Landessportbund registriert in Rheinland-Pfalz knapp 55 000 Austritte - So stellt sich die Situation in der Region dar
Corona: Vereine kämpfen um ihre Mitglieder – Landessportbund registriert knapp 55 000 Austritte – So stellt sich die Situation in der Region dar
Viel Schatten, wenig Licht: So stellte sich in den vergangenen Monaten die Situation für den Breitensport dar, was sich vielerorts auch in den Mitgliederstatistiken bemerkbar machte. Zu den positiven Ausnahmen gehörten in dieser schwierigen Phase die Golfer, die einen Aufschwung erfuhren. Foto: dpa
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Region. Der Landessportbund Rheinland-Pfalz hat die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Sport unter die Lupe genommen und muss im Land einen Verlust von 54.093 Vereinsmitgliedschaften beklagen. Wie sieht die Situation in den heimischen Vereinen aus? Funktionäre aus unterschiedlichen Sportarten geben einen Überblick, wie sich die Lage in ihren Klubs darstellt. Die meisten sind nach eigenen Einschätzungen zum jetzigen Stand mit einem blauen Auge davongekommen. Sie hoffen, dass es so bleibt. Doch sicher sein können sie sich nicht.

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Fußball

Thomas Nauroth (Vorsitzender VfB Wissen): „In sämtlichen Bereichen und Abteilungen sind unsere Mitgliederzahlen stabil. Auch im Jugendbereich, wo das Thema sicherlich noch viel sensibler ist als bei den Erwachsenen. Es hat sich als guter Weg erwiesen, die Plätze so schnell es ging wieder zu öffnen, wenn ein Trainingsbetrieb erlaubt war – teilweise sogar noch am gleichen Tag. Es gab Kündigungsanträge aufgrund der finanziellen Situation von sozial schwächeren Familien. In diesen Fällen haben wir Sondervereinbarungen getroffen und die Beitragszahlungen aufgeschoben auf die Zeit, wenn sich die ganze Situation entschärft hat.“

Bilanz des Landessportbundes: Der Fußball bleibt die Nummer eins in Rheinland-Pfalz, hat unter der Corona-Pandemie mit landesweit 11.893 Austritten aber erheblich zu leiden.

Handball

Klaus Ohnhäuser (Spielwart TV Bad Ems): „Lediglich in der F-Jugend und bei den Minis gibt es ein größeres Kommen und Gehen, was in diesem Altersbereich aber vollkommen normal ist. Das war auch schon vor Corona so. Ansonsten bleibt abzuwarten, wer vor der Tür steht, wenn das Training wieder beginnt. Unsere höherklassigen Mannschaften halten sich mit Online-Trainings fit. Es ist wichtig, dass sie seitens des Vereins beschäftigt werden und die Verbindung somit erhalten bleibt.“

Bilanz des Landessportbundes: Als Hallensport sind die Handballer durch die Pandemie fast komplett auf Eis gelegt. Landesweit gibt es 1598 Vereinsaustritte.

Leichtathletik

Timo Candrix (Abteilungsleiter TuS Hachenburg): „In unserem Verein gab es einige Abmeldungen, und ein paar Sportler haben sich seit den Einschränkungen unsichtbar gemacht. Besorgniserregend ist die Situation allerdings bei weitem nicht. Indem wir so lange es möglich war in Kleingruppen trainiert haben und im vergangenen Jahr auch unser Sportfest durchführten, haben wir getan, was wir konnten. Die jüngsten Eindrück aus diesem Frühjahr zeigen uns, dass das Interesse an der Leichtathletik bei uns weiterhin groß ist. Trotzdem spürt man gleichzeitig auch, dass manche ihre Prioritäten verlagert haben. Hier hat sich eine jetzt ein Pony zugelegt und geht reiten, dort setzt einer seinen Schwerpunkt aufs Freizeitspektrum. Es wird lange Zeit dauern, bis sich Vereine von dieser Krise erholen und auf den Stand von vor der Corona-Pandemie kommen. Wenn aber alle miteinander arbeiten, wird der Sport diese schwierige Zeit gut meistern.“

Bilanz des Landessportbundes: Die Leichtathletik beklagt mit einem Abrücken von 6,17 Prozent seiner Mitglieder den größten Rückgang in Rheinland-Pfalz.

