Wie es im September weitergeht, dazu wagt die DB Netz AG keine Prognose: „Es gibt derzeit keine stabile Aussage darüber, wie sich die Situation über den August hinaus entwickelt“, sagte Vorstandschef Frank Sennhenn am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Mainz. Er bat um Entschuldigung für die „Unannehmlichkeiten“ und räumte ein: „Wir laufen Gefahr, einen Imageschaden zu erleiden.“
Seit einer Woche fallen in Abend- und Nachtstunden etliche Regionalzüge aus. Vom Fernverkehr ist die Landeshauptstadt in dieser Zeit fast abgeschnitten. Auch in den Stunden vorher und nachher klagen Pendler und Reisende über teils mehrstündige Verspätungen. Politiker, Gewerkschaften, Schienen-Zweckverband und Fahrgastverbände laufen Sturm und kritisieren die Personalpolitik der Bahn. Spitzenpolitiker des Landes telefonierten gestern mit Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU).
Netz-Chef Sennhenn kündigte einen ausgedünnten „Ersatzfahrplan“ an, der dann aber nach den Pünktlichkeitsregeln der Bahn eingehalten werden soll. Der Verkehr über Mainz wird so reduziert, dass ihn die von Urlaub und Krankheitsfällen reduzierte Stellwerksmannschaft noch bewältigen kann.
Entgegen Befürchtungen soll es zum Bundesliga-Auftakt Mainz 05 gegen Stuttgart am Sonntag einen Sonderzug für heimfahrende Stuttgart-Fans geben. Auch werde daran gearbeitet, ausfallende Regionalzüge im Berufs- und Schülerverkehr durch Busse zu setzen.
Von den 18 Mitarbeitern im Mainzer Stellwerk seien vier krank und drei bis Mitte August in Urlaub, erläuterte Sennhenn. Kurzfristige Vertretungen aus anderen Stellwerken seien wegen der Einarbeitungszeit von drei Monaten nicht möglich. Aus dem Urlaub soll keiner zurückgeholt werden: Die Mitarbeiter müssten sich erholen, sonst steige wieder der Krankenstand. Um ähnliche Situationen künftig zu verhindern, werden vier Fahrdienstleiter aus anderen Stellwerken der Bahnregion Mitte auf das Mainzer Stellwerk trainiert.
Nach den Worten von Personalvorstand Ute Plambeck, wie ihr Vorstandschef seit Mai im Amt, reagiert die Netz AG seit Jahren mit höheren Einstellungszahlen auf den Fachkräftemangel. Bei 36 000 Mitarbeitern müsse die Auszubildendenzahl von derzeit 2000 „kontinuierlich steigen“, um die anstehende Pensionierungswelle aufzufangen. 2013 seien 340 Fahrdienstleiter über den Bedarf hinaus eingestellt worden.
„Was Bahnkunden in Mainz zugemutet wird, ist blamabel, peinlich und absolut nicht hinnehmbar“, sagte Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD). Auf seine Einladung soll es nächste Woche in Mainz einen hochkarätig besetzten Runden Tisch geben. Bahnchef Grube habe dies begrüßt. Die CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Julia Klöckner will, „dass das Bundesverkehrsministerium die Personalplanung der Bahn unter die Lupe nimmt“ und hat in diesem Sinne an Ramsauer geschrieben. „Wenn die Bahn sich für ihr Image interessiert, muss sie dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert.“
„Wo ist Ramsauer?“, fragte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Daniel Köbler und kritisierte die Informationspolitik der Bahn: „Fast eine Woche und eine Verschlimmerung der Lage braucht es, damit das Unternehmen Stellung bezieht.“ Das sei ungenügend, aber immer noch besser als Ramsauer. Der habe sich bisher noch gar nicht geäußert. Claudia Renner