Handball Heimische Klubs echauffieren sich über die verspätete Fehlinformation des Hessischen Verbandes
Aufstand der Vereine: 99 Partien trotz Spielverbot
Die Landesliga-Mannschaft des TuS Holzheim (Foto) spielt an diesem Wochenende nicht, ganz auf Handball verzichten müssen die Fans des Sports aber trotz des umstrittenen Spielverbots nicht. Viele Vereine widersetzen sich der Vorgabe des Verbandes. Allein in Diez werden drei Jugendspiele über die Bühne gehen. Foto: René Weiss
René Weiss

Region. Handball-Deutschland fiebert der Frauen-Weltmeisterschaft entgegen, die an diesem Wochenende mit den Vorrundenpartien in Trier, Bietigheim-Bissingen, Oldenburg und Leipzig beginnt. Volle Hallen wünscht sich der ausrichtende Deutsche Handballbund und hat deshalb bereits frühzeitig für das bevorstehende Wochenende und den Nachmittag des 17. Dezember ein bundesweites Spielverbot erlassen. Die Aktiven, also eine Masse potenzieller Besucher, soll die Möglichkeit bekommen, die Partien der besten Frauen-Teams der Welt direkt in der Halle verfolgen zu können. So weit, so nachvollziehbar. Problematisch wird es dann nur, wenn es ein Landesverband zunächst verschwitzt, diesen Beschluss in seiner Spielplangestaltung zu berücksichtigen und später die eigentliche Intension fehlerhaft an seine Vereine weitergibt. So geschehen im Bereich des Hessischen Handballverbandes. Ein Fauxpas des Präsidiums führt nun zu einem Sturm der Entrüstung im Bezirk Wiesbaden-Frankfurt, dem auch der TuS Holzheim und der TuS Katzenelnbogen-Klingelbach angehören.

Der Reihe nach: In einem Schreiben vom 19. Juli teilt HHV-Präsident Gunter Eckart (Brombachtal) den Klubs zu dieser Angelegenheit mit: „Es ist uns völlig klar, dass der Fehler auf Seiten des HHV liegt, da das bereits im Juni 2016 angekündigte Spielverbot nicht umgesetzt wurde. Der HHV ist an diesen Beschluss gebunden und sieht sich in der Pflicht, hier nachbessern zu müssen.“ Auf einer Präsidiumssitzung hätten die hessischen Funktionäre beschlossen, dass der Spielbetrieb auf Ober- und Landesliga-Ebene am 2., 3. und 17. Dezember ruhen muss und die Bezirke gebeten werden, „ihren Spielbetrieb soweit als möglich an diesen Terminen zurückzufahren. Dies gilt vornehmlich für den Erwachsenenspielbetrieb, sollte aber auch auf den Jugendspielbetrieb angewandt werden“. Eine klassische „Kann-Bestimmung“ also, was die Begegnungen auf Bezirksebene angeht. Unzählige Vereine in Wiesbaden, Frankfurt und Umgebung, die ohnehin mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, genügend Hallenzeiten freizuschaufeln, gaben sich alle Mühe, stießen angesichts der Verlegungsflut jedoch an ihre Grenzen. Das wirkte zunächst nicht allzu dramatisch, schließlich hatte Eckart in seiner Mitteilung ja eine „Kann-Bestimmung“ geäußert.

Bis Anfang November schien Gras über die Sache gewachsen zu sein. Bis zum Handball-Bundesrat in Berlin. Mittwoch, 1. November: Thomas Mair, Spielwart des Bezirks Wiesbaden-Frankfurt, bringt eine E-Mail in Umlauf, die eine Welle der Entrüstung nach sich zieht. „Mich hat heute eine Nachricht vom HHV-Präsidenten sowie dem Vizepräsident Spieltechnik erreicht. Sie haben mir mitgeteilt, dass beim DHB-Bundesrat nochmals auf das komplette Spielverbot hingewiesen wurde.“ Die von Eckart im Sommer kundgetane „Kann-Bestimmung“ für den Bezirk? Verschwunden. Und es kommt noch dicker für die Vereine: „Weiter wurde mir mitgeteilt, dass der DHB Strafzahlungen angedroht hat, sofern an den Sperrterminen Spiele stattfinden. Gemäß der Info hat das HHV-Präsidium entschieden, eine eventuelle Strafe an die Bezirke weiterzuleiten“, so Mair weiter.

Es folgte eine Flut an Beschwerden gegen den HHV und den DHB. Rund 20 Vereine aus dem Bezirk Wiesbaden-Frankfurt reagieren und bieten dem HHV die Stirn, indem sie sich nicht auf den nun plötzlichen Verlegungszwang einlassen und eventuell drohende Strafen gegebenenfalls rechtlich prüfen zu lassen. Die Vereinsvertreter sprechen beziehungsweise schreiben von „Frechheit hoch zehn“, „sich stellenden Nackenhaaren“, merken an, dass „wir alle die Spielplanung nur ehrenamtlich machen und dafür nicht fürstlich bezahlt werden wie das Vorstandsgremium des DHB“. Andere bezweifeln, dass durch das Spielverbot ein Zuschauer mehr zu den WM-Spielen in die Halle komme. Vor allem weil (aus hessischer Sicht) keine Partien in der Nähe stattfinden. „Hier haben unsere hauptamtlichen Funktionäre des DHB doch deutlich über das Ziel hinausgeschossen.“ Das Ergebnis: Allein im Bezirk Wiesbaden-Frankfurt werden am Samstag und Sonntag trotz Spielverbot 99 (!) Partien ausgetragen. Aus der von Thomas Mair am 1. November verschickten Liste mit 168 zu verlegenden Begegnungen bekamen gerade einmal rund 40 Prozent der Spiele einen neuen Termin.

Der heimische TuS Holzheim verlegte die Partien seiner beiden Männerteams und seiner Frauenmannschaft sowie die der überbezirklich aktiven B- und C-Jugenden. Kurios die Verlegung der Landesligapartie gegen den TSV Lang-Göns: Klassenleiter Manfred Leber hatte zunächst im Sinne des Sports einer Umterminierung auf den 2. Dezember (das Spiel wurde im Herbst aufgrund eines Trauerfalls verlegt) zugestimmt, wurde dann jedoch zur Kehrtwende durch das HHV-Präsidium gedrängt. Nicht minder befremdlich die Geschichte im C-Jugend-Duell zwischen den Ardeckern und der TSG Oberursel: Oberliga-Klassenleiterin Karola Reiter diktierte beiden Vereinen ohne deren Zustimmung einen Termin auf, der für Holzheim im November zwei Spiele innerhalb von 24 Stunden bedeutete. Eine Einigung beider Teams auf einen anderen Termin lehnte die Funktionärin aus Stockstadt ab.

Offen bleibt derzeit noch, ob der DHB seiner Androhung Taten folgen lässt und die Verbände zur Kasse bittet. Der hausgemachte Verlegungswahn könnte also ein weiteres Kapitel bekommen. Übrigens: Die 2. Bundesliga der Männer absolviert an diesem Wochenende einen kompletten Spieltag, in der 1. Bundesliga stehen nicht weniger als fünf Begegnungen an. Unter anderen in Wetzlar und in Mannheim bei den Rhein-Neckar-Löwen. Spiele, die – so hieß es noch vor wenigen Wochen – auf jeden Fall noch gestrichen werden sollten.

Von unserem Mitarbeiter René Weiss