„Eine große Zeitung steht auch im Dienste allgemeiner Interessen und sollte nicht ausschließlich nach den Grundsätzen irgendeines kaufmännischen Unternehmens geführt werden.“
Theodor Wolff, von 1906 bis 1933 Chefredakteur des „Berliner Tageblatts“, hat dies 1931 geschrieben – in einem Memorandum an einen neuen Geschäftsführer seines Verlages, der ausgerechnet in der Zeit des Erstarkens der Nationalsozialisten keinen Sinn für diese publizistische Verpflichtung seiner großen Zeitung hatte. Der kleinkariertes Kostenmanagement mit Verlegertum verwechselte.
Meine Damen und Herren,
meine geschätzten Kollegen Verleger,
werte Geschäftsführer, Chefredakteure und Journalisten aus ganz Deutschland,
werte Mitarbeiter des Mittelrhein-Verlages und des BDZV,
liebe Ministerin Nahles,
verehrte Gäste,
es ist gut, dass es seit 1962 den Theodor-Wolff-Preis gibt.
Jahr für Jahr erinnert uns dieser Preis an einen der großen Publizisten der deutschen Geschichte und seinen Kampf gegen Dumpfheit und Extremismus.
Immer aufs Neue erinnert uns dieser Preis aber auch daran, dass Verlage ganz besondere Unternehmen sind.
Ja: Die Renditen unserer Verlage müssen stimmen. Das ist aber kein sinnfreies Gewinnstreben wie bei mancher Investmentbank. Der wirtschaftliche Erfolg unsere Verlage ist das Fundament für unser Wirken und unsere Wirkung bis tief in die Gesellschaft hinein. Renditen sind die Garantie für die Unabhängigkeit unserer Verlage.
Und Unabhängigkeit ist unverzichtbar für die Erfüllung unseres öffentlichen Auftrages: Journalisten informieren und kontrollieren. Zeitungen und Webseiten von Zeitungen legen offen, was unserem Land hilft und schadet. Verlage stärken die Demokratie. Verlage dienen unserer Gesellschaft. Diesem Auftrag und dieser Freiheit werden wir gerecht – bewusst und verantwortungsbewusst.
Unsere Rolle ist Privileg und Verpflichtung zugleich. Sie unterscheidet sich grundlegend von der Praxis von unkritischen Mitteilungsblättern, von Amateur-Journalismus in Print und Web, von staatsnahem Rundfunk, von PR und Lobbyismus.
Daraus folgt – und das dürfen wir Verleger, unsere Verlagsmanager und Redaktionen nie vergessen: Kern unseres Tuns ist nicht das Produzieren von Zeitungsseiten oder digitalen Inhalten. Wir sind auch keine Drucker oder Papierspediteure.
Nein. Wir sind Verleger, Verlage, Journalisten.
Kernaufgabe unserer Verlage ist: Wir ermöglichen das unabhängige Publizieren von Inhalten, die für unsere Leser und für unser Land relevant sind.
Kernaufgabe unserer Redaktionen ist es, relevanten Content zu generieren – professionell, hochwertig, engagiert und mutig.
Die in unserer Branche oft diskutierte Frage „Print First oder Online First?“ geht an der publizistischen DNA unseres Wirkens vorbei.
„Content First“ – das beschreibt die Aufgabe und Verpflichtung unserer Verlage und Redaktionen viel treffender.
Der Theodor-Wolff-Preis macht Jahr für Jahr deutlich, wie beeindruckend oft es den deutschen Zeitungsverlagen gelingt, dieser Verpflichtung gerecht zu werden. Die Jury hat jedes Jahr die Qual der Wahl, aus Hunderten von exzellenten Beiträgen die fünf besten herauszufiltern. Oft haben diese Texte literarische Qualitäten. Immer belegen diese Texte: Die deutschen Zeitungsverlage bieten herausragende journalistische Qualität.
Der Theodor-Wolff-Preis macht mit seinen Preisträgern aus sehr vielen Verlagen und seinen immer wieder neuen Auszeichnungsorten aber auch deutlich: Diese hohe Qualität wird nicht nur in Hamburg, Berlin, Frankfurt und München, sondern auch und gerade in der Fläche gewährleistet – durch regionale Verlage wie dem unsrigen.
Diese regionalen Medienhäuser sind gleichsam der Rhein der deutschen Verlagslandschaft: Wir Regionalzeitungen durchziehen und verbinden das ganze Land. Wir erneuern uns immer wieder. Wir sind voller Kraft. Auf uns kann man sich verlassen. Nichts kann uns stoppen. Keine Partei, keine Staatskanzlei, kein Anzeigenkunde.
Der Mittelrhein-Verlag als Herausgeber der Rhein-Zeitung ist stolz darauf, in diesem Jahr Gastgeber der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises sein zu dürfen.
Wir sind auch stolz darauf, dass zwischen 1975 und 2011 vier unserer Journalisten mit diesem Preis ausgezeichnet worden sind.
