RZ-Adventskalender Justizvollzugsanstalt beherbergt vor allem Untersuchungshäftlinge
9. Türchen im RZ-Adventskalender: Koblenzer Knast ist meist nur eine Zwischenstation
Das Koblenzer Gefängnis ist für die Inhaftierten oft der erste Kontakt mit dem Vollzugssystem.
Thomas Kölsch

Der Raum ist winzig, gerade groß genug für ein Bett, einen Schrank, einen Tisch und eine Toilette. Ein Fernseher und neuerdings auch ein kleiner Kühlschrank sind ebenfalls vorhanden, immerhin.

Das Koblenzer Gefängnis ist für die Inhaftierten oft der erste Kontakt mit dem Vollzugssystem.
Thomas Kölsch

Dennoch ist es angesichts der beengten Verhältnisse kein Wunder, dass die meisten Insassen der Justizvollzugsanstalt Koblenz jede Gelegenheit nutzen, um außerhalb ihrer Zellen zu sein: Natürlich während der einen Stunde pro Tag auf dem Hof, aber auch im Rahmen des Arbeitseinsatzes in der Werkstatt oder der Küche, beim Sport oder bei Gesprächen mit Geistlichen. Für die Rhein-Zeitung hat die JVA die entsprechenden Türen geöffnet und einen kleinen Einblick in die abgeschottete Gefängniswelt gewährt.

Die JVA Koblenz gehört zu den kleineren Einrichtungen ihrer Art und ist in erster Linie für die Unterbringung von Untersuchungshäftlingen zuständig – diese werden erst nach einem Urteil in andere Gefängnisse verlegt, was je nach Schwere des Falls auch mal zwei oder drei Jahre dauert. „Vom Drogenabhängigen bis zum Auftragsmörder kann jeder bei uns landen“, erklärt der Sicherheitsbeamte Dirk Räder, der zusammen mit seinem Vertreter Zafer Ariözsoy und der stellvertretenden Anstaltsleiterin Carolin Bucksteeg durch die Anlage führt.

„Im Prinzip kommen die Häftlinge direkt zu uns, sobald sie von der Polizei aufgegriffen und festgenommen werden.“

erklärt der Sicherheitsbeamte Dirk Räder

139 männliche Gefangene können hier untergebracht werden, dazu kommt ein kleiner Frauenvollzug mit neun Plätzen. „Im Prinzip kommen die Häftlinge direkt zu uns, sobald sie von der Polizei aufgegriffen und festgenommen werden. Das bedeutet, dass viele bei uns den ersten Kontakt zum deutschen Vollzugssystem bekommen, was unsere Aufgabe nicht immer einfach macht. Die ersten Tage in einem Gefängnis belasten einen neuen Gefangenen enorm, ebenso wie der erste Verhandlungstag und die Urteilsverkündung. Das bringt sie schnell an ihre Grenzen.“

Der Fernseher kann wirklich Wunder wirken

Manche würden ausrasten, andere Suizidgedanken hegen. In beiden Extremfällen können die Vollzugsbeamten bei den Inhaftierten Sicherungsmaßnahmen anordnen. Entsprechende Zellen liegen in einem Anbau aus den 60er-Jahren, bestückt mit nur dem Nötigsten. Immerhin, ein Fernseher ist auch hier – hinter Sicherheitsglas – vorhanden. „Das kann wirklich Wunder bewirken“, erzählt Ariözsoy. „Das größte Problem für die Insassen hier sind ja die Isolation und die fehlende Ablenkung. Wenn wir Sicherungsmaßnahmen anordnen, verstärken wir Ersteres gezwungenermaßen. Umso wichtiger ist es, dass der Gefangene sich irgendwie beschäftigen kann, in diesem Fall eben mit fernsehen.“

In der Kapelle der JVA stoßen Diakon Frank Lahnstein und die evangelische Pfarrerin Nannette Fengler zur Gruppe. Beide stehen den Gefangenen regelmäßig zur Verfügung, ebenso wie ein islamischer Geistlicher. „Für viele Gefangene ist es wichtig, einen Ansprechpartner zu haben, der keinen Einfluss auf sein Urteil und auf seine Haft hat“, betont Lahnstein. „Wir treten ihnen offen und vorurteilsfrei gegenüber, und wir versuchen, ihnen das Gefühl zu geben, angenommen zu werden, egal, was sie getan haben.“ Auch deshalb würden in der JVA viele zum Glauben finden.

