Frankfurt
Der Klubchef vermisste den Derbycharakter

Konnte diesmal nicht jubeln: Sami Allagui.

Eva Willwacher

Frankfurt - Aggressiver und bissiger waren die Frankfurter nach Ansicht von 05-Präsident Harald Strutz. Ihm hat der Derbycharakter gefehlt.

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Frankfurt – Vielleicht sei es nicht gut für die Mannschaft, wenn man den Derbycharakter immer herunterspiele, mäkelte Harald Strutz nach dem 1:2 (1:1) in Frankfurt.

Der Präsident des FSV Mainz 05 hat den Eindruck, „dass das Derby in Frankfurt ernster genommen wird“. Auf jeden Fall sei die Eintracht von der ersten Minute an „zu hundert Prozent aggressiv, giftig“ gewesen. „Die haben sofort gebissen.“ Die eigene Mannschaft kam dem 05-Boss an diesem kalten Samstag in der Commerzbank-Arena „fast ein bisschen verängstigt“ vor. Strutz: „Und damit haben wir den Gegner heute nicht in den Griff bekommen.“

Tuchel widerspricht Strutz

Natürlich wurde Thomas Tuchel kurz darauf in der Pressekonferenz zu dieser markanten Einschätzung seines Klubchefs befragt. „Nein“, sagte der 05-Trainer trocken. „Diesen Eindruck habe ich nicht.“ Mainz 05 habe auch schon Derbys gewonnen, „zum Beispiel gegen den FCK“. Dass seine Mannschaft eine Halbzeit lang mal keinen Zugriff habe, das sei schon öfter vorgekommen. „Die Eintracht war heute aggressiver, giftiger“, gab der 37-Jährige zu. „Warum, das weiß ich nicht. Das aber auf den Derbycharakter zu schieben, das ist mir zu plakativ, zu billig.“

Medial geschickt inszeniert

Diese medial geschickt inszenierte Dissonanz belegt: Der FSV Mainz 05 versprühte auch im achten Versuch, in Frankfurt endlich mal zu gewinnen, nicht die nötige Derbykampfstimmung. Jeder weiß, dass Tuchel diese Mannschaft emotional hoch aufgeladen in Bundesligaspiele schicken kann. An griffigen Motivationsideen mangelt es dem Fußballlehrer nicht. Ein Freund des Derbyanheizens ist der Analytiker allerdings eher nicht. Zumindest nicht nach außen. Aber was heißt das schon?

Wir erinnern uns an Vorschau-Pressekonferenzen mit Vorgänger Jürgen Klopp, der Derbys schon mal emotional auflud, dass man dachte, die Spieler sollten in der Commerzbank-Arena erst mal mit bloßen Fäusten in den 6000 Mann starken schwarzen Eintracht-Block einfallen und dort nachhaltig für Ruhe sorgen. Auf dem Rasen wirkte der Auftritt dann aber meistens auch nur wie ein Ausflug in den Streichelzoo. Und daran änderte sich auch nichts, als Klopp irgendwann umstieg auf die „Derbycharakter ist mir wurscht“-Variante.

Motivation entscheidend?

Ein 05-Sieg in Frankfurt wird irgendwann passieren. Ob der dann etwas mit einer bestimmten Motivationsmethode zu tun hat? Das Derbythema bleibt spannend. Diesmal haben die 05er in der WM-Arena nicht gut gespielt. Rein fußballerisch betrachtet griff auch von Anfang an der Plan nicht.

Nach dem Ausfall der Leistungsträger Eugen Polanski und Marco Caligiuri fehlte Tuchel das Mittelfeldzentrum. „Wir wollten deshalb mit einem 4-3-3 beginnen“, so der 05-Coach. „Damit hatten wir auch die ersten beiden Chancen, aber insgesamt zu wenig Zugriff.“ Tuchel stellte dann um auf 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld. Da hatten sich die Frankfurter aber mit ihren paar guten Szenen und ihrer Feldüberlegenheit schon zu gut aufgebaut, eine gewisse Überzeugung erarbeitet. Mental kamen die Mainzer nach ihrem schwachen Start in diese Partie nie mehr richtig in die Vorhand.

In keiner Phase der ersten Halbzeit traten die Mainzer kompakt auf. Im Gegenteil. Die Abstände in Länge und Breite des Spielfeldes wurden immer größer. Das Team hatte riesige Lücken im Mittelfeld. Jan Kirchhoff demonstrierte bei seinem Bundesligadebüt sein überragendes Talent, als alleiniger Sechser stand der junge Mann aber viel zu tief. Tuchel wollte einen kopfballstarken Mann stellen gegen den erwarteten großen Zehner.

Eintracht-Coach Michael Skibbe hatte aber ein flaches 4-4-2 gewählt, mit zwei Sechsern im Mittelfeldzentrum und starker Betonung des Flügelspiels. Der lange Zehner saß nur auf der Bank. Erst als Alex Meier zur Halbzeit eingewechselt wurde, fand Kirchhoff seine Aufgabe als Kopfballkönig vor dem eigenen Strafraum. Dass exakt dieser Zweikampf dann auch noch zu jener Handspielszene führte, die diese Partie entschied, gehörte zu den kuriosen Momenten dieses Derbys.

Miroslav Karhan hatte einen unterirdisch schwachen Tag erwischt. Dem Routinier ging alles daneben. Und auch der gelernte Linksverteidiger Christian Fuchs ließ erkennen, dass er in großen Räumen Probleme bekommen kann in der vorgeschobenen Position.

Ohne Nach-vorne-Verteidigung

Die gewohnte Nach-vorne-Verteidigung fiel also aus. Und ohne Balleroberungen kamen die 05er auch nicht in die schnellen offensiven Umschaltbewegungen. „Dass wir auswärts über Ballbesitz zu unseren Chancen kommen, so weit sind wir noch nicht“, erklärte Tuchel. Der auch nicht nachvollziehen konnte, warum sich sein Team nach guten ersten 20 Minuten in der zweiten Halbzeit wieder zurückzog. Blieb als einziger positiver Aspekt, so Tuchel: „Mit einer durchschnittlichen Leistung war hier ein Punkt möglich.“ Immerhin.

Reinhard Rehberg