Alle drei noch lebenden Theodor-Wolff-Preisträger der RZ sind heute unter uns: Ich grüße Sie herzlich.
Wir – mein Mitgesellschafter Dr. Olaf Theisen und mein Sohn Thorn – sind aber auch aus einem anderen Grund dankbar für die Ehre, Gastgeber dieser Feier sein zu dürfen.
Wir nutzen dies aus tiefer Überzeugung für einen Appell: Wir Verleger, Verlagsmanager und Chefredakteure sollten uns bewusst werden, dass unsere Inhalte unser wichtigstes Gut sind und damit einen Wert haben – unabhängig vom Publikationskanal.
Das legt einen Gattungsirrtum unserer Branche bloß:
In Print können wir unsere Inhalte unverändert zu angemessenen Preisen monetarisieren. Fast unsere gesamte Branche aber hielt es für eine gute Strategie, exakt dieselben Inhalte auf unseren Webseiten zu verschenken.
Dabei wird doch immer deutlicher: Die Jagd nach Reichweite im Netz durch das Verschenken von hochwertigen Inhalten ist zum Tanz um ein Goldenes Kalb geworden.
Die Millionen von Visits, auf die wir so stolz sind oder waren, sind nur wenige tausend Euro Werbeeinnahmen wert. Tendenz: sinkend.
Wer rechnen kann, der erkennt: Auch im Netz müssen wir auf Content-Kunden setzen statt auf Reichweite. Visits sind Glasperlen.
Ich bin deshalb sehr froh, dass unser Chefredakteur und unser Verlagsmanagement – inklusive Anzeigenchef! – beschlossen haben, mit Rhein-Zeitung.de aus der sinnlosen Jagd nach digitaler Reichweite auszusteigen und nun auch im Netz auf Leser-Kunden zu setzen.
Metered Models oder Freemium-Modelle mit vielen Frei-Texten halten wir für halbherzig. Ich habe den Eindruck, solche Modelle werden von Verlagsleitungen nur eingeführt, um die Gesellschafter beruhigen zu können: „Ja, auch wir haben jetzt Paid Content.“ In Wahrheit geht das Verschenken weiter.
Wir im Mittelrhein-Verlag haben uns für einen kompromisslosen Weg entschieden: Für eine harte Paywall.
Auf Rhein-Zeitung.de gibt es KEINEN Text mehr gratis. Wer lesen will, muss Kunde sein: Er ist Abonnent, oder er kauft für ein Jahr, für einen Monat, für einen Tag einen Zugangspass. Oder er kauft einen einzelnen Text. Auch hier sind wir selbstbewusst: Ein Artikel der Rhein-Zeitung kostet im Web 50 Cent.
Und es funktioniert: Wir beweisen, dass unsere Inhalte auch im Netz verkaufbar sind. Und trotz der denkbar härtesten Paywall haben wir nur 23 Prozent Reichweite im Vergleich zu 2014 verloren.
Wir sollten deshalb auch bei unterstützenswerten neuen digitalen Plattformen für den Verkauf von Texten wie Blendle (sprich: Blendel) gutes Geld für gute Texte verlangen, statt uns hier in einen Wettbewerb nach unten zu begeben. 5 Cent pro Text, und dann noch mit Rückgaberecht? Was soll das…???
Einzelverkauf von Texten im Web, Jahres-Abos für eine Web-Site – unser Verlag hat neue digitale Produkte geschaffen, die von unserem Lesermarkt akzeptiert werden.
Wir werden diesen Weg weitergehen: Wir arbeiten derzeit an einem neuen Ausspielkanal, der bewusst für hochwertige Texte konzipiert ist. Wir werden einen digitalen Lesesalon schaffen, der unseren besten Content neuen Zielgruppen erschließt – mit bewusster Ruhe und nobler Eleganz.
Sie merken: Ja, wir sind davon überzeugt, dass wir eine Bezahlkultur im Netz etablieren können. Nicht nur wir, sondern wir alle gemeinsam.
Ich würde mich freuen, wenn sich mehr Verlage als bisher entscheiden, diesen Weg zu gehen. Je mehr Verlage hier konsequent umsteuern, desto eher werden wir den
Lesermarkt im Digitalen gemeinsam erschließen. Und desto eher werden wir ein Paradoxon aus der Welt schaffen:
3,50 Euro für einen in Sekunden getrunkenen Espresso sind gesellschaftlich akzeptiert.
Relevante Texte aber,
- für die unsere Journalisten teils wochenlang recherchiert haben
- die oft weitreichende Folgen haben,
die soll es im Netz gratis geben???
Das ist kein Geschäftsmodell. Und es ist auch eine Geringschätzung gegenüber meisterlichen Texten und herausragenden Journalisten wie denen, die heute Abend ausgezeichnet werden.
Lassen Sie uns deshalb gemeinsam daran arbeiten, dem Wert und den Werten von Journalismus
- im Gedruckten die ihm zukommende Geltung zu bewahren
- und auch im Digitalen die ihm zustehende Achtung zu verschaffen.
Ganz im Geiste von Theodor Wolff.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.