Das gesellschaftliche Leben ist nicht mehr dasselbe, aber beim Gespräch mit unserer Zeitung blickt Rüddel zurück – und gibt freimütig Anekdoten preis, etwa wie er den Frontmann der Karnevals-Band „Die Höhner“ mittels seines Kellers in einem Streitgespräch auflaufen ließ.
Letzteres ist ganz leicht aufzuklären: Als sich Rüddel dafür aussprach, Corona-bedingt den Karneval abzusagen, stieß das bei den Jecken auf Kritik. Es wurde eine digitale Diskussion zwischen Rüddel und dem Frontmann der „Höhner“, Henning Krautmacher, anberaumt. Rüddel saß dafür in seinem Keller – wo er von knapp 1400 Karnevalsorden umgeben war.
„Das hat Henning Krautmacher total überrascht. Er dachte, er würde einem zugeknöpften Politiker gegenüberstehen, der keine Ahnung vom Karneval hat“, sagt Rüddel im Gespräch mit der RZ und lacht. Jeder, der ihn kennt, weiß: Erwin Rüddel ist durch und durch Karnevalist. Ob als Junge in der Prinzengarde oder später als Prinz, die fünfte Jahreszeit liegt dem Windhagener am Herzen.
Ebenso der Sport. Ob als Vorsitzender verschiedener Sportverbände und -vereine oder ganz privat: Rüddel geht jede Woche mindestens zwei mal Laufen. „Da kann sein, was will, ich gehe raus“, betont der CDU-Politiker, dass er sich auch im Winter nicht scheut, die Laufschuhe zu schnüren. In der Jugend spielte er noch Fußball. „Damals in der C-Jugend habe ich Fußball gespielt. Da hat mir aber keiner zugetraut, dass ich mit dem Ball etwas anfangen kann“, gibt er schmunzelnd zu. D
afür hat er sich beim Karate eingesetzt – bevor der innere Schweinehund siegte und Rüddel jegliche sportliche Betätigung einstellte. Bis zum Weckruf vor knapp 20 Jahren, als ihn ein Kommentar hinsichtlich seines körperlichen Erscheinungsbildes an der Ehre packte. Seitdem ist der 65-Jährige sportlich aktiv, lief sogar drei Mal einen Marathon – unter anderem in New York.
So ist Rüddel: Er packt an und bleibt am Ball. Das schätzen auch seine Wähler an ihm, weshalb er in den vergangen Urnengängen immer das Direktmandat im Wahlkreis Neuwied/Altenkirchen holte. Nun versucht er es erneut. Zuversichtlich ist er, sagt Rüddel.
Was er für die Wahl prognostiziert? „Ich glaube nicht, dass es mehr Fraktionen im Bundestag werden“, meint Rüddel. Er rechnet weder mit dem Einzug der Partei „Die Basis“ noch der Freien Wähler in das Parlament. Er selbst möchte in der kommenden Legislaturperiode vor allem an den Themen Breitband- und Mobilfunkversorgung, der Aufwertung der Pflege sowie der Bewältigung der Pandemie und deren Folgen arbeiten. Und das, obwohl er damals eher unwillig in den Gesundheitsausschuss beordert wurde, erzählt er.
Rüddel verrät in diesem Atemzug auch, dass es vermutlich seine letzte Kandidatur sein wird. Wie sein Vater Josef, der bis zum 94. Lebensjahr Bürgermeister von Windhagen gewesen ist, noch fast 30 Jahre in politischen Ämtern bleiben, kann sich Erwin Rüddel derzeit nicht vorstellen. Sein Rückzug aus dem Neuwieder Kreistag in diesem Jahr wurde schon als der Beginn eines Rückzuges aus der Politik gedeutet.
Rüddel stellt klar: Die Belastung durch den Gesundheitsausschuss sei durch die Pandemie einfach zu hoch, als dass er die Belange der Bürger im Kreistag adäquat vertreten könne. „Normalerweise gibt es 70 Ausschusssitzungen im Jahr. Anfang August waren wir schon bei 180“, erklärt Rüddel, wie er momentan in Berlin eingebunden ist.
Was ihn bei all dem Stress aber beruhigt und hilft, den Kopf frei zu bekommen, ist die Bewegung an der frischen Luft. „Laufen hat mein Leben geprägt“, bringt es Rüddel auf den Punkt und blickt wieder hinunter ins Wiedtal und hinauf auf den Malberg – einer seiner vielen Lieblingsorte im Wahlkreis. Beim Malberg-Lauf möchte er natürlich wieder mitmachen, sagt er. Aber die Langstreckenläufe hat Erwin Rüddel nun hinter sich – bis auf seinen letzten Marathon: den Wahlkampf für den Bundestag.
Zur Person
Erwin Rüddel, Jahrgang 1955, wuchs auf dem Bauernhof seiner Eltern im Windhagener Ortsteil Hüngsberg auf. Nach Abitur und Studium arbeitete Rüddel in der Werbung sowie im Marketing mehrerer Verlage. Mehr als 15 Jahre war er Geschäftsführer einer Senioreneinrichtung.
Mit 16 Jahren trat er der Jungen Union bei, später der CDU, deren Kreisvorsitzender er heute ist. Rüddel zog für die Union mehrmals in den rheinland-pfälzischen Landtag sowie in den Bundestag ein. Er ist Inhaber des Direktmandats im Wahlkreis 197 Neuwied/Altenkirchen und Vorsitzender des Gesundheitsausschusses. Daneben ist Rüddel in zahlreichen Vereinen aktiv, etwa als Präsident des SV Windhagen oder Bezirksvorsitzender der RKK für den Kreis Neuwied-Land.