„Bei uns können sie sich alles von der Seele reden, können uns um Rat fragen oder sich einfach nur mit uns unterhalten. Vielen gibt das Hoffnung.“

evangelische Pfarrerin Nannette Fengler

„Manche Häftlinge sind ohnehin religiös geprägt, sind aber in der Außenwelt mit allem möglichen zugeschüttet worden, das ihnen den Weg versperrt hat“, sagt der Diakon. „Hier haben sie auf einmal Zeit zum Nachdenken und zum Innehalten“, führt Fengler den Gedanken weiter. „Bei uns können sie sich alles von der Seele reden, können uns um Rat fragen oder sich einfach nur mit uns unterhalten. Vielen gibt das Hoffnung.“

Weiter geht es, rüber in den Sportraum. Dort üben einige Vollzugsbeamte: Deeskalationstraining steht auf dem Programm, aber auch die effektive und kontrollierte Überwältigung von Gefangenen, von denen eine erhöhte Gefahr ausgeht. Beides gehört zum Alltag in der JVA. „Leider müssen wir feststellen, dass die Gewaltbereitschaft uns gegenüber in den vergangenen Jahren gestiegen ist“, sagt Räder. „Das geht allerdings nicht nur uns so, das erleben zum Beispiel auch Polizisten. Insofern sind derartige Trainingseinheiten für uns Pflicht. Ansonsten steht der Sportraum aber auch den Häftlingen zur Verfügung.

Viele fangen während Inhaftierung wieder mit Sport an

Vor allem in den Wintermonaten, in denen es draußen auf dem Hof eher ungemütlich ist, brauchen sie diese Möglichkeit.“ Auf besagtem Hof, umringt von hohen Mauern mit Stacheldraht und Videoüberwachung, befinden sich ebenfalls ein paar Sportgeräte sowie zwei Tischtennisplatten; in einem separaten Außenbereich gibt es zudem ein kleines Fußball- und Basketballfeld. „Nicht jeder will Sport machen, aber erstaunlicherweise kommen hier zum Teil Gefangene wieder zum Sport, die vor der Inhaftierung ihren Körper sehr vernachlässigt haben. Dazu gehören auch viele Drogenabhängige, die hier wieder in Form kommen“, sagt Räder.

„Trotzdem würde ich mich als Erstes um Arbeit bemühen, wenn ich ins Gefängnis müsste“

Sicherheitsbeamte Dirk Räder

Die Werkstatt im Nebengebäude ist momentan leer – Mittagspause. Rund 20 Häftlinge können hier arbeiten und sich ein paar Euro verdienen, 11 bis 12 Euro pro Tag für das Zusammenbauen von Verpackungen für Tierarzneien oder den Zuschnitt von Filtern für Dunstabzugshauben. Viel ist das nicht. „Trotzdem würde ich mich als Erstes um Arbeit bemühen, wenn ich ins Gefängnis müsste“, erklärt Räder. „Erstens ist man beschäftigt, zweitens in einer Gruppe und verdient drittens Geld – und das braucht jeder, etwa um die Miete des Fernsehers im Zimmer zu bezahlen oder für Telefonanrufe, Briefmarken und Tabak.“ „Einige Häftlinge müssen zudem Unterhalt bezahlen oder Schulden begleichen“, ergänzt Carolin Bucksteeg. „Da zählt jeder Euro.“

Der Rundgang neigt sich dem Ende zu. Einige Vollzugsbeamte sind derweil dabei, an bestimmten Stellen kleine Tannenbäume aufzustellen und zu schmücken, um zumindest etwas Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen. „Für viele Insassen ist das eine schwere Zeit“, sagt Ariözsoy. „In der Werkstatt oder auch bei anderen Arbeitseinsätzen gibt es weniger zu tun, von draußen kommt kaum noch Sonnenlicht herein, die Familie fehlt – das alles macht ihnen zu schaffen. Wir versuchen daher, mit kleinen Weihnachtsfeiern oder Ähnlichem gegenzusteuern oder lassen sie auch einfach mal Weihnachtskarten für ihre Lieben basteln.“ Manchmal sind es eben die kleinen Gesten, die zählen. In dieser Hinsicht ist die Justizvollzugsanstalt Koblenz nicht anders als die Außenwelt.

Von Thomas Kölsch