Oeffentlicher Anzeiger Kirn
Ehrenamtsinitiative mit immer neuen Facetten
Wieder volles Haus bei der Projektewerkstatt: Ich bin dabei. Im Gesellschaftshaus wurde eifrik diskutiert. Hier stellt Marketing-Experte Henrik Brötzmann die Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit vor.

Kirn -  Die zunehmende Vernetzung der Gruppen innerhalb der Ehrenamtsinitiative "Ich bin dabei" bildet eine tragfähige Grundlage für vielfältige Aufgbaben

Lesezeit 4 Minuten

Wer hätte das gedacht? Das Ehrenamtsprojekt der Ministerpräsidentin, „Ich bin dabei“, hat vor allem in der Region Kirn voll eingeschlagen. Die Verbandsgemeinde übernahm vor knapp drei Jahren die Vorreiterrolle, die Stadt folgte in der dritten Staffel. Im Gesellschaftshaus tagten am Dienstag in der vierten Auflage die Projektgruppen der Stadt Kirn und überzeugten und überraschten den Landesbeauftragten Bernhard Nacke aufs Neue: Da stecke so viel Potenzial drin, und da würden jedes Mal so viele weitere Initiativen angestoßen. Nacke freut sich auch, dass die Verbandsgemeinde (wie kurz berichtet) eine weitere Projektwerkstatt im Spätherbst starten will. Da verspreche man sich einiges, denn nach dem offiziellen Abschluss der ersten Runde 2013 kamen immer wieder neue Initiativen in den Gemeinden zustande.

Damals übte man sich in Kirn noch in Zurückhaltung. Mit dem Start zum Jahresbeginn wurde aber klar: Auch in Kirn geht was. Dabei ist die Resonanz auf die verschiedenen Angebote höchst unterschiedlich. Die mit Abstand größte Initiativgruppe hat sich in Kirn-Sulzbach gebildet. „Das ist praktisch ein Neustart des Sulzbacher Dorflebens“, lobt Erster Beigeordneter Peter Wilhelm Dröscher, der die Projektewerkstatt moderierte. Und passend dazu luden die Sulzbacher alle Teilnehmer anschließend zum Grillen ein. Ein gutes Beispiel, wie’s funktionieren kann. Aber auch sogenannte (bislang noch) Einzelkämpfer können Großes in Gang bringen. So war Moderator Jürgen Simon im Rückblick auf die Projektwerkstatt vor allem beeindruckt von Monika Rockenbachs Initiative auf dem Kallenfelser Friedhof. Dort war 2014 Pflegenotstand, sie packte an (wir berichteten), brachte Wege in Ordnung, übernahm den Heckenschnitt und schlug die Einrichtung eines Urnengrabfeldes vor. Das wurde nun schon einige Wochen später mit geringen Mitteln vom Friedhofsamt zur Freude der Initiatorin umgesetzt. Dass sie für ihre Arbeit aber auch Kritik einstecken musste, habe sie anfangs irritiert, gibt sie im Gespräch mit unserer Zeitung zu. Aber der Zuspruch vor allem auch von Bürgermeister Martin Kilian und den „Ich-bin-dabei“-Mitstreitern hat das mehr als wettgemacht.

Es läuft nicht immer alles rund von ganz allein. Das ist bei Premieren kein Wunder. So hat die Projektgruppe, die sich mit dem Sichten und Neubearbeiten von städtischem Archivmaterial beschäftigt, die Tücken der Technik zu umschiffen. 169 Tonträger auf Kassetten wurden schon durchgehört. Und dann gibt es noch Tonbandspulen, für die derzeit (noch) kein kompatibles altes Bandgerät verfügbar ist.

Nicht so einfach wie erhofft ist es auch bei der Kirn-Sulzbacher Gruppe, die gern einen Zugang zur Nahe eröffnet hätte. Da bauen sich hohe Hürden auf, Grundstücksfragen sind offen. Bei anderen Projekten läuft es dafür umso unkomplizierter: Das Café international, das aus der ökumenischen Flüchtlingshilfe entstand ist, läuft zweimal im Monat recht gut. Auch die Gerbhaus-Initiative in dem einzigen in Kirn noch erhaltenen historischen „Lederhaus“ kommt ins Rollen (wir berichten noch). Märchenerzähler, Mentorengruppe, Blumenschmuck, Seniorenhilfe, Stadtgeschichte – da hat man teils Bedarf an Mitstreitern.

