Paris – Triebwerkausfall im Flug – für Passagiere bedeutet das Todesangst, für Piloten ist es der Härtefall. Ein Motordefekt muss nicht zur Katastrophe führen. Gefährlicher sind lose Triebwerksteile – sie können Flügel durchschlagen und Abstürze provozieren.
In Singapur ist der Alptraum von Millionen Flugpassagieren wahr geworden: Ausgerechnet das Symbol modernster Flugzeugtechnik – ein Riesen-Airbus A380 – hatte kurz nach dem Start eine spektakuläre Triebwerkpanne. Die Schockbilder des zerfetzten Triebwerks haben weltweit klargemacht, das auch ausgefeilte Technik nicht vor Pannen gefeit ist. Es ist das erste Mal, dass dieser Gigant der Lüfte mit einem solch schweren Zwischenfall Schlagzeilen macht.
Das von Rolls-Royce entwickelte Triebwerk Trent 900, das am Qantas-Airbus versagte, ist ein wahrer Kraftprotz. Es wurde eigens für den weltgrößten Flieger entwickelt und ist daher auch noch relativ neu. Die Ingenieure betraten bei seiner Entwicklung in vielfacher Hinsicht technisches Neuland. Airbus wollte den großen Wurf und das Konkurrenzmodell, Boeings 747 „Jumbo-Jet“, nicht nur bei der Zahl der beförderten Passagiere in den Schatten stellen. Zusätzlich sollte die A380 weniger Treibstoff verbrauchen, weniger Schadstoffe ausstoßen, leiser sein und auch noch weiter fliegen.
Das Trent 900 ist eins der größten Triebwerke in der Welt der Zivilluftfahrt. Ein kompliziertes Stück Technik, dessen Material vor allem beim Start bis an die Leistungsgrenzen beansprucht wird. Neue Herstellungsverfahren und Materialien im Turbinenbau dehnen diese Grenzen zwar immer weiter, doch zieht das auch eine immer anspruchsvollere Wartung nach sich. Das gilt ebenfalls für den zweiten Triebwerkstyp, den Airbus-Kunden als Antrieb für die A380 wählen können: den GP7200 der Engine Alliance (EA), zu dem die Hersteller General Electric, Pratt & Whitney und die deutsche MTU gehören.
Der kommerzielle und technische Erfolg der A380 hängt daher zu einem Großteil von seinen Triebwerken ab. Ein starkes Triebwerk bringt selbst Scheunentore zum Fliegen, wissen Piloten. Sie wissen aber auch, dass selbst verlässlichste Motoren nicht vor Problemen gefeit sind. Cockpit-Crews erleben dank ihrer steten Vorbereitung auf einen solchen Zwischenfall jeden Start in der Erwartung eines Triebwerkausfalls – auch wenn die extrem selten geworden sind. Ein Ausfall bedeutet deshalb nicht unbedingt eine Katastrophe.
Das wurde etwa am 8. November 2007 in Kapstadt sehr deutlich, als eine Boeing 737 mit 106 Menschen an Bord in einer der kritischsten Flugphasen – dem Start – eines ihrer zwei Triebwerke verlor. Der Zwischenfall verursachte zwar Adrenalinschübe bei den entsetzten Passagieren, aber keine Schäden. Die beiden Piloten stiegen mit der nur noch einmotorigen Boeing sicher auf ausreichende Höhe, ließen aus Sicherheitsgründen Treibstoff ab und landeten dank ihres guten Trainings wieder sanft und sicher am Startort.
Auch die vierstrahlige A380 kann sich nach dem Ausfall von ein oder zwei Triebwerken problemlos in der Luft halten und sicher landen. Was jedoch die Experten aufhorchen ließ, waren Berichte von Passagieren über einen explosionsartigen Knall am fehlerhaften Antrieb fünf Minuten nach dem Start von Qantas-Flug QF32. Erste Bilder zeigten, dass sich Teile der hinteren Triebwerksverkleidung gelöst hatten. Dieses Szenario lässt auch hartgesottene Piloten erbleichen. Denn wenn Trümmerstücke Tragflächen durchschlagen, drohen sie Treibstofftanks, Kabel und Leitungen zu zerstören.
Tritt dann das hoch entflammbare Kerosin aus und fängt Feuer, führt das oft in die Katastrophe. Das bekannteste Beispiel war der Absturz einer voll besetzten Concorde. Dem damaligen Symbol für Schnelligkeit und Sicherheit wurde beim Startlauf ein Trümmerstück von einem zuvor gestarteten Jets zum Verhängnis. Es schleuderte genau in dem Augenblick hoch, in dem der Pilot den Start nicht mehr sicher abbrechen konnte. Das Metallteil durchschlug die Tanks, Kerosin trat aus. Die Piloten versuchten mit einem langen Feuerschweif am Heck noch verzweifelt, die Concorde auf Höhe zu ziehen, konnten den Absturz aber nicht mehr verhindern. 113 Menschen kamen ums Leben.
Ralf E. Krüger (dpa)