CDU-Kreisvorsitzender: "Falscher" Kanzlerkandidat und Entfremdung vom Volk - Konsequenzen auch im Landesvorstand
Analysen im Wahlkreis 201: CDU-Kreisvorsitzender Cyfka will Erneuerung von der Basis aus
Allen Grund zu feiern hatte nach dem Erststimmensieg der SPD-Abgeordnete Joe Weingarten im Kreise von Familie und Fans.
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Kreise Bad Kreuznach/Birkenfeld. Viel Zeit zum Wundenlecken bleibt den Christdemokraten nach dem desaströsen Wahlergebnis vom Sonntag nicht. Am Montagabend tagte der Landesvorstand, für 20. November ist der Landesparteitag terminiert. Dann ist die Zeit der Beschönigungen und der Nibelungentreue vorbei.

Dazu will auch der CDU-Vorsitzende im Kreis Bad Kreuznach und Bürgermeister der VG Langenlonsheim-Stromberg, Michael Cyfka, seinen Teil beitragen. Er fordert unmissverständlich Konsequenzen aus der Wahlklatsche und sieht dringenden Reform- und Erneuerungsbedarf in der Partei. Welche Rolle die Landesvorsitzende Julia Klöckner dabei spielt, „das muss sie für sich einordnen“.

Cyfkas Kritik mündet in konkrete Forderungen: „Der Landesvorstand muss sich neu aufstellen.“ Er selbst wolle sich künftig dort auch mehr einbringen – im Sinne der Kommunen. Denn von der Basis aus, von der Arbeit in den Gemeinden, müsse sich die Partei regenerieren. Die Partei höre nicht mehr genügend die Stimme der Bürger und spreche nicht mehr deren Sprache. Und in den Kommunen und deren Verwaltungen gebe es fähige und junge Christdemokraten, die mitreden sollten. Cyfka gibt Julia Klöckner keine Schuld am Debakel – wohl aber dem für ihn „falschen“ Kanzlerkandidaten. Der Abwärtstrend sei nicht aufzuhalten gewesen. Am Ende hatte Klöckner weder im Kreis Bad Kreuznach noch im Kreis Birkenfeld bis auf wenige Gemeinden eine Chance.

Auf kommunaler Ebene sieht Michael Cyfka für die Noch-Landesvorsitzende und Noch-Ministerin, die auch Kreistagsmitglied ist, weiter eine wichtige Rolle. Sie habe ja auch angekündigt, Bürgerbüros in Bad Kreuznach und Idar-Oberstein einzurichten. Und Cyfka glaubt: „Sie wird eine tolle Arbeit als Bundestagsabgeordnete machen.“ Positiv sei, dass der Wahlkreis mit zwei Abgeordneten vertreten sei. Der Sozialdemokrat Joe Weingarten habe seine Chance und „das Momentum“ des Aufwinds genutzt.

„Totgesagte leben länger“, so kommentiert der SPD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Michael Simon den Triumphzug der Sozialdemokraten in Bund und im Land und das Direktmandat für Joe Weingarten. Er habe das Ergebnis für möglich gehalten, dennoch sei er am Ende positiv überrascht gewesen – vor allem angesichts der prominenten CDU-Gegnerin Weingartens. Der Alsenzer habe in Berlin und im Wahlkreis gute und fleißige Arbeit geleistet. Das sei honoriert worden, schon im Wahlkampf habe das Team viel Zuspruch gespürt: „Dafür braucht man keine Castingshow mit Kabinettsmitgliedern.“

Hinzu kam, dass „der Trend plötzlich wieder ein Genosse war.“ Dass der Wahlkreis strukturell gewinnbar sei, das habe die SPD bis zum Bruch im Jahr 2005 über lange Zeit bewiesen. Anfang Oktober trifft sich der Kreisvorstand, dem Michael Simon vorsteht, mit Joe Weingarten zur Wahlanalyse. Die Freude ist auch bei den Sozialdemokraten nicht ungetrübt. Sorge macht Michael Simon und den Genossen der „erschreckende“ AfD-Anteil. Deren „Normalität“ habe sich im zweistelligen Bereich verfestigt, während die ehemaligen großen Volksparteien Boden und Stimmanteile verlieren. „Die klassischen Parteibindungen lassen nach, auch in den Familien“, weiß Michael Simon. Hier seien die Volksparteien gefordert. Und in Berlin? Michael Simon hält es für „vermessen“, dass Armin Laschet als Wahlverlierer einen Regierungsanspruch formuliert. Er plädiert für eine „Ampel auf Augenhöhe“ und sagt: „Bloß keine Große Koalition mehr.“

Im Wahlkreis geht unterdessen die Feinanalyse und Ursachenforschung weiter. Für die CDU und Julia Klöckner heißt das auch: Es gibt kaum noch Hochburgen in ihrer Heimat. Bei den Erststimmen konnte sie sich am Sonntag nur noch in der VG Rüdesheim und der VG Langenlonsheim-Stromberg durchsetzen – das war zu wenig.

Von unserem Redaktionsleiter Rainer Gräff