Mainz
Drei Männer ziehen auf dem Traktor gen England

Konrad Meier, Hans-Peter Boland und Karl Georgen (von links) machen ihr Gefährt englandtauglich. Mit 300 Flaschen guten Weines werden sich die drei aufmachen, das Land der Queen zu erobern. In London dürften sie für einiges Aufsehen sorgen.

Harry Braun

Mainz - In der englischen Partnerstadt Watford wird eine Mainzer Delegation erwartet. Die sieht aber anders aus, als die üblichen Honoratiorengruppen.

Hechtsheim – Führt Sie Ihr Urlaub nach London? Dann könnte es sein, dass Ihnen auf der Towerbridge ein Traktor entgegenkommt. Und der ist garantiert aus Mainz, genauer gesagt aus Hechtsheim. Denn die britischen Behörden haben in dieser Saison nur einem landwirtschaftlichen Schlepper die Genehmigung für eine Fahrt auf der legendären Brücke erteilt.

Hans-Peter Bohland, Karl Georgen und Konrad Meier heißen die Piloten des Systemschleppers aus der Fabrik des Traktorspezialisten Fendt.

Das wuchtige Gefährt verrichtet dieser Tage noch seine Dienste bei der Getreideernte. Doch am 31. Juli wird es ernst. Punkt 11.11 Uhr startet die Expedition vom Weingut Karthäuserhof aus. Standesgemäß zu den Klängen der Burggrafengarde Weisenau und unter Ehrerbietung diverser Honoratioren des Großen Rates des CCW.

Karthäuserhof-Chef Konrad Meier war es, der die Idee von der Traktorentour zur Insel vorangetrieben hat. Zu seinem 60. Geburtstag sollte es schon etwas Besonderes geben. Und da fiel ihm eine alte Idee seines Freundes Hans Krämer ein. Der hatte einst von einer Treckerfahrt nach Südfrankreich geschwärmt.

Doch die gut 1000 Kilometer an die Mittelmeerküste erschienen Meier dann doch zu viel. 700 Kilometer Richtung Britannien würden es auch tun als Geburtstagstour.

Zumal er und sein Bruder Hubert, beide betreiben das Weingut unter dem passenden Titel „Die Zwei„, beste Kontakte in die Partnerstadt Watford haben. Seitdem die beiden vor drei Jahren beim damaligen Watforder Bürgermeister Norman Thyrwhitt eine Verkostung mit Hechtsheimer Weinen veranstaltet haben, stehen sie beim einstigen Lord Mayor und seiner Gemahlin ganz hoch im Kurs. „Die beiden haben schon gefragt, wann wir endlich kommen“, meint Meier augenzwinkernd.

Deshalb werden sie auch jetzt wieder rund 300 Flaschen Riesling, Silvaner, Rosé und andere Köstlichkeiten im Gepäck haben. Der Termin für eine Weinprobe im Watforder Golfclub ist schon ausgemacht: Am 4. August werden die Kreszensen gereicht.

„Mit unserem Besuch wollen wir natürlich auch der Partnerschaft zwischen beiden Städten neue Impulse verleihen„, sagt der Winzer. „Mainz ist bei den Engländern unheimlich populär. Und unseren Wein wissen sie ohnehin zu schätzen.“

Zweiter Höhepunkt der Reise soll ein Besuch beim legendären Autohersteller Morgan sein. Das Traditionsunternehmen baut in Great Malvern seit 1910 Nobelkarossen, teilweise noch mit Holzausstattung.

„Wer weiß, wie lange es diese Art von Autos noch gibt„, meint Konrad Meier nicht zu Unrecht. Und so wird der Hechtsheimer Schlepper auch bei Morgan vorfahren. Der Reiseplan ist bereits detailliert ausgetüftelt. Von Mainz aus geht es mit Traktor und angehängtem Wohnwagen quer durch den Hunsrück Richtung Trier, dann durch die Ardennen nach Belgien und von dort zur Fähre im nordfranzösischen Calais. Alles über Landstraße.

40 Kilometer will das Traktoren-Trio in der Stunde zurücklegen. „Das ist wie in der Kutsche“, sagt Meier. „Eine ganz andere Art des Reisens, bei der wir auch Land und Leute ganz anders wahrnehmen werden.„

Dabei gilt die Devise: In der Ruhe liegt die Kraft. Wo es ihnen gefällt, wollen Meier, Bohland und Georgen anhalten. „Es wird bestimmt Landwirte geben, die uns auf ihrem Hof einen Abstellplatz zuweisen“, sind sich die drei sicher. „Bezahlt wird dann in Naturalien„, sagt Maier und hebt eine Flasche Riesling hervor. „Gerade die Briten mit ihrem skurrilem Humor werden uns gerne unterstützen.“

Doch auch bei der Englandtour gilt: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Die Abende verbringen die Männer vornehmlich damit, ihr Gefährt für die große Fahrt flott zu machen.

Sich nur in den Schlepper zu setzen und losfahren, ist zu einfach. Bohland, Georgen und Meier rüsten ihr grünes Expeditionsmobil mit einer Zusatzkabine hinter dem Führerstand mit Direktanbindung ans Cockpit aus.

So sind die drei Reisenden ständig zusammen. Und vorne wird eine spezielle Box für den Wein installiert.

Damit die Engländer auch wissen, um welch hochkarätige Delegation es sich handelt, wird der Traktor noch mit einem Hinweisschild ausstaffiert: „Der erste Mainzer Weinkönig besucht die Queen.„ Dieser Anspruch ist durchaus nicht zu hoch gegriffen. Ist doch Karl Georgen in der Tat der erste gewählte Weinkönig auf Mainzer Boden – zumindest auf der Bühne der Spaßtheatergruppe „Die Prosackos“.

Nicht nur das Hechtsheimer Trio der Unerschrockenen macht sich um die britisch-deutsche Völkerverständigung verdient. Herbert Egner vom Freundeskreis Mainz-Watford hat im Vorfeld die Kontakte geknüpft.

Und die Englisch-Lehrerin Sandra Altenkirch hat bei der City of London telefonisch die Sondergenehmigung für die Towerbridge-Fahrt eingeholt und auch den Besuch in den Morgan-Autowerken klar gemacht.

Damit während der dreiwöchigen Exkursion der landwirtschaftliche Betrieb weiterlaufen kann, stellt die Raíffeisen-Landtechnik einen Leihschlepper zur Verfügung. Bei so viel Hilfe kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Und sollte der große grüne Traktor während der Fahrt doch einmal murren: „Weinkönig" Karl gehört zu jener Sorte Männer, die so ziemlich alles können.

Und auch Hans Krämer, der eigentliche Initiator der Exkursion, wird mit seinen Freunden in London einfahren. Den ganzen langen Trip kann er zwar aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mitmachen. Doch er fliegt den Männern hinterher. Dass die ihn am Londoner Flughafen abholen, versteht sich von selbst – natürlich mit dem Traktor.

Thomas K. Slotwinski