, setzt die Kopfhörer auf und schmeißt den Motor an. Immer schneller schlagen die Rotorblätter, dann hebt der 58-Jährige ab. Nach 35 Jahren im Geschäft darf man ihn durchaus als echten Profi bezeichnen. Dennoch fordert ihn diese Aufgabe heraus: „Ich muss den Hubschrauber zentimetergenau steuern, damit ich die Hangarbeiter nicht mit der Last erschlage. Die Stützen müssen genau auf den Ankerplatten im Fels aufsetzen.“
Rückblick: Im Mai 2009 hatte sich ein sechs Meter langer und zwei mal zwei Meter dicker Felsbrocken aus der Bäderlei gelöst und war in drei Wohnhäuser gestürzt. Die vorhandenen Hangzäune hatten gegen den Brocken nichts ausrichten können. Er hatte sie einfach übersprungen. Da war klar: Der Hang muss stärker gesichert werden. Doch erst im Juni 2010 – ein Jahr nach dem Felssturz –, konnte mit den Vorbereitungsbauarbeiten begonnen werden: Fragen der Zuständigkeit und der finanziellen Lastenverteilung hatten die Planungen für das Sicherungsprojekt hinausgezögert. Als dies alles regelt war, durften sich die Arbeiter den Hang vornehmen.
Während Pilot Siegfried Lange seinen Hubschrauber immer wieder über den Bergrücken gen Steilhang lenkt, beobachtet Peter Dupp neugierig das Geschehen aus einer ganz anderen Perspektive. Sein Haus steht nämlich ebenfalls an der Felswand, und die Terrassen seines Gartens schmiegen sich an den Berg, sodass er nah am Geschehen ist. „Das erlebt man ja nicht jeden Tag“, sagt er zu einer Nachbarin. Diese verfolgt mit wachen Augen, dass einige Medienleute auf einmal durch Dupps Garten zum Hang laufen. „Wann kann ich die Filme denn sehen?“, ruft sie den Filmteams zu.
Die Kameras laufen heiß an diesem Tag, denn zu sehen gibt es genug: Die Rotorblätter setzen eine enorme Energie frei. Der Wind streift durch die raue Felsvegetation. Gräser und Farne zittern, die Arbeiter versuchen, in ihren Positionen zu verharren. „Zwei Meter runter“, ruft der Polier per Funkgerät in die Hubschrauberkabine. Siegfried Lange folgt der Anweisung, die er über seinen Kopfhörer empfängt. Es ist ein Balanceakt sondergleichen, den er meistern muss: „Am schwierigsten ist es, den Hubschrauber still zu halten“, erzählt er dem Projektleiter später in der Mittagspause. Er beschreibt die Kunst des Helikopterfliegens so: „Stellen Sie sich eine fußballgroße Kugel vor, und versuchen sie, oben drauf eine kleine Kugel zu legen, die sie mit dem Zeigefinger in Position halten.“ Ein Eiertanz.
Eigentlich hätte Siegfried Lange an diesem Tag gar nicht in Bad Ems, sondern irgendwo in seiner Heimat nahe Potsdam fliegen und wie so oft Mittel- und Hochspannungsleitungen aus der Luft kontrollieren sollen. Doch der Pilotenkollege aus der Region wurde für einen anderen Einsatz benötigt.
So erlebt der Potsdamer Pilot nach 35 Jahren zum ersten Mal, was es bedeutet, den Helikopter an einem Steilhang zu fliegen. Eine Böe, ein falscher Ruck, und der Heli knallt gegen den Felsen. „Man muss sich stark konzentrieren und ganz ruhig fliegen.“ Doch ohne die Männer im Hang würde auch er keinen guten Job machen, da ist er sich sicher: „Das ist ein Topteam im Fels. Die weisen mich sehr genau ein, packen die Ladung richtig fest und sicher an. Außerdem haben sie ein riesiges Vertrauen in mich“, erklärt er.
Mehr als 80 Mal wird Siegfried Lange in diesen Tagen Material über die Bad Emser Bäderlei fliegen. Das ist dann fast schon wie das Fliegen in der Heimat. (Katrin Steinert)