Alles hatte er mit viel Disziplin und Trainingsfleiß in dieser noch neuen Fitnesssportart bis dahin erreicht – doch durch die Corona-Erkrankung wurde er aus allen Träumen gerissen. Er, der reine Amateur, der Grundschullehrer im Hauptberuf, hatte 2021 in Leipzig die Elite aus Europa und auch die Profis aus den USA hinter sich gelassen und sich völlig überraschend den Weltmeistertitel in der neuen Trendsportart geholt. Von Lautweins Leistung zeigte sich damals auch der entthronte Hyrox-Weltmeister Hunter McIntyre aufgrund der enormen Ausdauerfähigkeiten des Deutschen total begeistert: „I love you! You are the fastest Horse in the world!“ – „du bist das schnellste Pferd der Welt!“
Zum Zuschauen verdammt
Ende März diesen Jahres folgte dann der nächste Coup, als Lautwein bei den Europameisterschaften im niederländischen Maastricht den nächsten Titel holte – und das sogar in neuer Weltrekordzeit von 56:52 Minuten. Jetzt war der gebürtige Herkersdorfer endgültig der gefeierte Star in der Szene und der Favorit auf den Titel bei den „Worldchampionships of Fitness“ in Las Vergas. Doch dann zog Corona dem Kraftausdauersportler den Stecker und Lautwein musste als Zuschauer aus der Ferne miterleben, wie ihm sein großer Widersacher und Freund, Modellathlet Hunter McIntyre, den Titel „World Champion of Fitness“ wegschnappte.
„Das Virus hatte mich mit voller Wucht getroffen. Das war ziemlich heftig. Nach drei Tagen im Bett mit Fieber und Schüttelfrost bin ich mit Lähmungserscheinungen im Gesicht ins Krankenhaus, um einen Schlaganfall auszuschließen. Die Ärzte haben dann eine Fazialisparese, eine einseitige Gesichtsnerventzündung, ausgelöst durch die Covid-Erkrankung, festgestellt“, schilderte Lautwein noch im April sein Krankheitsbild. Ein herunterhängendes Augenlid, Geschmacksverlust, Sprachstörungen – das Virus hatte bei dem bislang kerngesunden Sportler mehr angerichtet als nur den oft zitierten „Schnupfen“. Was folgte, war ein wochenlanges Sportverbot.
Nachdem die Krankheitssymptome wieder weitgehend abgeklungen waren, stellten sich für Lautwein natürlich die entscheidenden Fragen, ob irgendwelche körperlichen Schäden zurückbleiben würden und wann und ob er je wieder seinen Höchstleistungssport würde betreiben können. „Nach meiner ziemlich heftigen Covid-Infektion Anfang April wollte ich einfach auf Nummer sicher gehen und mich mal komplett durchchecken lassen“.
Zwei Stunden lang durchgecheckt
Ende Mai ließ er sich dann im Krankenhaus in Porz am Rhein eingehend kardiologisch untersuchen. Belastungs-EKG mit Atemgas- und Laktatmessung, Lungenfunktionstests, Ultraschall – zwei Stunden lang wurde er von den beiden Sportkardiologen Prof. Marc Horlitz und Dr. Eduard Gorr auf den Kopf gestellt. „Die Ergebnisse waren durchweg positiv, ich kann wieder langsam mit etwas intensiverem Training starten“, freute sich Lautwein.
Das war vor zwei Wochen – jetzt ist das „schnelle Pferd“ wieder zurück. Am vergangenen Samstag schnürte Lautwein beim Sechs-Meilen-Lauf des TV Langenholdinghausen, der immer erst um 21.30 Uhr gestartet und mit 180 Feuerfackeln stimmungsvoll ausgeleuchtet wird, erstmals nach seiner Corona-Pause wieder die Laufschuhe. „Es war wieder eine tolle Stimmung, wenn man entlang der brennenden Fackeln in den Abend hineinläuft“, lobte der Läufer im Dress der SG Wenden als Gesamtdritter im Ziel. „Ich bin ja nicht voll gelaufen, ich fahre die Belastung jetzt erst langsam wieder hoch. Ich hatte mir nichts vorgenommen, aber es lief besser als erwartet“, erklärte der Ausdauersportler aus Altenhof, für den der Lauf nach „nur“ vier bis fünf Trainingseinheiten pro Woche und wöchentlich 30 bis 40 Laufkilometern nur ein Aufbauwettkampf war. An diesem Sonntag folgt nun Aufbauwettkampf Nummer zwei. Beim Meilerlauf im sauerländischen Giershagen, einem Extrem-Hindernislauf mit Wasserdurchquerungen und 40 schweren Hindernissen, will Lautwein Spaß im Schlammbad haben und erneut seine Form testen.
Hyrox-Zukunft ist ungewiss
Radfahren, Hindernisläufe, Extremläufe, Volksläufe – dem Sport wird Multisportler Lautwein, der in Kindertagen als Leichtathlet und dann als Fußballer beim VfL Kirchen unterwegs war, der sich 15 Jahre lang als Spitzen-Radfahrer des RSC Betzdorf einen Namen gemacht hat, der als Duathlet im Team des TVE Netphen zwei Mal Deutscher Amateur-Meister wurde und der sich in den letzten Jahren vor allem als starker Langstreckenläufer der SG Wenden ausgezeichnet hat, wohl auch in Zukunft treu bleiben.
Ob er sich allerdings noch mal mit der Weltelite im Hyrox messen wird, das will sich der zweifache Familienvater zum jetzigen Zeitpunkt noch offen halten. „Hyrox ist ein toller Sport, das ist mein Sport. Ich brauche auch gar nicht so viele Trainingseinheiten wie andere, um mich optimal auf internationale Wettkämpfe und Spitzenleistungen vorzubereiten. Ob ich allerdings nach der Geburt unserer Zwillinge Ende Oktober mit vier Kindern noch genügend Zeit für ein intensives Training haben werde, das ist noch völlig unklar. Da gibt es dann sicher ganz andere Prioritäten.“
Wenn der dann sechsköpfige Familienrat aber sein okay für die Fortsetzung der Hyrox-Leistungssportkarriere gibt, dann wäre natürlich die Teilnahme an der Weltmeisterschaft im Mai 2023 das große Ziel. Dann würde er natürlich gerne wieder, wie schon 2021 in Leipzig, dem amtierenden Weltmeister, Sheriff Hunter, den Stern klauen. Denn egal ob als Fußballer, Radfahrer, Läufer oder Fitnessweltmeister: auf seine „Pferdelunge“ konnte sich Tobias Lautwein bislang noch immer verlassen.