Mainz/Wiesbaden
Datenklau an Geldautomaten nimmt enorm zu

Michael Schmidt, Kriminalhauptkommissar und Spezialist für Skimming-Fälle (Betrugsfälle) im rheinland-pfälzischen Landeskriminalamt (LKA), zeigt einen beschlagnahmten Rauchmelder, der mit einer Mini-Kamera umgebaut worden ist.

DPA

Mainz/Wiesbaden - Datenklau an Geldautomaten richtet Millionenschäden an. Die Fallzahlen sind zuletzt deutlich gestiegen, die Kunden meist machtlos.

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Mainz/Wiesbaden – Unscheinbar hängt der Feuermelder unter der Decke. Keinem Kunden fällt er auf. Karte rein, Pin getippt, Geld gezogen und raus aus der Bank.

Doch die kleine Kamera in dem Brandmelder hat alles aufgezeichnet, die persönlichen Daten der EC- Karte sind durch Manipulationen am Schlitz auch mit abgegriffen – und wenig später erleichtern die Kriminellen das Konto um zig Euro. Der Datenklau an Geldautomaten in Deutschland ist dramatisch gestiegen: Im ersten Halbjahr 2010 wurden laut Bundeskriminalamt bereits fast genauso viele dieser sogenannten Skimming-Fälle registriert wie im gesamten Jahr 2009. Damals waren rund 960 manipulierte Automaten aufgefallen. Der Schaden anno 2009: Schätzungsweise 40 Millionen Euro. Geschädigte: Weit mehr als 100 000 Kunden.

„Das ist organisierte Kriminalität, dahinter stecken meist Gruppen aus Südosteuropa“, sagt der stellvertretende Dezernatsleiter am Landeskriminalamt von Rheinland-Pfalz, Kaus D. Wahl. Das typische Täterprofil: „Sehr beweglich, reisend und ein ständiger Austausch der agierenden Täter.“ Und: „Die Köpfe sind fast alle Ex-Geheimdienstler etwa aus Rumänien, die sich mit Datenklau auskennen.“ Die Masche beim Skimming (Abschöpfen) ist immer die Gleiche, bei der technischen Umsetzung werden die Täter laut Wahl allerdings immer erfinderischer.

Die durch Manipulationen an deutschen Geldautomaten gewonnenen Daten überspielen die Kriminellen fix ins Ausland, dort werden sie auf sogenannte Blanko-Karten („White Plastics“) gespeist, um dann mit diesen Karten Geld abzuheben. (Deutsche Automaten erkennen übrigens in der Regel diese Fälschungen). Erst beim Blick auf den Kontoauszug sieht der Kunde dann die Bescherung. „Und in der Zwischenzeit haben die Täter schon zahlreiche weitere Daten abgeschöpft“, erklärt Wahl.

Doch, um den Sorgen der Bankkunden vorzubeugen: „Der betroffene Verbraucher haftet letztlich für unbefugte Abbuchungen mit Kartendoppel – anders als bei abhandengekommenen Karten – nicht. Allerdings zahlen alle Verbraucher über die Preise den Schaden mit, der durch diese Betrügereien entsteht“, sagt Frank-Christian Pauli, Bankreferent beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Er appelliert zugleich an die Banken, ihre Sicherheitssysteme etwa bei der Entwicklung von Zahlungskarten weiter zu verbessern. Denn, so betont auch der Mainzer LKA-Sachbearbeiter Kurt Sell: „Der Kunde selbst kann gegen das Skimming praktisch nichts machen.“ Außer vorsichtig zu sein.

„Am besten immer am selben Automaten abheben, möglichst nicht am Automaten im Freien, und wenn etwas merkwürdig oder anders aussieht, sofort die Bank oder die Polizei informieren“, erläutert der Mainzer Kriminalhauptkommissar Michael Schmidt von der Prävention. Nur zehn Sekunden brauchen die Täter, um ihre Spähinstrumente anzubringen – und dies können neben Minikameras in verschiedener Verkleidung auch auf die eigentliche Tastatur gelegte täuschend echte Duplikate sein oder Aufsätze am Kartenschlitz. Auch mit Türöffnerattrappen lesen die Täter unbemerkt Karten aus.

Allerdings sind längst sind nicht mehr nur Bankautomaten gefährdet, wie BKA-Präsident Jörg Ziercke betont. So berichtet auch Vize-Dezernatsleiter Wahl vom LKA in Mainz von mehreren Einbrüchen in Baumärkte: Nichts fehlte. Aber bis man darauf kam, dass eine Kasse so manipuliert worden war, dass Daten der Kunden abgegriffen wurden, hatten die Täter schon fette Beute gemacht. Und, so Wahl: „Manchmal klauen die Täter aber auch Geldautomaten, nur um an denen neue Skimming-Methoden zu üben.“ Imke Hendrich