Die Vernetzung der Gruppen über die Stadtgrenze hinaus kann und soll über eine intensivierte Öffentlichkeitsarbeit erfolgen. „Tue Gutes und rede darüber“, bringt es Hendrik Brötzmann auf den Punkt, der seit einem halben Jahr in Kirn für Stadtmarketing mit zuständig ist. Er informierte die rund 40 Projektmitarbeiter über eine optimierte Öffentlichkeit über die Internetseite der Stadt und das Amtsblatt. Gern veröffentliche man auf der Homepage auch Bilder: „Damit die Leute sehen können, was Sie machen!“

Natürlich nehme man eine Endkontrolle vor, sagt Hauptamtsleiterin Melanie Jung. Bei der Debatte über die Möglichkeiten des Amtsblattes kam nebenbei heraus, dass längst nicht alle regelmäßig diese Information zur Verfügung haben. Bürgermeister Martin Kilian versprach Abhilfe. Radio, Facebook, Infostände, Flyer, Schaukasten, Mundpropaganda, Infostände, TV – alles das sind neben der Tageszeitung Möglichkeiten, auf das Wirken der Initiative hinzuweisen und weitere Mitstreiter zu finden. Wichtig sei außerdem, bestehende Gruppen und Initiativen mit einzubeziehen. Das wurde beim „Brainstorming“ zum Ausklang vorgeschlagen. Verlinken, Vernetzen, Synergieeffekte suchen, Sponsoren einbringen. Das gelang etwa beim Gerbhaus mit Farben- und Tapetenspenden.

Unterm Strich zogen die Moderatoren wieder eine positive Bilanz, freuen sich auf den nächsten Workshop am 17. Oktober. Da soll wieder konkret gearbeitet werden: Geldbeschaffung, Mitgliederwerbung sollen im Vordergrund stehen. Weniger Selbstdarstellung, weniger „Blabla“, die ersten zehn Minuten zum Nörgeln weglassen. So wurde es auf den „Wunschkarten“ frech, fromm und frei formuliert. Armin Seibert

Kommentar

So hat es sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer sicher gewünscht: Mitmachen und einbringen ist die Devise beim Ehrenamtsprojekt „Ich bin dabei“. Hinter vorgehaltener Hand wird noch viel zu viel genörgelt nach dem Motto: „Man müsste, man könnte“. Im Kirner Raum ist das nicht der Fall. In den umliegenden Gemeinden ist und war das Ehrenamt, wie es Bürgermeister Werner Müller gern formuliert, stets das „Rückgrat des Hauptamts“. So hatte er sich vor drei Jahren getraut, als eine von sechs Pilotgemeinden der Initiative „Ich bin dabei“ an den Start zu gehen. Mit starken Ergebnissen. Zum Beispiel in Oberhausen. Da sorgte die „Rentnerband“ für die Initialzündung der Dorfverschönerung, bei der auch die Jungen mitmachen. Auch in Nachbargemeinden wie Hennweiler und Hahnenbach tut sich was. In fast allen Gemeinden hat das Ehrenamt neuen Schwung erhalten.

In der Stadt Kirn hielt man das anfangs für schwierig. Jetzt ist hier der Start geglückt. Nicht überall so glatt und vielversprechend wie beim Sulzbacher Treff um Norbert Görner. Aber viele versteckte Talente werden sicher noch geweckt. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der gewaltigen Herausforderung etwa bei der Betreuung und Integration von Flüchtlingen sind gut vernetzte Ehrenamtsinitiativen Gold wert. Das wird sich auch bei der spätestens in vier Jahren anstehenden Fusion von Stadt und Verbandsgemeinde auswirken.

Dass Kirn mit Stadt und VG gleich zwei von bislang landesweit 16 Kommunen stellt, beschert der Region einen Sonderstatus. Das beweist: Die Menschen hier lieben ihre Heimat und tun etwas dafür. Ob damit Bevölkerungsrückgang und Landflucht zu verhindern ist, weiß niemand. Aber für die lebens- und liebenswerte Heimat einzustehen und sich zu engagieren, ist allemal besser, als in die seit 20 Jahren zu hörenden Unkenrufe einzustimmen. „Ich bin dabei“ hat den Nerv getroffen und verdient noch mehr Mitstreiter. Die zweite Projektwerkstatt in der VG Kirn-Land zeigt in die richtige Richtung: positive Regionalentwicklung, statt den Traum von blühenden Landschaften kampflos aufzugeben.