Turnen

Klaus-Hermann Wilbert (2. Vorsitzender VfL Altendiez): „Bislang beobachten wir, dass unsere Mitglieder dem Verein treu bleiben. Der Vorstand kommt ihnen insofern entgegen, dass wir auf Antrag den Beitrag für Familien, denen finanzielle Nachteile durch die Krise entstanden sind, ein halbes Jahr lang halbieren. Die Fluktuation befindet sich in einem normalen Rahmen. Unsere Wettkampfmannschaft, die in Kooperation mit den Vereinen aus Niederbrechen und Elz im November 2019 in die Regionalliga aufgestiegen ist, bestritt seitdem keinen einzigen Wettkampf. Wir hoffen, dass die 20 bis 25 Turner bei der Stange bleiben. Ich bekomme aber mit, dass einige von ihnen zu Hause trainieren – zum Beispiel an einem selbst gebauten Handstandbarren, einem Kreisflankenpilz und mit der Unterstützung von Youtube-Videos amerikanischer Turner.“

Bilanz des Landessportbundes: Der Turnsport verzeichnete in absoluten Zahlen den größten Verlust in Rheinland-Pfalz. Die Vereine müssen insgesamt 17.706 Austritte kompensieren.

Schießsport

Burkhard Müller (Schießmeister Wissener SV): „Dass die Bogenschützen in Rheinland-Pfalz einen Zuwachs verzeichnen, überrascht mich persönlich, weil sie im Winter normalerweise in der Halle trainieren, was diesmal nicht möglich war. Unser Vereinsleben ruht mit Ausnahme der National-, Perspektiv- und Landeskaderschützen, die trainieren dürfen – seit dem 2. November komplett. Eine Delle bei den Mitgliederzahlen gibt es nicht. Hoffentlich bleibt das so. Die spannende Zeit steht meiner Meinung nach aber noch bevor. Die Frage ist, wer zurückkehrt, wenn der Trainingsbetrieb in gewohnter Form wieder möglich ist. Gerade die Jugendlichen suchen sich schnell neue Wege. In diesem Bereich waren wir vor der Pandemie auf einem guten Weg.“

Bilanz des Landessportbundes: Die Entwicklung bei den Schützen präsentiert sich zwiegespalten. Insgesamt weist die Statistik für den Schießsport einen Mitgliederrückgang von 742 aus. Der Bogenschießsport hingegen ist mit einem Plus von 96 Sportlern aufgeführt.

Tennis

Fred Kuhl (Vorsitzender TV Guckheim): „Wir sind ganz gut durch die Corona-Zeit gekommen. Als geselliger Verein hat uns natürlich das Miteinander gefehlt, aber die Mitgliederzahlen haben sich weder zum Guten noch zum Schlechten entwickelt. Der Tennissport hatte im Vergleich zu anderen Sportarten auch bessere Voraussetzungen, weil die Medenrunde 2020 auf freiwilliger Basis stattfand. Auch wir haben mit mehreren Mannschaften daran teilgenommen. So konnte wir unsere Aktivitäten ganz gut aufrechterhalten.“

Bilanz des Landessportbundes: Die rheinland-pfälzischen Tennisvereine zählten 1550 Neu-Eintritte. Das ist der Höchstwert in allen vom LSB aufgeführten Sportarten.

Boxsport

Benjamin Limper (Geschäftsführer und Cheftrainer BC Herdorf, Lehrwart des Boxverbandes Rheinland): „Wir spüren den Rückgang deutlich. Das gilt sowohl für den BC Herdorf, der fünf bis zehn Prozent seiner Mitglieder verloren hat, als auch auf Verbandsebene. Existenzbedrohend ist die Situation für den BC Herdorf aber noch nicht. Wir spüren, dass sich die öffentliche Wahrnehmung des Boxens auch auf uns an der Basis auswirkt. Weil in diesem Jahr noch einige große Kämpfe anstehen, sind wir guter Dinge, dass sich die Zahlen auch wieder regulieren.“

Bilanz des Landessportbundes: Der Boxsport in Rheinland-Pfalz blickt auf den größten Mitgliederverlust seit dem Jahr 2016 zurück. Die Vereine verloren 10,7 Prozent ihrer Mitglieder.

Golf

Andreas Klute (Jugendwart Mittelrheinischer Golfclub Bad Ems): „Wir spüren, dass der Zuspruch für den Golfsport gewachsen ist. Momentan befinden sich bei uns rund 60 Jugendliche im regelmäßigen Training. Das ist eine Steigerung gegenüber den vergangenen Jahren. Einige sagen sich: ,Momentan kann ich kein Fußball spielen, dann probiere ich mich mal im Golfen.' Wir haben mit Sicherheit davon profitiert, dass wir bis auf eine ganz kurze Phase zu Beginn des vergangenen Jahres auf den Platz durften, auch wenn kein Gruppentraining möglich war. Die Kinder und Jugendlichen sind mit Begeisterung dabei und dankbar, etwas machen zu dürfen. Für uns geht es nun darum, die Spieler zu halten. Denn wenn die anderen Sportarten den Betrieb wieder aufnehmen dürfen, wächst die Konkurrenz wieder.“

Bilanz des Landessportbundes: Mit landesweit 347 Neueintritten zählen die Golfvereine zu den Gewinnern des vergangenen Jahres. Nur der Tennissport erhielt mehr Zuwachs.

Von unserem Mitarbeiter René Weiss